Kernkraft-Aus: Union strebt U-Ausschuss an – Habeck will den Spieß umdrehen

Nach den Berichten über eine mögliche Manipulation von Unterlagen fordert die Union einen Untersuchungsausschuss zum Kernkraftausstieg. Minister Habeck will nun offenbar seinerseits eine Mitverantwortung von CDU und CSU für die Energiekrise zum Thema machen.
Die Förderung für die Wärmepumpe werde mehr und mehr angenommen, so Robert Habeck.
Bundesminister Robert Habeck sieht die Union als Hauptverantwortliche für die Versorgungskrise des Jahres 2022.Foto: Christian Charisius/dpa
Von 3. Juni 2024

Die Berichte über eine mögliche Manipulation von Entscheidungsgrundlagen zum Kernkraftausstieg 2023 haben in CDU und CSU Ambitionen geweckt, einen Untersuchungsausschuss zu erzwingen. Dieser sollte im Vorfeld der Bundestagswahl garantieren, dass die Energiekrise ein Thema bleibt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und die Grünen scheinen nun den Spieß umdrehen zu wollen – und ihrerseits den Beitrag der Union zur Energiekrise zum Thema machen zu wollen.

Habeck wirft Großer Koalition „historischen Fehler“ vor

Während des Länderrates der Grünen, so deren Bezeichnung für einen kleinen Parteitag, hat Robert Habeck am Wochenende selbst die Problematik angesprochen. Es sei die Große Koalition gewesen, die einen „historischen Fehler“ begangen habe. Sie habe sich von den Gaslieferungen aus Russland abhängig gemacht.

Ursprünglich hatte die rot-grüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder – auf Betreiben der Grünen – Anfang der 2000er den „Atomkonsens“ mit den Energieversorgern vereinbart. 2002 wurde dieser in einer Novelle zum Atomgesetz rechtlich abgesichert. Im Jahr 2005 hat Schröder die Absichtserklärung zum Bau der ersten Nord-Stream-Pipeline unterzeichnet.

Die Union hatte später in ihrer Koalition mit der FDP 2010 erst die Verlängerung der Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke beschlossen. Wenig später, im März 2011, verordnete Merkel den abrupten Atomausstieg nach dem Tsunami vor Japan und der Havarie im KKW Fukushima. Dies geschah nicht zuletzt vor dem Hintergrund grüner Wahlerfolge. Was in weiterer Folge die geplante Pipeline Nord Stream 2 anbelangt, hat die Große Koalition den größten Teil der Vorarbeiten veranlasst.

Elfseitiger Brief von Staatssekretär Wenzel an Unions-Obmann im Energieausschuss

Habeck sieht allerdings offenbar gerade den Faktor Nord Stream 2 als entscheidend dafür, dass keine weitere Diversifizierung der Energieversorgung erfolgt sei. Die Grünen seien, so behauptete der Minister, die Einzigen gewesen, die diese Gefahr rechtzeitig erkannt hätten. Wären die Grünen im Jahr 2022 nicht Teil der Bundesregierung gewesen, wäre nach Meinung des Ministers Folgendes passiert:

„Deutschland wäre im Sommer 22 in eine Energiekrise geschlittert, die diesem Land den Boden unter den Füßen weggerissen hätte. Deutschland hätte sein Wohlstandsmodell abschreiben können. Und man darf sagen, Putin hat genau das vorgehabt.“

In diesem Kontext ist es ein Brief des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Stefan Wenzel, der Habecks Aussagen Sicherheit verleiht. Der Grünen-Politiker hat jüngst einen elfseitigen Brief an den Obmann der Union im Energieausschuss, Thomas Gebhart, gerichtet. Die „Rheinische Post“, die von dessen Inhalt Kenntnis erlangt hat, berichtet über diesen.

Schritte zur Genehmigung von Nord Stream 2 noch kurz vor Kriegsausbruch

In dem Schreiben schildert Gebhart, die Entscheidung der Ampel zur Laufzeitverlängerung bis zum 15. April 2023 habe sich bereits vor Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine angedeutet. Schon zeitnah nach seinem Amtsantritt hat demnach Minister Habeck den Eindruck gewonnen, die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen habe Deutschland „besonders verletzbar“ gemacht.

Deshalb habe er noch vor Beginn des russischen Einmarsches im Februar 2022 die Zertifizierung von Nord Stream 2 ausgesetzt. Wenzel warf der Union vor, noch im Jahr 2021 Schritte zur Genehmigung und Inbetriebnahme von Nord Stream 2 veranlasst zu haben, als Russland bereits Truppen an der ukrainischen Grenze zusammengezogen habe. Zugleich hätten die deutschen Gasspeicher „ungewöhnlich niedrige Füllstände“ aufgewiesen.

Der Brief Wenzels lässt Bestrebungen aufseiten der Grünen erkennen, das Narrativ zur Energiekrise grundlegend zu verändern. Die Union begründet ihren Vorstoß in Richtung eines Untersuchungsausschusses unter anderem mit einem Bericht des „Cicero“ vom 25. April des Jahres.

Gestützt auf Dokumente, die das Magazin auf der Basis des Informationsfreiheitsgesetzes herausgeklagt hat, erhob es einen schwerwiegenden Vorwurf. Demnach haben Habecks engste Vertrauensleute im Expertenstab des Ministeriums Informationen über die Bedeutung der Kernkraft angesichts der Energiekrise verkürzt und manipuliert. Dadurch habe man dem Minister suggeriert, dass Sachkundige eine Laufzeitverlängerung für unnötig hielten und die Kraftwerksbetreiber keine Möglichkeit sähen, eine solche umzusetzen.

Habeck rühmt Ampel für „unideologisches“ Agieren während der Versorgungskrise

Die Betreiber hatten später diese Darstellung zurückgewiesen. Sie hätten einen Weiterbetrieb gewährleisten können, sobald einige erforderliche Ressourcen verfügbar gemacht worden wären. Man hätte einen Weiterbetrieb technisch und logistisch einrichten können, hätte die Bundesregierung dies gewünscht.

Habeck selbst betonte im Energieausschuss, die Informationen aus seinem Stab seien nicht die einzigen und auch nicht die entscheidenden für die weiteren Schritte der Ampel gewesen. Er betonte, das Ministerium habe zu keiner Zeit ideologisch gehandelt:

„Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen, gearbeitet.“

Habeck reagierte im Sommer 2022 sogar „irritiert“ auf einen Brief von PreussenElektra-Chef Guido Knott, der Zweifel an der Durchführbarkeit der Maßnahmen geäußert hatte. Allerdings hatte das Ministerium zum damaligen Zeitpunkt lediglich von einer „Kaltreserve“ gesprochen.

Kernkraftwerke, so Knott, seien aus technischen Gründen nicht für einen Reservekraftwerksbetrieb geeignet. Dementsprechend sei eine solche Maßnahme auch nicht geeignet, den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern. Dies habe man auch im Vorfeld gegenüber dem Ministerium kommuniziert.

Bundesnetzagentur sah noch 2021 kein Versorgungsrisiko im Fall eines Aus für Nord Stream 2

In einem Interview mit der Epoch Times hatte im Oktober 2022 Uwe Stoll zu dem Thema Stellung genommen. Er ist der technisch-wissenschaftliche Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Stoll wies darauf hin, dass ein Streckbetrieb grundsätzlich nur für maximal 100 Tage möglich sei, bevor die Beschaffung neuer Brennelemente nötig würde. Am Ende ordnete Bundeskanzler Olaf Scholz im Wege seiner Richtlinienkompetenz eine Laufzeitverlängerung dreier noch in Betrieb befindlicher KKW bis zum 15. April 2023 an.

Eine Entscheidung darüber, ob die Union tatsächlich den Untersuchungsausschuss erzwingt, ist noch nicht gefallen. Sie würde einen solchen voraussichtlich als Option betrachten, der Ampel die Gefährdung der Energiesicherheit des Landes aus ideologischen Gründen vorzuwerfen.

Die Grünen wiederum würden der Union attestieren, die Gefahr der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen nicht rechtzeitig erkannt zu haben. Immerhin habe die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellte Bundesnetzagentur noch im Sommer 2021 erklärt, dass Nord Stream 2 die Versorgungssicherheit nicht gefährde. Ein entsprechender Vermerk aus jener Zeit sei ursprünglich als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ klassifiziert worden. Am 30. Mai 2024 wurde er freigegeben.

Habeck und die Union sind sich offenkundig nicht einig, wer tatsächlich für die Energiekrise in Deutschland verantwortlich ist. Allerdings dürften sie im Konsens darüber sein, dass die Expertise beider Parteien in Brüssel gebraucht wird. Auf dem kleinen Parteitag würdigte der Minister die Bemühungen der EU um engmaschige und verbindliche Regeln zum Umwelt- und Klimaschutz. Nun sei es wichtig, dafür zu sorgen, dass Europa „weltpolitikfähig“ werde. Deshalb müsse die EU in außenpolitischen Fragen „mehr Schlagkraft entfalten“ und militärisch enger zusammenarbeiten.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion