Kinder- und Jugendärzte gegen „Ein-Kind-Regel“ zur Corona-Eindämmung
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat die geplante „Ein-Kind-Regel“ zur Corona-Eindämmung kritisiert. „Jede Einschränkung für das Erleben von Freundschaften ist immer belastend, und für Kinder besonders“, sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstagausgabe, 19. November).
Da Kinder bis zehn Jahre das Virus erwiesenermaßen deutlich seltener weitergeben, selbst wenn sie sich anstecken, ist die geplante Begrenzung auf einen Spielkameraden für diese Altersgruppe überflüssig und schädlich.“
Für Jugendliche würde die Regel „hingegen Sinn machen, wenn die Kontaktbeschränkung dabei hilft, die Schulen offen zu lassen, denn Jugendliche sind ähnlich infektiös wie Erwachsene“, ergänzte Fischbach. Gleichwohl sei die sogenannte Ein-Kind-Regel „aus unserer Sicht aber nicht das größte Problem“. Schlimmer wäre es, wenn die Kinder gar nicht mehr vor die Tür dürften und niemanden außer den eigenen Familienmitgliedern treffen könnten, so der Mediziner.
Bund und Länder hatten am Montag vereinbart, dass sich Familien angesichts der hohen Zahlen der positiven Tests nur noch mit einem weiteren festen Hausstand treffen sollen. „Das schließt auch Kinder und Jugendliche in den Familien mit ein“, heißt es im Beschlusspapier.
Kinder müssten sich auf einen Freund oder Freundin festlegen
Konkret würde das bedeuten, dass sich Kinder auf einen Freund oder eine Freundin festlegen müssten. Aus dem Appell könnte bei den nächsten Beratungen in einer Woche ein Verbot werden. Zentral für das Kindeswohl sei es, dass die Schulen und Kindertagesstätten für den Präsenzunterricht geöffnet bleiben, sagte Fischbach.
„Eine Schließung lehnen wir grundsätzlich ab, da es keine belastbaren Daten gibt, wonach Kinder Hauptüberträger von Sars-CoV-2 wären.“ Es gebe mehrere Studien, die für Kinder bis zehn Jahre das Gegenteil zeigten, nämlich dass das Virus von Kindern deutlich seltener verbreitet wird als von Jugendlichen und Erwachsenen, selbst wenn sie sich bei Erwachsenen oder Jugendlichen anstecken, etwa in der Familie oder durch infizierte Erzieher oder Lehrer.
„Hinzu kommt, dass Ausbrüche in Schulen oder Kitas verhältnismäßig einfach kontrolliert und gestoppt werden können, durch Testung und Quarantäne“, sagte Fischbach. Es sei nicht wie bei den meisten Erwachsenen, bei denen die meisten Ansteckungen nicht mehr zurückverfolgt werden könnten.
„Daher besteht auch angesichts der insgesamt gestiegenen Infektionen keine Notwendigkeit, Schulen und Kitas wieder dichtzumachen, gerade mit Blick auf die gravierenden psychosozialen Folgen und den Verlust von Bildungschancen.“ Wenn sich Schulen oder Behörden gezwungen sähen, Klassen zu halbieren und einen Wechsel zwischen Online- und Präsenzunterricht zu beschließen, „dann muss es einheitliche Regeln geben“, forderte der Kinder- und Jugendärztepräsident.
„Leider haben die Verantwortlichen den Sommer verschlafen.“ Wenn alle Kinder in einen anderen Unterrichts-Rhythmus geschickt werden würden, seien Eltern mit mehreren Kindern mit der Betreuung „heillos überfordert“, kritisierte Fischbach.
„Es gibt Fälle, in denen sie dann um ihren Job bangen müssen. Dass daran nicht gedacht wird, ist unfassbar und muss ganz dringend abgestellt werden, damit die Familien damit umgehen können“, so sein dringender Aufruf. (dts/sza)
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