Kevin Kühnert legt bei seinen Sozialismus-Thesen nach: Er hat seine Worte „sehr ernst gemeint“
Im Streit um seine Sozialismus-Thesen hat Juso-Chef Kevin Kühnert nachgelegt und die SPD aufgefordert, die von ihm angestoßene Debatte offensiv zu führen.
„Ich habe keine Lust mehr darauf, dass wir wesentliche Fragen immer nur dann diskutieren, wenn gerade Friedenszeiten sind, und im Wahlkampf drum herumreden“, sagte Kühnert dem „Spiegel“. Wenn man ernsthaft einen anderen Politikstil wolle, „dann können wir uns nicht immer auf die Zunge beißen, wenn es um die wirklich großen Fragen geht“.
Ich habe das sehr ernst gemeint, was ich formuliert habe“, sagte Kühnert. Der Kapitalismus sei „in viel zu viele Lebensbereiche vorgedrungen: So können wir auf keinen Fall weitermachen.“
Wer so redet, ignoriert die Herausforderungen
Kritik an Kühnerts Ideen kam nun auch vom Industrieverband BDI. „Unausgegorene Ideen für eine sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsform verlieren sich im Nebel aus unbestimmten Wünschen und Rezepten von gestern“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, der Deutschen Presse-Agentur.
„Wer so redet, ignoriert die komplexen Herausforderungen von Digitalisierung und wirtschaftlichem Wettbewerb, denen sich unsere Unternehmen im Alltag stellen müssen“, sagte Lang. Dazu gehöre die Kenntnis, wie sich realistisch Wohlstand, Wachstum und Fortschritt sichern ließen.
Die Kollektivierung von Unternehmen und andere planwirtschaftliche Methoden würden die Triebkräfte erfolgreichen Wirtschaftens sofort abwürgen.“
Lang sagte aber zugleich: „Soziale Marktwirtschaft ist mehr als nur eine leere Hülle und muss gelebt werden.“ In der sozialen Marktwirtschaft gehörten Freiheit und Verantwortung zusammen.
Kollektivierung und Zustimmung von Linken
Kühnert, der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation, hatte zuvor in einem Interview mit der „Zeit“ zum Thema Sozialismus gesagt, dass er für eine Kollektivierung großer Unternehmen „auf demokratischem Wege“ eintrete: „Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW ’staatlicher Automobilbetrieb‘ steht oder ‚genossenschaftlicher Automobilbetrieb‘ oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht.“
Für seine Aussagen musste Kühnert teils heftige Kritik einstecken, auch aus der eigenen Partei. „Die empörten Reaktionen zeigen doch, wie eng mittlerweile die Grenzen des Vorstellbaren geworden sind“, sagte er nun dem „Spiegel“. „Da haben 25 Jahre neoliberaler Beschallung ganz klar ihre Spuren hinterlassen.“
Kühnert hatte der Wochenzeitung „Die Zeit“ unter Hinweis etwa auf den Automobilkonzern BMW gesagt: „Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar.“ Wie genau solche Kollektivierungen ablaufen sollten, ließ Kühnert in dem Interview offen.Auch private Wohnungsvermietungen soll es nach seiner Auffassung im „Optimalfall“ nicht mehr geben.
Der Juso-Chef wurde für seine Äußerungen von Union, FDP, AfD und Wirtschaftsverbänden scharf kritisiert. Heftiger Widerspruch kam auch aus der eigenen Partei. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, schrieb etwa im Kurzbotschaftendienst Twitter: „Was für ein grober Unfug. Was hat der geraucht? Legal kann es nicht gewesen sein.“
Zuspruch kam dagegen von der Linkspartei. Und auch in der SPD werden zunehmend Stimmen laut, die Kühnert gegen Kritik in Schutz nehmen. So sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Donnerstag in der rbb-Sendung „Talk aus Berlin“: „Die Aufregung um diese Äußerung von Kühnert zeigt, dass er die richtige Frage gestellt hat. Nämlich die Frage nach der Verteilung von Einkommen.“
Der Vorsitzende der einflussreichen nordrhein-westfälischen SPD, Sebastian Hartmann, sagte dem „Spiegel“, die Debatte müsse aufgenommen werden. „Wir brauchen ein grundlegend neues Wirtschaftsmodell.“ Der ungeregelte Markt sei „unser Gegner“. „Ungleichheit ist der Sprengstoff unserer Zeit.“
Auch die Bielefelder Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar, Mitglied im SPD-Bundesvorstand, lobte Kühnert: „Wenn wir glaubhaft von Erneuerung sprechen wollen, müssen wir über den Widerspruch von Arbeit und Kapital reden.“ Seit Jahren erstarke der Neoliberalismus und wachse die Ungleichheit zwischen Arm und Reich: „Da kann sich die SPD nicht mit dem Status quo zufriedengeben.“ (dpa/afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion