Keine Bilder aus dem All: Spionagesatelliten der Bundeswehr im Blindflug

Zwei Satelliten des Bundeswehr-Spionageprogramms sollten eigentlich Aufklärungsbilder an die Erde senden – aber eine Panne hindert sie seit Monaten daran.
Titelbild
Ein Satellit auf der Erdumlaufbahn (Symbolbild).Foto: aapsky/iStock
Von 30. Juni 2024

Ein weltraumgestütztes, rund 816 Millionen Euro teures Aufklärungssystem sorgt weiterhin für Probleme. Die vor rund sechs Monaten von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien per Trägerrakete ins All geschossenen Satelliten des Bundeswehr-Spionageprogramms SARah sind möglicherweise wegen eines technischen Defekts auch künftig nicht mehr einsetzbar.

Aber auch der Einsatz von Drohnen stellt die Bundeswehr vor Herausforderungen. Dabei hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius doch davon gesprochen, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen.

„Nach dem erfolgreichen Start der letzten beiden SARah-Satelliten im Dezember gibt es weiterhin Verzögerungen bei der Inbetriebnahme“, bestätigte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums laut „Bild am Sonntag“ (BamS).

Der Hersteller OHB, ein europäischer Raumfahrt- und Technologiekonzern mit Sitz in Bremen, arbeitet seit Monaten an einer Lösung – bisher ohne Erfolg. In den kommenden Wochen werde man zusammen mit der Firma einen Plan entwickeln, „falls die Funktionsfähigkeit der Satelliten nicht wieder hergestellt werden kann“, hieß es vom Ministerium weiter.

Die Spionagesatelliten hätten ab Ende Juni gestochen scharfe Aufklärungsbilder an die Erde senden müssen, die sogar Tarnung und andere Hindernisse durchdringen können. Aber das tun sie nicht. Ursache für die Panne könnte ein Defekt an den Antennen sein. Sie lassen sich nicht mehr ausfahren.

Union spricht von „Desaster“

Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der Union, kritisiert in der „BamS“: „Dass beide Satelliten denselben Defekt haben, ist bemerkenswert und scheint systematisch bedingt. Der Vorgang ist nicht nur finanziell ein Desaster, sondern auch für unsere Sicherheit.“

Bezahlen muss die Bundeswehr das System allerdings nur, wenn es wie mit dem Hersteller vertraglich vereinbart funktioniert. Die Aufklärungsfähigkeit der Bundeswehr ist laut Ministerium weiterhin uneingeschränkt – auch dank der noch einsetzbaren Vorgängersatelliten, die unter anderem bei der Evakuierung aus Kabul eine Rolle spielten. Aus Gründen der nationalen Sicherheit könne man keine Auskünfte zu weiteren Details geben, hieß es.

Radaraufnahmen für nächtliche Überwachung

Die Bundeswehr baut ihre militärische Überwachung aus dem All aus. Die zwei SARah-Satelliten waren Ende 2023 durch das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX ins Weltall gebracht worden. Sie beobachten die Erde nicht nur mit einer Kamera, sondern mit Radar, was Aufnahmen auch nachts ermöglicht.

Im Gegensatz zu Flugzeugen und Drohnen können Satelliten als Träger von optischen oder Radarsensoren jederzeit ohne Verletzung von Hoheitsrechten aufklären, heißt es von der Bundeswehr.

Daher würden sie sich besonders dafür eignen, Informationen „ohne eskalierende Wirkung“ zur Krisenfrüherkennung, Krisenvorsorge und zu wirksamem Krisenmanagement zu gewinnen. Radarsatelliten hätten zudem gegenüber optischen Satelliten den Vorteil, dass sie unabhängig von Tageszeit und Wetter aufklären können.

Klein, aber gefährlich: Drohnen als Schlüsseltechnologie

Drohnen spielen für die Bundeswehr eine Rolle als Schlüsseltechnologie. Laut Brigadegeneral Wolfgang Jordan wird die Entwicklung der Drohnentechnik den Einsatz der Streitkräfte in den nächsten zehn bis 15 Jahren grundlegend verändern. Das sei eine Herausforderung für die gesamte Bundeswehr. „Wir haben die Ernsthaftigkeit der Lage in diesem Hochtechnologiefeld erkannt“, so Jordan auf einer Tagung im Mai. Potenzielle Gegner dürften nicht gewinnen.

Gerade im Ukraine-Krieg seien fliegende Klein- und Kleinstdrohnen laut Bundeswehr zu einem bestimmenden Faktor geworden. Sowohl russische als auch ukrainische Streitkräfte setzen diese ein, um den Gegner und seine kritischen Infrastrukturen zu bedrohen und anzugreifen.

„Drohnen sind längst zum Sinnbild und zur Schlüsseltechnologie für den Krieg der Zukunft geworden“, erklärte General Carsten Breuer. Unbemannte Systeme würden sowohl für die Aufklärung als auch für den Angriff immer wichtiger, so der Generalinspekteur der Bundeswehr – und ihre Bedienung sei mittlerweile äußerst einfach.

Das bedeute gleichzeitig, dass man sich auf die Abwehr von Drohnenangriffen vorbereiten müsse: „Wir müssen uns auf ein extrem breites Bedrohungsspektrum einstellen“, so Breuer.

Den technologischen Fortschritt in diesem Bereich beschreibt die Bundeswehr als „rasend schnell“. Hier gelte es aufzuholen und in kürzester Zeit pragmatische und praktikable Lösungen zu finden, um der Drohnengefahr zu begegnen, sagte Breuer weiter. „Unverbindlichkeit können wir uns nicht mehr leisten – denn ab 2029 wäre Russland nach unseren Einschätzungen in der Lage, die NATO anzugreifen.“

Zunächst sollen kommerzielle Kleindrohnen gekauft und Soldaten daran ausgebildet werden. Mittelfristig sollen Konzepte zum Schutz der Liegenschaften der Bundeswehr erarbeitet und danach der Einstieg in die Nutzung und die Abwehr der „gefürchteten Kamikazedrohnen“ gefunden werden.

Einsatzbereite Kampfdrohne in Wartestellung

Im Mai gab es eine Premiere für die Bundeswehr. Die German Heron TP, eine mittelschwere Aufklärungs- und Überwachungsdrohne – fast sechs Tonnen schwer und 14 Meter lang –, wurde offiziell an die Luftwaffe übergeben und startete zum Jungfernflug auf dem Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein. Die Drohne wird von zwei Piloten vom Boden aus gesteuert. Das Besondere daran: Es ist die erste Drohne der Bundeswehr, die bewaffnet werden kann.

Sechs der Drohnen des israelischen Unternehmens Israel Aerospace Industries (IAI) hat die Luftwaffe geleast. Die Ausbildung der deutschen Drohnenpiloten erfolgt vor Ort in Israel. Die Drohne ist eines von bis zu sechs Systemen, welches die Bundeswehr beim israelischen Hersteller hat.

„Die German Heron TP kann je nach Konfiguration bis zu 27 Stunden in der Luft bleiben“, heißt es bei der Luftwaffe. „Durch einen parallelen Betrieb von zwei Aufklärungsdrohnen könnte ein Einsatzraum somit mehrere Tage dauerhaft überwacht werden.“

Der sogenannte Demonstrationsflug über Deutschland soll nun sechs Monate dauern und findet ohne Bewaffnung statt. Ein bewaffneter Einsatz ist derzeit nicht möglich. Denn das Verteidigungsministerium muss dem Bundestag zuvor die Einsatzregeln für die Kampfdrohne vorlegen, wie „Bild“ berichtete. Diese müssen sodann vom Verteidigungs- und Auswärtigen Ausschuss genehmigt werden.

Aktuell befindet sich der Entwurf laut Verteidigungsminister Boris Pistorius in „ministerieller Abstimmung“. Wann die Abgeordneten darüber abstimmen können, ist nicht absehbar.

(Mit Material der Agenturen)



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