Keine „politischen Spielchen“ auf dem Rücken der Kommunen – SPD will Resolution beschließen

Kostenloser Kita-Platz, 49-Euro-Ticket, Unterbringung von Asylanten. Viele Kommunen können die immensen Ausgaben nicht mehr schultern. Dem will die SPD mit einer Resolution entgegenwirken.
Anke Rehlinger (SPD), die neue saarländische Ministerpräsidentin.
Anke Rehlinger (SPD), saarländische Ministerpräsidentin.Foto: Oliver Dietze/dpa
Von 10. August 2024

Aufgrund des drohenden Finanzkollapses der Landkreise fordert die SPD die Union auf, überschuldete Kommunen gemeinsam von ihren finanziellen Altlasten zu befreien. „Eine Altschuldenlösung ist dringend notwendig, damit die betroffenen Kommunen investieren können, statt nur den Mangel zu verwalten“, sagte Anke Rehlinger, SPD-Vizevorsitzende und saarländische Ministerpräsidentin, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgaben). „Jeder Euro, der nicht in den Schuldendienst fließt, kann in Kita oder Dorfplatz investiert werden.“

In einer Resolution, die der SPD-Parteivorstand am Montag beschließen will, fordern die Sozialdemokraten eine Entlastung finanziell stark belasteter Kommunen noch in dieser Legislaturperiode.

„Wir erwarten hier die Gesprächs- und Lösungsbereitschaft aller Bundesländer und aller demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag“, heißt es in dem Papier, über das die Funke-Zeitungen berichten. „Die Herausforderung ist zu groß, die Lage vieler Kommunen zu ernst, als dass man auf ihrem Rücken politische Spielchen betreiben dürfte.“

Bundesfinanzministerium signalisiert Hilfe

Das Bundesfinanzministerium hat einen Vorschlag zur einmaligen Entschuldung betroffener Kommunen vorgelegt, demnach ist der Bund bereit, sich an der Hilfe zu beteiligen „Diese Chance sollten wir jetzt solidarisch und parteiübergreifend nutzen, gerade mit Blick auf die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Grundgesetzänderung“, sagte der Parteivize und Chef der NRW-SPD Achim Post den Funke-Zeitungen. „Alles andere wäre ein historischer Fehler.“

„Kommunen sind die staatliche Ebene, die die Menschen in ihrem Alltag am unmittelbarsten erleben“, warnt die SPD in dem Resolutionsentwurf. Dort fielen Entscheidungen über Kindergärten, Schulen, Bibliotheken, Parks, Spielplätze, Straßen und die Müllabfuhr. Wenn ein kommunales Parlament aufgrund leerer Kassen aber nur noch darüber abstimmen könne, „nach welchem Altbundeskanzler der Bahnhofsvorplatz benannt wird, dann kommt auch unsere kommunale Demokratie unter die Räder“.

Voraussetzung für die Hilfe des Bundes ist eine Grundgesetzänderung. Dort ist die Schuldenbremse in verankert. Die Ampelkoalition ist für eine Gesetzänderung auf die Zustimmung der Union angewiesen, die sich aber bislang dagegenstellt.

Schulden in Millionenhöhe behindern Investition

Immer mehr Kommunen geraten wegen ihrer prekären finanziellen Situation in die Schlagzeilen, wie die Stadt Erlangen. Dort wird künftig bei Kinderbetreuung, Personalweiterbildung, Begrünung, Klimaschutz, dem Bürgeramt und der Kulturförderung gespart. Grund ist ein Defizit von 50 Millionen Euro aufgrund rückläufiger Gewerbesteuern.

Nach Angaben des Präsidenten des Bayerischen Landkreistags, Thomas Karmasin, zeichnet sich im laufenden Jahr „ein deutlich negativer Finanzierungssaldo und damit eine weitere Verschärfung der kommunalen Finanzlage ab“. Der Ursprung liege „überwiegend in der Bundesgesetzgebung“. Die Regierung habe nicht nur die hohen Flüchtlingskosten, sondern auch die „besorgniserregende“ Situation in den kommunalen Kliniken zu verantworten.

Während die Ausgaben der Kommunen weiter steigen, stagnieren nach seinen Angaben die Steuereinnahmen. Beispielsweise musste die Münchner Verwaltung 180 Millionen Euro in diesem Jahr einsparen, um einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen.

„Für das Haushaltsjahr 2024 hatten noch nie so viele Gemeinden Probleme, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen“, schildert Hans Peter Mayer, Direktor des Bayerischen Gemeindetags. Vor allem bei Investitionen würde der Rotstift angesetzt.

150 neue Posten ohne Zukunft

Auch in Offenbach bereitet die finanzielle Lage den Verantwortlichen Kopfzerbrechen. „Für 2025 haben wir über 150 neue Stellenanmeldungen vorliegen. Wir werden aber so gut wie keine neue Stelle schaffen können, außer bei gesetzlich zwingend vorgeschriebenen, etwa beim Rettungsdienst“, berichtet Kämmerer Martin Wilhelm (SPD). Pauschal sind 25 Prozent aller Mittel durch eine Haushaltssperre blockiert und können nur auf Antrag freigegeben werden.

Außerdem kritisiert Wilhelm, dass die Kommunen kaum Spielraum hätten – beispielsweise bei Ganztagsschulen. „Es kann nicht sein, dass wir mindestens 100 Millionen Euro an Investitionen tätigen müssen und einmalig fünf Millionen Förderung als Möhre hingehalten bekommen. Mit fünf Millionen Euro sind gerade für ein Jahr Zinsen und Tilgung abgedeckt – wir werden die Investition aber über 30 Jahre abzahlen müssen!“ Daher werde derzeit über den Städtetag Druck gemacht.

Resolution gegen Unterfinanzierung

Druck machten am 15. Mai 2024 auch 17 Bürgermeister über die sogenannte Rheingau-Taunus-Resolution. Darin wandten sie sich gegen die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen.

Egal ob 49-Euro-Ticket, Recht auf Ganztagsschule oder die Ausweitung des Wohngeldes, keines der gesetzlich im Bund oder durch die Länder festgesetzten Ziel habe eine auskömmliche Ausfinanzierung durch die oberste Staatsebene, heißt es in dem Papier.

Während früher bei der Kinderbetreuung jeweils ein Drittel von Eltern, Land und Kommunen sichergestellt wurde, müssen heute Städte und Gemeinden mehr als 75 Prozent der Kosten tragen, weil das Land Hessen den Eltern einen Sechs-Stunden-Platz kostenfrei stellt. Der bundesweit beschlossene Ganztagsanspruch im Schulbereich ab 2026 bedeutet für 17 Kommunen und den Rheingau-Taunus-Kreis Investitionskosten von rund 57,7 Millionen Euro. Der Investitionszuschuss des Bundes betrage aber nur 6,5 Millionen.

Mit anderen Worten: „Die kommunale Ebene hat keinen Einfluss auf die Ausgabenhöhe, muss aber Einnahmen generieren“, heißt es in der Resolution, die sowohl an die Hessische Landes- als auch die Bundesregierung übergeben wurde.

Die 17 Bürgermeister der Regionen setzen sich gemeinsam mit Landrat Sandro Zehner für eine Neuordnung der Verteilung der Steuergelder ein und schlagen höhere Anteile von Landkreisen und Kommunen an der Umsatzsteuer vor. Außerdem fordern sie die Aussetzung des Rechtsanspruchs auf eine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, bis die Finanzierung der Investitions- und dauerhaften Betriebskosten geklärt ist. Zukünftig solle der Bund bei neuen Standards die Kosten vollständig übernehmen.

(Mit Material der Agenturen)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion