Kehrtwende des RKI: Impfung kein Fremdschutz vor COVID-19

Die COVID-Impfkampagne gilt als zentrales Instrument der Regierung, um Corona-Infektionen einzudämmen und das Gesundheitssystem zu entlasten. Während die Bundestagsabgeordneten sich mit Gesetzen für oder gegen die Impfpflicht auseinandersetzen, hat das staatliche Robert Koch-Institut (RKI) seine Aussage zur Bewertung der COVID-Impfung ohne große Bekanntmachung verändert.
Titelbild
Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), schaut besorgt in die Zukunft.Foto: Kay Nietfeld/dpa/dpa
Von und 8. März 2022

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Bislang basierte die COVID-Impfkampagne der Regierung und Bemühung für eine Impfpflicht auf Fremdschutz. Auf der vom Bundesgesundheitsministerium betriebenen Website „Zusammen gegen Corona“ heißt es (Stand 08.03.2022): „Durch eine Impfung schützen Sie auch Menschen, die selbst nicht geimpft werden können oder die wegen einer Grundkrankheit möglicherweise nicht so gut auf die Impfung ansprechen – und damit besonders gefährdet sind.“

Ähnliches ist in der RKI-Empfehlung, Stand 14. Januar 2022, zu lesen, die über das Web-Archiv auffindbar ist: „Die Impfung bietet grundsätzlich einen guten Schutz vor COVID-19, insbesondere gegen schwere Erkrankung und Hospitalisierung durch COVID-19“. Zwar lasse die Schutzwirkung nach wenigen Monaten nach und müsse durch Auffrischungsimpfung wiederhergestellt werden, trotzdem empfahl das RKI die Impfung, um so viele Übertragungen wie möglich zu vermeiden.

„Nur durch Erreichen eines sehr hohen Anteils der vollständig Geimpften in der Bevölkerung und einer möglichst kleinen Zahl an Neuinfizierten können sowohl Übertragungen als auch schwere Erkrankungen, Krankenhausaufnahmen und Todesfälle wirksam reduziert werden“, so das RKI weiter.

Nachlassende Impfwirkung, weiter Kontaktreduktion und AHA+L-Regeln

Seit dem 28. Februar hat das RKI seine Aussage zur Wirkung der COVID-Impfung relativiert. Von einem Schutz vor Übertragung, also von einer Vermeidung von Infektionen für andere, ist nicht mehr die Rede.

Seither heißt es nur noch: „Die Impfung bietet grundsätzlich einen guten Schutz vor schweren Erkrankungen und Hospitalisierung durch COVID-19, dies gilt auch für die Omikronvariante.“ Nach wie vor lasse die Schutzwirkung gegenüber einer Infektion nach wenigen Monaten nach, sodass „angesichts der hohen Zahl von Neuinfektionen die konsequente Einhaltung der AHA+L-Regeln und eine Kontaktreduktion weiter zur Reduktion des Infektionsriskos erforderlich“ seien.

Zudem beantworte das Robert Koch-Institut auf seiner Website die Frage „Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiterhin übertragen?“ wie folgt:

„In welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden.“

Grafik zeigt erhöhte Corona-Zahlen bei Geimpften

Eine Grafik, die im wöchentlichen RKI-Lagebericht zu COVID-19 vom 3. März 2022 enthalten ist, zeigt, dass sich vor allem seit der Omikronwelle ab Dezember die Anzahl der symptomatischen Fälle unter den Geimpften/Geboosterten stark erhöht hat: Während die Fallzahlen Ungeimpfter im Januar nahezu konstant blieben, erreichten die Fallzahlen unter Geimpften und Geboosterten neue Spitzenwerte und überboten zeitweise die Fallzahlen der Ungeimpften. Selbst die Spitzenwerte Ungeimpfter Anfang Februar erreichten nicht im Ansatz die Anzahl zuvor gemeldeter Corona-Infektionen.

Entwicklung symptomatischer Corona-Fälle nach Impfstatus. Foto: Bildschirmfoto RKI-Wochenbericht zu COVID-19 vom 3. März 2022.

Impfpflicht verfassungswidrig

Die Neubewertung des RKI zieht auch eine Neubetrachtung der bereits beschlossenen einrichtungsbezogenen Impfpflicht nach sich. Das Bundesverfassungsgericht hatte einen eingereichten Eilantrag gegen die Impfpflicht im Pflegebereich am 10. Februar 2022 zurückgewiesen. Dabei stützte sich das Gericht auf die Begründung, dass davon auszugehen sei, dass COVID-Impfungen Schutz vor einer Infektion bewirken. Gleichzeitig räumte das Gericht ein, dass nach einer Impfung im Einzelfall auch schwerwiegende Impfnebenwirkungen eintreten können, die im extremen Ausnahmefall auch tödlich sein können.

Ob der Wegfall des Fremdschutzes durch eine Impfung nun die einrichtungsbezogene Impfpflicht sowie die angestrebte allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren zu Fall bringt, bleibt abzuwarten. Claus Schaffer, AfD-Landtagsabgeordneter und Kriminalhauptkommissar der Landespolizei Schleswig-Holstein, spricht mit der Neueinstufung der Impfwirkungen von einer Kehrtwende des RKI.

Auf dieser Grundlage seien sämtliche Regeln, die zwischen Ungeimpften und Geimpften unterscheiden, als medizinisch nicht mehr begründbar, wozu auch die Einschränkungen Ungeimpfter am sozialen Leben zählt.

„Beides hat unmittelbar Einfluss auf die Debatte zur Impfpflicht, denn ohne Fremdschutzwirkung einer Impfung fällt das wichtigste Argument der Impfpflicht-Befürworter. Eine Impfpflicht ist insofern verfassungswidrig.“

Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring stellte klar: „Ist der Fremdschutz durch Impfung von der zuständigen Behörde und damit dem Bundesgesundheitsministerium auf wenige Wochen nach Impfung heruntergestuft, ist kaum zu sehen, wie das Gericht eine allgemeine Impfpflicht für verfassungsgemäß erklären könnte.“



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