Kein Platz für Feuerwehrleiter: Mietern droht Nutzungsverbot wegen eines Pop-up-Radwegs
Im Berliner Bezirk Charlottenburg erhitzt der Streit um einen Radweg die Gemüter. Ein zu Anfang der Corona-Krise angelegter Radweg dort könnte den Anwohnern jetzt zum Verhängnis werden. Grund sind baurechtliche Bestimmungen, die einen Einsatz der Feuerwehr bei einem Notfall erschweren. Den Anwohnern oberhalb der zweiten Etage droht eine Nutzungsuntersagung zum 1. November.
Im Frühjahr 2020, zu Beginn der Corona-Zeit, wurde an der geschäftigen Kantstraße ein temporärer Radfahrstreifen zwischen Messedamm und Budapester Straße eingerichtet, der jedoch schon damals als dauerhafte Maßnahme vorgesehen war. Es handelt sich um einen sogenannten Pop-up-Radweg. Die Radspur befindet sich am rechten Fahrbahnrand, links daneben und getrennt durch eine Reihe parkender Fahrzeuge fließt der übliche Verkehr.
Das Vorhaben stieß auf Kritik bei der Feuerwehr, wie der Sender „Berlin Live“ berichtete. Der Radweg sei für Einsatzfahrzeuge zu schmal und der Abstand von der linken Fahrspur zu den Häusern zu groß. Im Fall eines Brandes könne kein Leiterwagen eingesetzt werden. Dabei ist eine Rettung per Leiter bei Gebäuden mit einer Höhe bis 22 Meter gesetzlich als zweiter Fluchtweg vorgeschrieben.
Der damals von den Grünen geführte Verkehrssenat hingegen argumentierte, die Feuerwehr habe bei Vor-Ort-Terminen bestätigt, dass eine Drehleiter mit gewissen Einschränkungen aufgestellt werden könne.
Gewissheit eineinhalb Jahre nach Anfrage
Im Juli 2021 stellte der FDP-Bezirksverordnete Johannes Heyne eine Anfrage beim Bezirksamt. Erst eineinhalb Jahre später, Anfang 2023, und nach Einschalten der Bezirksaufsicht lag die Antwort vor, wie die „Berliner Woche“ berichtete. Darin wurden die Befürchtungen der Feuerwehr bestätigt: Die aktuellen räumlichen Gegebenheiten machen den Einsatz einer Drehleiter unmöglich. Da die Fahrspur nur 3,50 Meter breit sei, könne die Stütze nur auf einer Seite voll ausgefahren werden. Laut der Berliner Feuerwehr sei eine 5,50 Meter breite Aufstellfläche erforderlich.
Es sei davon auszugehen, dass „eine überwiegende Zahl der Nutzungseinheiten oberhalb des dritten Obergeschosses betroffen ist, denen kein weiterer baulicher Rettungsweg zur Verfügung steht“, hieß es weiter. Logische Konsequenz wäre eine Nutzungsuntersagung der betroffenen Wohnungen, so Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne). Eine solche sollte jedoch „nicht die Lösung des Problems sein“.
Heynes Frage, ob das Bezirksamt die Anwohner darüber informiert habe, dass sie im Brandfall und bei Ausfall des Treppenhauses nicht über eine Feuerwehrleiter gerettet werden können, wurde vom Stadtrat verneint.
Aufgrund dieses Umstands forderte Heyne die sofortige Aufgabe des Pop-up-Radweges. Das Bezirksamt habe Hunderten Wohnungen den zweiten Rettungsweg genommen, so sein Vorwurf. Dies sei nicht nur „fahrlässig“, sondern gefährde die Anwohner.
Stadtrat kündigt Nutzungsverbot an
Heute, weitere eineinhalb Jahre später, erhitzt der Streit weiter die Gemüter. Seit Jahren gibt es Diskussionen zwischen Feuerwehr, Senat und Bezirk zu dieser Thematik.
Mitte September schrieb Charlottenburgs Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU) laut B.Z. an seinen Parteikollegen, den Verkehrsstaatssekretär Johannes Wieczorek.
„Über diese Problemlage haben seit dem Jahr 2020 nicht mehr zählbare Gespräche meiner Abteilung und Ihrem Hause stattgefunden, mit dem Ergebnis, dass der rechtswidrige Zustand unverändert andauert“, kritisierte er. Dieser Zustand könne nicht länger hingenommen werden. Es bestehe „eine ernsthafte Gefahr für Leib und Leben der Bewohner“.
Daher soll zum 1. November die bereits vor über 20 Monaten in Aussicht gestellte „sukzessive Nutzungsuntersagung für die betroffenen Wohneinheiten“ ausgesprochen werden. Mit anderen Worten: Die Mieter oberhalb der zweiten Etage werden darauf vorbereitet, dass sie ihre Wohnung verlassen müssen.
Heyne hingegen fordert eine andere Lösung. Es dürfe nicht sein, dass der Streit um den Radweg jetzt auf dem Rücken der Mieter ausgetragen werde. Denn: „Die Errichtung des Radweges war nicht mit dem Bezirk abgestimmt.“
Auch die Anwohner sind empört. „Man kann uns doch nicht aus den Wohnungen verweisen. Die Wohnraumsituation ist miserabel in der Hauptstadt“, sagte Uwe Brandt, der seit seiner Geburt in der Kantstraße lebt, gegenüber „Bild“. „Wenn diese Pläne nicht mal ein Eigentor der CDU sind!“
Ein anderer äußerte: „Pop-up-Radweg bedeutet doch, dass er auch wieder wegkann. Der ganze Radweg war irrsinnig.“
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