Kernenergie und Schuldenbremse: CDU geht auf Distanz zu Merkel
Schon im Vorfeld ihrer Buchvorstellung am Dienstagabend, 26.11., im Deutschen Theater in Berlin sorgt Altkanzlerin Angela Merkel für Diskussionsbedarf in der CDU. In der Sendung „Frühstart“ von RTL und n-tv hat Generalsekretär Carsten Linnemann in mehreren Bereichen Abgrenzungsbedarf identifiziert. Neben der Migrationspolitik, wo Merkel den aktuellen Kurs der Partei deutlich kritisiert hat, besteht dieser offenbar auch in den Fragen der Kernenergie und der Schuldenbremse.
CDU trug Kehrtwende von Merkel bei der Kernkraft mit
Merkel verteidigte in ihren am Dienstag erschienenen Memoiren „Freiheit. Erinnerungen 1954–2021“ ihre eigenmächtige Kehrtwende bei der Kernenergie im Jahr 2011.
Erst wenige Monate zuvor hatte die schwarz-gelbe Koalition unter ihrer Führung eine deutliche Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken in Deutschland beschlossen. Damit hob das Kabinett Merkel II den 2002 von der rot-grünen Bundesregierung erzielten „Atomkonsens“ auf. Zwar hatte dieser keine fixen Termine für den Ausstieg vorgesehen, de facto hätte man jedoch mit einem Ende des Betriebs der noch vorhandenen Kernreaktoren bis 2020 rechnen müssen.
Die schwarz-gelbe Koalition verlängerte die Betriebszeit der sieben bereits vor 1980 produzierenden Reaktoren um acht Jahre. Die übrigen zehn sollten jeweils 14 Jahre länger laufen.
Merz und Linnemann wollen Kernfusion für Deutschland nicht ausschließen
Wenige Tage nach deutlichen Verlusten der CDU und massiven Gewinnen der Grünen bei den Landtagswahlen 2011 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verkündete Merkel einen vorzeitigen Kernkraftausstieg. Zuvor hatten Grüne und Medien den Tsunami vor der japanischen Küste und eine Havarie im KKW Fukushima zum Anlass genommen, vor der weiteren Nutzung der Kernkraft in Deutschland zu warnen.
Merkel setzte einen Ausstieg aus der Kernkraft bis Ende 2022 durch. Unter dem Eindruck drohender Energieengpässe in Deutschland im Winter nach Ausbruch des Ukrainekrieges veranlasste Bundeskanzler Olaf Scholz eine Laufzeitverlängerung dreier Kraftwerke bis Frühjahr 2023. Seither sind alle deutschen Reaktoren vom Netz.
Zuletzt hatte die CDU gefordert, die Möglichkeit eines Wiedereinstiegs in die Kernkraft ins Auge zu fassen. Während seines Auftritts bei RTL/ntv widersprach Linnemann Merkel in dieser Frage und machte deutlich, Deutschland auch als möglichen Standort für die Kernfusion zu betrachten. Für diese hatte sich auch Kanzlerkandidat Friedrich Merz ausgesprochen.
Die Altkanzlerin äußerte, sie könne „Deutschland auch für die Zukunft nicht empfehlen, wieder in die Nutzung der Kernenergie einzusteigen“. Man könne „die Klimaziele auch ohne die Kernenergie erreichen, technologisch erfolgreich sein und damit auch anderen Ländern der Erde Mut machen“.
SMR und Fusionstechnologie wohl nicht vor 2030ern marktfähig
Die Technologie, bei der Atomkerne zu einem neuen Kern verschmelzen und dabei hohe Energiemengen freisetzen sollen, wird in mehreren Staaten der Welt getestet. Für eine kommerzielle Nutzbarkeit reicht die gewonnene Energiemenge jedoch noch nicht aus.
Auch für technologische Entwicklungen neueren Datums in diesem Bereich wie sogenannte Small Modular Reactors (SMR) zeigt sich die Union offen. Länder wie Tschechien oder Unternehmer wie Bill Gates setzen große Hoffnungen auf diese – und haben erhebliche Investitionen angekündigt.
Auch hier ist die Marktreife noch nicht erreicht, allerdings hat sich die Zahl der Versuchsreaktoren in den vergangenen Jahren vervielfacht. Eine reguläre Markteinführung von SMRs ist jüngsten Studien zufolge in den 2030er Jahren zu erwarten. Die kommerzielle Nutzung der Kernfusion auf breiter Basis kann wahrscheinlich erst zwischen 2050 und 2060 realisiert werden.
Merkel will durch Reform der Schuldenbremse „Verteilungskämpfe vermeiden“
In ihren Memoiren hat sich Altkanzlerin Merkel außerdem für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen – obwohl diese in ihrer ersten Amtszeit ins Grundgesetz aufgenommen wurde. Zwar bleibe „die Idee der Schuldenbremse mit Blick auf nachfolgende Generationen richtig“, schrieb Merkel in ihrem Buch. Allerdings sei eine Reform erforderlich, „damit die Aufnahme höherer Schulden für Zukunftsinvestitionen möglich wird“.
Nötig sei dies, um „Verteilungskämpfe in der Gesellschaft zu vermeiden und den Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung gerecht zu werden“. Zudem müsse man gegenüber Russland eine „glaubhafte Abschreckung aufbauen“. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO reiche dafür nicht mehr aus. Durch „hohe unabdingbare Verteidigungsausgaben“ werde es jedoch „zu Konflikten mit anderen Politikbereichen kommen“.
Zugleich müssten, so Merkel, mindestens 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden, um den Wohlstand in Deutschland zu erhalten. Weitere 0,7 Prozent blieben für Entwicklungshilfe erforderlich. Zudem erfordere „die Transformation zum klimaneutralen Leben und Wirtschaften bis zum Jahr 2045 zusätzliche staatliche Mittel in großem Umfang“.
Schuldenbremse-Reform bevor es eine „Sperrminorität von AfD und BSW“ geben könne
Linnemann hingegen will auch nach der Bundestagswahl zur Schuldenbremse stehen. Auch die kommenden Generationen müssten „irgendwie haushalten“, äußerte der CDU-Generalsekretär. Diesen dürfe man „die Spielräume nicht wegnehmen“. Frankreich, das in Höhe von 109 Prozent seines BIP verschuldet ist, sei ein abschreckendes Beispiel. Dort sorgten die Schulden von mehr als drei Billionen Euro für eine erhebliche Zinslast. In Deutschland betrage die Staatsschuldenquote 62,9 Prozent.
Nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich zuletzt für eine „moderate Reform“ der Schuldenregeln ausgesprochen. Auch CDU-Chef Merz erklärte eine solche für „möglich“ und auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder will sie nicht mehr ausschließen. Allerdings nennt er eine Reform des Länderfinanzausgleichs als Voraussetzung dafür.
Die sozialdemokratische Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger will das Thema noch vor der geplanten Bundestagswahl am 23. Februar auf den Tisch bringen. Dies sei „mit Blick auf mögliche künftige Sperrminoritäten von AfD und BSW“ erforderlich.
Linnemann für Amtszeitbegrenzungen – mehrere Kanzler der CDU dienten länger als acht Jahre
Der CDU-Generalsekretär sprach sich in der „Frühstart“-Sendung auch „unabhängig von Frau Merkel“ für eine Amtszeitbegrenzung bei Bundeskanzlern aus. Es sei „nicht Parteimeinung, aber ich bin der Meinung, dass wir die Kanzlerschaft auf zwei Perioden begrenzen müssen“. Dies könne dafür sorgen, dass „Parteien vital bleiben“.
Die beiden letzten CDU-Kanzler Helmut Kohl und Angela Merkel hatten jeweils über vier Amtsperioden gedient – wobei eine Amtsperiode Kohls durch die Wiedervereinigung verkürzt war. Auch der erste CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer blieb über mehr als drei Perioden im Amt. Die Memoiren Merkels werden, so erwartet Linnemann, der CDU weder nutzen noch schaden:
„Nein, ich glaube, dass das nicht nur legitim ist, sondern völlig in Ordnung. Es machen ja viele Politiker gerade nach so einer langen Zeit, dass man das noch mal aufschreibt.“
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