Zurückweisung an Grenzen bleibt Streitthema – Einigkeit bei Vorratsdatenspeicherung
Die Innenminister von Bund und Ländern gehen nach ihren Beratungen zur Asyl- und Migrationspolitik ohne nennenswerte Ergebnisse auseinander.
„Die SPD- und die unionsgeführten Länder konnten sich in der Migrationsfrage nicht einigen – die Unterschiede sind einfach zu groß“, sagte Brandenburgs Innenminister und Vorsitzender der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), zum Abschluss der Herbstkonferenz im brandenburgischen Rheinsberg am Freitag, 6. Dezember.
SPD: Weiter mit Abschiebungen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, man habe in den vergangenen Monaten die irreguläre Migration bereits stark begrenzen können. Asylgesuche gingen zurück, mehr Abschiebungen seien durchgesetzt worden. Auch Straftäter seien erstmals wieder nach Afghanistan abgeschoben worden.
Die Bundesregierung arbeite daran, dass es weitere Abschiebungen von Straftätern und islamistischen „Gefährdern“ nach Afghanistan und auch nach Syrien gebe, führte die Ministerin aus.
Die Bemühungen zur Abschiebung nach Syrien würden durch die aktuelle Kriegslage in dem arabischen Land zwar erschwert, sie würden aber nicht auf Eis gelegt. Vielmehr werde geprüft, ob es Regionen in Syrien gebe, in die Abschiebungen möglich seien.
Union: Zurückweisungen sind „entscheidender Schritt“
Deutlich wurde Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „Es hilft nichts, Minimalkompromisse auf Innenministerkonferenzen zu beschließen und den Menschen im Land zu suggerieren, es wird schon alles werden“, sagte Herrmann.
Zurückweisungen an der Grenze als „entscheidender Schritt“ seien „mit der Bundesregierung offensichtlich nicht zu gehen“.
In der Migrationspolitik drängen die unionsgeführten Länder schon länger auf weitreichendere Maßnahmen gegen illegale Migration.
Sie fordern unter anderem Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, mehr Abschiebeflüge, eine Obergrenze bei der Flüchtlingsaufnahme sowie Asylverfahren in Drittstaaten, wie sie von Italien in Albanien angestrebt werden. Die Forderungen verstoßen in den Augen der SPD teilweise gegen geltendes Recht.
Union: Flüchtlingsaufnahme hat Belastungsgrenze überschritten
Das gesamte Flüchtlingsaufnahmesystem bei Ländern und Kommunen befinde sich an der Belastungsgrenze und habe diese teilweise bereits überschritten, hieß es in einem Beschlusspapier der Unionsseite.
In vielen Bereichen wie der Schaffung von Wohnraum, bei Kinderbetreuungsplätzen und der gesundheitlichen Versorgung seien die Grenzen der Leistungsfähigkeit erreicht.
In den ersten elf Monaten dieses Jahres haben 216.861 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Das sind 28,8 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
„Die Zahlen müssen dringend weiter reduziert werden, damit sich unsere Kommunen um die Integration derer kümmern können, die schon hier sind“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU). Das sei nur mit umfassenden Zurückweisungen an den Binnengrenzen möglich.
SPD: Rahmen für EU-Asylreform rasch umsetzen
Die SPD-geführten Länder und Faeser wollen die im Frühjahr beschlossene EU-Asylreform zügig in nationales Recht umsetzen. Das sei der „entscheidende nächste Schritt“, sagte Hamburgs SPD-Innensenator Andy Grote. Dafür hat die Bundesregierung zwei Gesetzesänderungen beschlossen.
„Das fertige Gesetzespaket liegt im Bundestag auf dem Tisch und muss schnellstmöglich verabschiedet werden“, betonte Grote. Statt „ständig neue rechtswidrige Forderungen zu erheben“, sei hier von der Union „konkretes Handeln gefragt“.
Mit der EU-Reform werden Mitgliedstaaten etwa zu einheitlichen Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet, damit rasch festgestellt werden kann, ob Asylanträge unbegründet sind und die Flüchtlinge dann schneller und direkt von der Außengrenze abgeschoben werden können.
Menschen aus als sicher geltenden Ländern sollen dort ihre Asylverfahren nach dem Grenzübertritt in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen durchlaufen.
Noch vor der EU-rechtlichen Umsetzungsfrist Mitte 2026 will Faeser die Regelung für diese Außengrenzverfahren an deutschen Flughäfen anwenden.
Für die Außengrenzverfahren, die Deutschland nur an Seehäfen und internationalen Flughäfen betreffen, ist wegen der notwendigen Unterbringungskapazitäten allerdings eine Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern notwendig.
SPD: Abschiebungen bei Kirchenasyl umsetzen
Nach zuletzt wiederholten Auseinandersetzungen um Abschiebungen aus dem Kirchenasyl streben die Innenminister der Bundesländer Gespräche mit den Kirchen an. Es müsse eine Verständigung mit den Kirchen geben, sagte Grote zum Abschluss der Innenministerkonferenz (IMK).
Im Jahr 2015 sei den Kirchen ein Privileg eingeräumt worden, dass in Härtefällen Flüchtlinge ein Kirchenasyl bekommen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dann diese Fälle prüfe. Zu dem Privileg der Kirchen gehöre aber auch, dass im Fall einer Ablehnung durch das Bamf die Abschiebung auch umgesetzt werden müsse. Dies werde von den Kirchen aber in den strittigen Fällen nicht umgesetzt. „Das ist ein Problem“, sagte Grote.
Dieses Verhalten der Kirchen habe auch dazu geführt, dass manche Bundesländer sagten, sie könnten dieses Verhalten nicht akzeptieren. Grote forderte deshalb insbesondere von den Religionsgemeinschaften eine Änderung. „Hier ist die Kirche auch ein Stück weit gefordert, sich wieder auf die getroffenen Verabredungen auch zu fokussieren“, sagte der Hamburger Innensenator.
Zuletzt war in Bremen die Abschiebung eines Somaliers aus dem Kirchenasyl durch den Widerstand von bis zu hundert Menschen verhindert worden. Der Mann sollte nach Finnland gebracht werden, wo er erstmals in der Europäischen Union registriert worden war.
Kompromiss bei der Vorratsdatenspeicherung
In dem seit Langem umstrittenen Thema „Vorratsdatenspeicherung“ konnten die Innenminister einen Kompromiss erzielen, der womöglich noch in der laufenden Legislaturperiode des Bundestags umgesetzt werden kann.
Wie Stübgen sagte, sind sich beim Zivilschutz die Bundesländer den Angaben zufolge einig. Herrmann erklärte, damit gehe von der IMK das klare Signal aus, dass die Bundesregierung das Thema zivile Verteidigung dringend strukturiert angehen müsse. „Wir werden hier nachfassen und in der Sache nicht nachlassen.“
Offen ist nun noch der Weg, über den dieser zweite Teil des Sicherheitspakets – ein erster Teil wurde bereits verabschiedet – in Kraft gesetzt werden kann. Grote sagte, es könne nun entweder der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen – oder es könne auch ein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht werden, der dann nicht mehr durch die Bundesländer zustimmungspflichtig sei. Dies habe die IMK in dem Beschluss offengelassen. „Wichtig ist, dass zwischen Union und SPD Einigung besteht, dass man diese Verhandlungen führen will“, sagte Grote.
Die Vorratsdatenspeicherung soll Strafermittlern bei der Verfolgung Krimineller helfen. Bei einem solchen Verfahren werden Telekommunikationsanbieter verpflichtet, sämtliche Verkehrsdaten für bestimmte Zeiträume aufzubewahren für den Fall, dass Ermittlungsbehörden sie brauchen – dies betrifft vorwiegend Telefonkontakte und Aktivitäten im Internet.
Faeser sagte, es sei eine rechtssichere Speicherpflicht für IP-Adressen nötig. „Denn die IP-Adresse ist oft der einzige Ermittlungsansatz, um Tätern auf die Spur zu kommen – das gilt insbesondere im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und der Terrorismusbekämpfung.“
(dpa/afp/red)
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