Kindergeld für Kinder im Ausland: Neue Debatte nach Polizeieinsatz in Duisburg
Die Razzia im sogenannten Weißen Riesen in Duisburg am Dienstag, 29. Oktober, hat erneut die Debatte um Empfänger deutscher Zahlungen von Kindergeld ins Ausland angefacht. In dem heruntergekommenen Hochhaus sollen mehrere Fälle von Verstößen gegen das Ausländerrecht und gegen das Sozialrecht festgestellt worden sein.
An der Durchsuchung hatten etwa 400 Beamte teilgenommen. Es sollen sich insgesamt 124 nicht gemeldete Personen in dem Gebäude befunden haben. Man habe 16 ausreisepflichtige Personen angetroffen, gegen zwei von ihnen bestand demnach ein offener Abschiebehaftbefehl.
Der Verdacht ungerechtfertigten Bezugs von Kindergeld wird derzeit noch untersucht. Offiziell sind in dem Haus 1.414 Personen gemeldet, darunter 300 Kinder. Nicht alle sollen jedoch tatsächlich dort leben. Oberbürgermeister Sören Link sprach mit Blick auf die Razzia von einem guten Tag „für den Rechtsstaat und die Stadt Duisburg“.
Wann kann Kindergeld für im Ausland lebende Kinder bezogen werden?
Dass Menschen, die in Deutschland leben und arbeiten, Kindergeld beziehen für Kinder, die im Ausland leben, ist nicht zwingend ein Beweis für Sozialmissbrauch.
In den meisten Fällen ist der Bezug durch EU-Recht, bilaterale Sozialversicherungsabkommen oder Bestimmungen des Asyl- oder Aufenthaltsrechts abgesichert. In einigen Fällen hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) zugunsten der Bezieher interveniert.
Unter bestimmten Bedingungen können auch Menschen mit Wohnsitz im Ausland rechtmäßig Kindergeld erhalten. Dies ist möglich, wenn die Kinder nur vorübergehend im Ausland leben, beispielsweise um ein freiwilliges soziales Jahr zu leisten.
Am häufigsten geht es dabei jedoch um die Kinder von Wanderarbeitern. Hier leben die Familien inklusive der Kinder häufig dauerhaft im Ausland, während ein Elternteil in Deutschland arbeitet.
Entscheidend dafür, ob Anspruchsberechtigte Kindergeld für Kinder im Ausland erhalten, ist die Frage, ob diese in Deutschland Steuern bezahlen. Dies umfasst auch Fälle beschränkter Steuerpflicht, solange es einen Anknüpfungspunkt wie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland gibt.
Einige Sozialversicherungsabkommen gehen auf Zeit der Anwerbeabkommen zurück
In solchen Fällen steht Bürgern der EU und des EWR der Bezug von Kindergeld für im Ausland ansässige Kinder zu. Dazu kommen Zahlungen aufgrund von Sozialversicherungsabkommen. Viele davon, wie beispielsweise jene mit der Türkei oder Marokko, reichen bereits in die Zeit der Anwerbeabkommen für damals als „Gastarbeiter“ bezeichnete Arbeitnehmer zurück.
Vor allem aus damaliger Sicht lag diese Lösung nahe: Immerhin war es vonseiten der Bundesregierung angedacht, dass Gastarbeiter für einen gewissen Zeitraum in Deutschland tätig bleiben – und anschließend in ihr Herkunftsland zurückkehren. Familienzusammenführung wurde erst später ein Thema, als sich abzeichnete, dass dieses temporäre Modell nicht mit der Realität konform ging.
Derzeit finden 18 bilaterale Sozialversicherungsabkommen im Verhältnis zu 21 Staaten Anwendung. Sie regeln auch Fragen der Krankenversicherung und des Rentenbezuges. Begünstigt dadurch sind nicht nur Einwanderer nach Deutschland, sondern auch Deutsche, die sich temporär oder dauerhaft in einem der Vertragsstaaten ansiedeln.
Anpassung auf Lebensstandard verstößt gegen EU-Recht
Anspruchsberechtigt bezüglich des Kindergeldes sind zudem auch in Deutschland ansässige Menschen mit einer gültigen Aufenthaltserlaubnis.
Dazu kommen drittstaatsangehörige Ehepartner oder Kinder von EU-Bürgern, die ein Freizügigkeitsrecht besitzen, und anerkannte Geflüchtete oder Asylsuchende. In jedem Fall werden jedoch die Voraussetzungen für den Anspruch von der Familienkasse der Bundesarbeitsagentur geprüft.
Einige EU-Mitgliedstaaten wie Österreich, aber auch der Freistaat Bayern, haben in den vergangenen Jahren angepasste Modelle für Kinder- oder Familiengeld entwickelt. Um Kosten einzusparen, hat man die Zahlung an im EU-Ausland ansässige Kinder an den dortigen Lebensverhältnissen orientieren wollen.
Der EuGH hat bereits Österreich diesbezüglich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch Deutschland könnte aufgrund der bayerischen Regelung bald eine Klage vor dem Gerichtshof ins Haus stehen – mit hohen Erfolgsaussichten. Wie der EuGH nämlich betont hat, verletzen Regelungen dieser Art insbesondere Wanderarbeiter in ihrem Recht auf Freizügigkeit.
Leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr
Die Begründung der österreichischen Bundesregierung für die Maßnahme, nämlich, dass es unterschiedliche Niveaus an Lebensstandard innerhalb der EU gebe, hat das Gericht nicht anerkannt. Diese, so der EuGH, gebe es auch innerhalb der Mitgliedstaaten selbst. Dennoch stehe es in Österreich nicht zur Debatte, im Burgenland ein niedrigeres Kindergeld zu bezahlen als in Salzburg.
Im Jahr 2023 sind Angaben der Arbeitsagentur zufolge insgesamt 525,7 Millionen Euro Kindergeld an Konten im Ausland geflossen. Bis einschließlich September 2024 seien es 384 Millionen gewesen.
Im ersten Halbjahr habe es einen leichten Rückgang von 0,58 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gegeben. Demgegenüber seien 2013 erst 35,8 Millionen auf ausländische Konten geflossen.
Dass Kindergeld auf ein ausländisches Konto bezahlt wird, heißt jedoch nicht zwingend, dass Elternteile oder Kinder tatsächlich im Ausland leben. Sie könnten auch etwa nachgezogen sein, das Empfängerkonto jedoch beibehalten haben. Genauso könnten im Ausland ansässige Empfänger ein deutsches Konto verwenden.
Die meisten Zahlungen von Kindergeld ins Ausland gehen nach Polen
Einem Bericht von „Bild“ zufolge zahlten die Familienkassen zuletzt im September 2024 Kindergeld an 299.932 Kinder. Von diesen lebten 97,7 Prozent in einem EU-Mitgliedstaat.
Die meisten Zahlungen auf ausländische Konten fließen nach Polen – insgesamt etwa 111 Millionen Euro für 121.312 Kinder. Nach Rumänien fließen 27 Millionen Euro für 31.199 Kinder.
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