Keine Entwarnung beim Hochwasser: Bundesregierung will vorerst an Schuldenbremse festhalten
Die Bundesregierung möchte vorerst trotz des Hochwassers in mehreren Regionen Deutschlands an der Schuldenbremse festhalten. Zwar zeichnen sich hohe Kosten bereits durch die bis dato entstandenen Schäden ab – und der Deutsche Wetterdienst (DWD) gibt nach wie vor keine Entwarnung für die betroffenen Regionen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hält den Zeitpunkt für eine entsprechende Debatte jedoch für verfrüht.
Regierungssprecher: Bilanz lässt sich erst nach Hochwasser ziehen
Gegenüber der ARD äußerte Hebestreit, erst sei eine Bilanzierung des entstandenen Schadens erforderlich. Abhängig von der weiteren Entwicklung behalte man sich diesen Schritt jedoch vor. Sollte ein „Schadensereignis von nationalem Ausmaß mit hohen Schadenssummen“ zu bewältigen sein, würde sich der Bund „auch nicht vor seiner Verantwortung drücken“.
Eine solche Bilanz lasse sich jedoch erst ziehen, wenn die „Akutphase“ des Hochwassers vorbei sei und Bund, Länder und Kommunen das genaue Schadensbild kannten. Wenn die Schadenssumme eine entsprechende Höhe erreiche – „was wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstellen“ – könne auch der Bund handeln.
Das Grundgesetz sieht die Möglichkeit einer Aussetzung der Schuldenbremse in eng definierten Ausnahmetatbeständen vor. Dazu gehören „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“.
„Wichtige Spielräume im ohnehin zu engen Haushalt“
Politiker von SPD und Grünen plädieren jetzt schon dafür, sich dieser Option zu bedienen. Gegenüber „t-online“ sagte der aus Hannover stammende Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetović, die Aussetzung der Schuldenbremse solle „spätestens jetzt als notwendig angesehen werden“. Um Katastrophen zu bewältigen und sich an Klimaveränderungen anzupassen, bräuchten auch Länder und Kommunen „mehr finanziellen Spielraum“.
Vonseiten der Grünen hält Fraktionsvize Andreas Audretsch die Aussetzung der Schuldenbremse 2024 „für eine Option“. Man werde „die Menschen in den Hochwassergebieten mit den Kosten nicht allein lassen“. Seine Fraktionskollegin Karoline Otte aus dem besonders betroffenen Niedersachsen plädierte ebenfalls für einen solchen Schritt. Dies würde „wichtige Spielräume im ohnehin zu eng geplanten Haushalt“ eröffnen.
Bislang hatte sich die Bundesregierung in ihrem Entwurf für einen Haushalt für 2024 eine massive Verschlechterung der militärischen Lage der Ukraine als Anlass für einen solchen Schritt vorbehalten. Diese könnte früher eintreten, als es den Haushalt überhaupt gibt. Das Hochwasser als akuter Anlass würde der Ampel eine Debatte darüber ersparen.
Kritik aus der SPD: „Hochwasser dieser Art bleibt Verantwortung der Bundesländer“
In der FDP regt sich dagegen den Vorstoß Widerspruch. Haushaltspolitiker Christoph Meyer weist nicht nur darauf hin, dass die tatsächlichen Belastungen noch nicht absehbar seien. Es sei zudem jeder „vorschnelle Ruf“ nach einem Aussetzen der Schuldenbremse „unseriös“.
Aber auch Meyers SPD-Kollegin Bettina Hagedorn sieht das derzeitige Hochwasser in einer Größenordnung, dass die Verantwortung für die Bewältigung bei den Bundesländern sieht. Erst eine „nationale Dimension wie im Ahrtal mit Schäden von 30 Milliarden Euro“ rechtfertige ein Eintreten des Bundes.
Außerdem habe der Bund bei einer Flut in ähnlicher Größenordnung im Oktober in Schleswig-Holstein eine nationale Zuständigkeit verneint. Deshalb dürfe man nicht „mit zweierlei Maß messen“. Zudem seien Hilfen aus dem Bundeshaushalt von einer – unwahrscheinlichen – Zustimmung aus dem Bundesfinanzministerium abhängig.
Unterdessen hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil Landeshilfen für die Hochwasseropfer in Aussicht gestellt. Allerdings forderte er auch die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden. Extremwetterereignisse würden, so die Begründung, in Zukunft „eher mehr werden“. Derzeit seien Elementarschadenversicherungen teuer – eine Pflichtversicherung würde dies relativieren.
Neues Tief mit Niederschlägen im Anmarsch – könnte allerdings auch Schnee werden
DWD-Meteorologin Julia Tuschy hat unterdessen am Mittwoch, den 3. Januar, in Offenbach vor „neuen Regenfällen in den bisher bereits gebeutelten Gebieten“ gewarnt. Zumindest bis Samstag sei noch kein Anlass zur Entwarnung zu erkennen. Nach einer kurzen Pause hatte am Dienstag erneut in weiten Teilen Deutschlands Regen eingesetzt.
In Niedersachsen erklärte der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, es bestehe die „Gefahr von größeren Überschwemmungen“. Dies treffe unter anderem auf das Flussgebiet der Hase und auf die Hunte bei Oldenburg zu. Einsatzkräfte versuchen, den Wassermassen mittels mobiler Deichanlagen zu Leibe zu rücken. Dennoch droht mehreren Hundert Menschen eine Evakuierung.
Sachsen-Anhalt hat Kräfte der Bundeswehr zur Sandrückbefüllung und Deichverteidigung im Landkreis Mansfeld-Südharz angefordert. Steigende Pegel werden auch aus Teilen Bayerns und Nordrhein-Westfalens gemeldet. Von Frankreich her bewege sich ein neues Tief mit Niederschlägen auf Deutschland zu. Allerdings könne dieser aufgrund eines Temperaturabfalls auch in Form von Schnee herunterkommen.
(Mit Material von AFP)
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