Kind will Impfung aus Angst vor Ausgrenzung und Infektion – Gericht dagegen

Ein Gerichtsbeschluss stoppt das Vorhaben einer geschiedenen Mutter, gegen den Willen des gemeinsam sorgeberechtigten Vaters hinweg, die minderjährige Tochter impfen zu lassen. Das Gericht sah im Ergebnis mehr Risiko als Vorteile für das Kind. In der Urteilsfindung wurden mehrere Ängste und Sorgen des Kindes aufgeführt, die möglicherweise dazu geführt hatten, dass das Mädchen sich impfen lassen wollte.
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Symbolbild.Foto: Istockphoto/Andrey Sayfutdinov
Von 1. März 2022

Bei den Corona-Impfungen scheiden sich die Geister: Die einen sehen es als ultimative Waffe gegen die Pandemie an, die anderen weigern sich vehement dagegen, verweisen auf gefährliche Nebenwirkungen und warnen vor möglichen Langzeitfolgen. Doch was, wenn eine Person zu jung ist, um selbst diese wichtige Entscheidung der Impffrage zu treffen und ihre Eltern keine Einigung dazu finden können?

Familiengericht: Risiko überwiegt Vorteile

In einem Beschluss des Familiengerichts Weilheim vom 13. Januar standen sich zwei geschiedene Elternteile eines gemeinsamen minderjährigen Kindes gegenüber. Das Sorgerecht über das Kind hatten Mutter und Vater gemeinsam. Die Mutter beantragte die alleinige „Entscheidungsbefugnis über die Durchführung der Corona-Impfung bei dem Kind“ mit dem mRNA-Präparat von Pfizer/BioNTech. Das Jugendamt unterstützte den Antrag der Mutter. Der Vater des Kindes plädierte dafür, den Antrag zurückzuweisen.

Das Amtsgericht in Oberbayern stellte grundsätzlich fest, dass es sich bei einer Impfung oder medizinischen Behandlung um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handle und erkannte nach Abwägung des Für und Wider: Nach gerichtlicher Einschätzung „überwiegt daher das Risiko einer Impfung die Vorteile für das Kind und ist daher nicht kindeswohldienlich“. Der Antrag der Mutter zur Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis wurde abgelehnt. Das anonymisierte Urteil liegt der Epoch Times in Digitalkopie vor.

Das Gericht merkte noch an, dass zum Wohl des Kindes eine gemeinsame Entscheidungsfindung der Eltern am besten sei – auch wenn dies im Endeffekt bedeute, „dass das Kind aufgrund der Weigerung des Vaters nicht geimpft werden wird“.

Rechtsanwalt: Gericht nimmt Prüfpflicht wahr

Der Berliner Rechtsanwalt und Journalist Dr. Alexander Christ kommentierte das Urteil: „Bedeutsam an dieser Entscheidung ist, dass auch die behandelnde Kinderärztin die Impfung des Kindes empfohlen hatte. Dennoch blieb der Vater standhaft. Das Gericht setzt sich hier kritisch mit der Impfempfehlung der StIKo, den Studien zu Risiken einer Impfung und mit den Möglichkeiten eines anderweitigen Schutzes vulnerabler Personen auseinander. Insofern hat das Gericht hier tatsächlich einmal seine Aufgabe einer Überprüfung des konkreten Einzelfalls erfüllt. Es gibt sie also noch, die fundierte juristische Arbeit…!“

Impfen gegen Ausgrenzung?

Der Darstellung des Gerichts nach hatte sich das Kind dahingehend geäußert, dass es geimpft werden wolle. Als Beispiel wurden gemeinsame Freizeitunternehmungen mit ihren geimpften Freundinnen aufgeführt, an denen sie nicht teilnehmen konnte, wie etwa Schwimmbadbesuche. Sie sei infolge der Corona-Maßnahmen in die Rolle einer Außenseiterin gedrängt worden und habe sich ausgeschlossen gefühlt.

Dennoch wollte das Gericht diese Argumente nicht für die Erteilung der alleinigen Impfentscheidungsbefugnis für die Mutter gelten lassen. Der Grund dafür: Die Situation hat sich geändert. Demnach bestünden diese Einschränkungen für die Altersgruppe des Kindes nicht mehr und dürften „trotz der Befürchtungen des Kindes“ auch nicht mehr per Verordnung eingeführt werden.

Die STIKO-Empfehlung gehe ausdrücklich dahin, „dass die Teilhabe von Kindern nicht vom Impfstatus abhängig gemacht werden darf“. Auch die Bayerische Staatsregierung sei dem gesetzlich nachgekommen und habe Kinder unter 14 Jahren dem Geimpften- und Genesenenstatus gleichgestellt und auch regelmäßig in der Schule getestete Kinder von der Testpflicht für bestimmte Veranstaltungen befreit.

Corona-Ängste eines Kindes

Von dem Kind befürchtete erneute Schulschließungen, wenn sich die Kinder nicht impfen ließen, entsprächen nicht mehr der heutigen Sach- und Erkenntnislage und dürften nach aktueller Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unbegründet sein.

Schwerer wiege das Argument des Kindes, selbst an Corona zu erkranken und selbst bei leichtem Verlauf möglicherweise Langzeitfolgen (Long COVID) zu erleiden. Auch habe es Befürchtungen gehegt, andere Angehörige anstecken zu können, wie etwa die Großmutter des Stiefvaters des Kindes, heißt es im Urteil.

Gefährliche Nebenwirkungen

Die Ärztin des Kindes wurde auch gehört. Sie befürwortete die Impfung und erklärte unter anderem, dass die bisher im Kinder- und Jugendalter aufgetretenen Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) alle reversibel gewesen seien. Dem setzte das Gericht eine Langzeitstudie des Paul-Ehrlich-Instituts und des Kinder-Myokarditis-Registers entgegen, die darauf verwiesen, dass nicht alle Herzmuskelentzündungen bei Kindern und Jugendlichen ohne Folgen ausgeheilt seien.

Ebenso stellte man fest, dass eine Herzmuskelentzündung selbst bei vollständiger Ausheilung eine „sehr schwere lebensbedrohliche Erkrankung“ sei. Als Beispiel wurde der Tod eines zwölfjährigen Jungen in Cuxhaven aufgeführt, auch wenn die Myokarditis wegen Vorerkrankungen nicht alleinig verursachend für den Tod des Kindes war, wie die Obduktion ergeben habe.

Das Gericht verwies diesbezüglich auch darauf, dass es bei den Corona-Impfungen im Vergleich zu anderen Impfstoffen eine „ungewöhnlich hohe Rate an gemeldeten, unerwünschten Nebenwirkungen und Todesfällen“ gebe – dies „auch im Verhältnis zu der Anzahl an verimpften Dosen“.

Geringe Corona-Gefahr bei Kindern

„Für Kinder und Jugendliche besteht demgegenüber kein bzw. kaum ein Risiko eines schweren Verlaufs der Coronainfektion“, merkte das Gericht an. „Kinder und Jugendliche haben meist einen milden oder asymptomatischen Verlauf, wenn sie mit SARS-CoV-2 infiziert sind. Das Risiko, an COVID-19 zu sterben, ist für sie nahezu gleich Null“. Das Gericht schätzte zudem die Gefahr für Kinder und Jugendliche bei der aktuellen Omikron-Variante als noch weniger ausgeprägt ein.

Bezüglich „Long COVID“-Sorgen wies das Gericht auf Studien der Technischen Universität Dresden und der ETH Zürich hin. Demnach sei dies sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen ein „Phänomen, das auch bei anderen Viruserkrankungen, z. B Eppstein-Barr-Virus“ bekannt sei. Eine Vergleichsgruppe von nicht an COVID erkrankt gewesenen Kindern und Jugendlichen hätte nahezu die gleichen Symptome gezeigt wie die Gruppe der Erkrankten. „Die Symptome sind den Forschern zu Folge eher auf die Folgen des Lockdowns und der sonstigen Einschränkungen für die Kinder zurückzuführen“, resümierte das Gericht.

Auch auf mögliche Infektionsfolgen bei einer Corona-Erkrankung ging das Gericht ein und äußerte, dass diese Gefahr ebenso im Falle einer Impfung bestehe, da diese nach Auffassung des Gerichts nicht 100-prozentig vor Infektionen schütze. Bei der Delta-Variante trügen geimpfte und ungeimpfte Infizierte dieselbe Viruslast, wie eine britische Studie ergeben habe – selbst wenn Geimpfte kürzer infektiös seien.

Das Gericht riet zum Schutz der „vulnerablen Verwandten des Kindes“ einen Test des Kindes vor einem Besuch vorzunehmen. „Es erscheint jedenfalls nicht dem Kindeswohl dienlich, dem Kind die Verantwortung für die Gesundheit dieser Verwandten aufzubürden“, entschied das Gericht und: „Personen, die ein erhöhtes Risiko haben, können sich durch Erst, Zweit- und Boosterimpfung schützen, ohne dass eine flächendeckende Impfung von Kindern erforderlich wäre.“



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