Kehrtwende bei Schutzraumkonzept – auch private Kellerräume sollen „ertüchtigt“ werden
Deutschland soll wieder mehr intakte Schutzräume für seine Bevölkerung bekommen. Begründet wird dies mit der sich verschärfenden internationalen Bedrohungslage. Daher wollen das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und die Innenministerien wieder mehr Bunkerräume in Deutschland einrichten.
Derzeit werde beabsichtigt, Eckpunkte für ein Schutzraumkonzept auszuarbeiten, teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI) der Epoch Times mit.
Dabei geht es um eine möglichst systematische Erfassung von öffentlichen Gebäuden und privaten Immobilien, die als öffentliche Zufluchtsorte genutzt werden können. Das können etwa Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und auch Kellerräume sein.
Auch geht es dabei um den Aufbau eines digitalen Verzeichnisses, das es den Bürgern ermöglicht, über Warn- und Kartendienste, die für sie nächstgelegenen Schutzorte über das Handy zu ermitteln.
Gleichzeitig sollen Möglichkeiten zur flächendeckenden Schaffung von Räumen ausgearbeitet werden, in denen sich Bürger selbst schützen können. Dazu gehören Handlungsempfehlungen, wie Keller und andere Räumlichkeiten baulich ertüchtigt werden können.
Und schließlich soll eine umfassende Informationskampagne, die die Bürger über die Bedeutung von Schutzräumen und die Möglichkeiten des Selbstschutzes informiert, erarbeitet werden.
Deutschlandweit nur noch 579 Bunkerräume
Startpunkt für die jetzige Entwicklung war die 221. Bund-Länder-Sitzung der Innenministerkonferenz im Juni. Dort einigten sich die Minister auf wesentliche Grundelemente eines nationalen Schutzraumkonzepts.
Zur konkreten Ausgestaltung des neuen Konzeptes berate nun eine gemeinsame Arbeitsgruppe, an der alle Bundesländer und der Bund beteiligt sind. Grundlage sei das von der Bundesregierung im Jahr 2023 entwickelte „Gesamtszenario zur Umsetzung der Konzeption Zivile Verteidigung“, teilte das BMI der Epoch Times mit.
Derzeit stehen dem Ministeriumssprecher zufolge in den alten Bundesländern von ursprünglich 2.000 nur noch 579 öffentliche Bunkerräume zur Verfügung. Darin könnten nach jetzigem Stand nur rund 480.000 Menschen Zuflucht finden, heißt es weiter.
Dabei steht Baden-Württemberg mit 176.044 Schutzplätzen in 220 Schutzräumen und Bayern mit 102.816 Schutzplätzen in 156 Schutzräumen mit großem Abstand an der Spitze, wie eine AfD-Anfrage an das BMI im Jahr 2022 ergab. Es folgen Nordrhein-Westfalen mit 67.323 Schutzplätzen in 50 Schutzräumen und Saarland mit 34.169 Schutzplätzen in 42 Schutzräumen.
Das Schlusslicht der alten Bundesländer bildet Bremen mit 489 Schutzplätzen in zwei Schutzräumen. Laut dem Innenministerium stehen für die Hauptstadt mit ihren rund 3,8 Millionen Einwohnern gerade einmal vier Schutzräume für 4.080 Personen zur Verfügung.
In den ostdeutschen Ländern stehen bisher keine öffentlichen Schutzräume zur Verfügung. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die im Ostteil Deutschlands bestehenden Schutzräume nach der Wiedervereinigung nicht in das Schutzraumkonzept übernommen worden seien, erklärt das BMI gegenüber Epoch Times.
In den alten Bundesländern sind die öffentlichen Schutzräume größtenteils in privater Hand. Der andere Teil ist im Eigentum von Städten und Gemeinden, heißt es.
Bis 2007: Platz für 2 Millionen Bundesbürger
Die anfänglichen 2.000 Schutzräume boten rund 2 Millionen Bundesbürgern Schutz und verursachten jährlich rund 2 Millionen Euro Instandhaltungskosten, laut der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die Bundeswehr nutzt mehrere Bunkeranlagen in den neuen Bundesländern, die teils in DDR-Zeiten errichtet wurden oder bereits aus Zeiten des Zweiten Weltkriegs stammen.
Eine bereits Ende Mai 2023 abgeschlossene Bestandsaufnahme kam zu dem Ergebnis, dass die noch vorhandenen öffentlichen Schutzräume nur „sehr begrenzt nutzbar“ sind, berichtet das BBK.
Kernaussage dieses Berichtes von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ist, dass eine Reaktivierung der wenigen und im Bundesgebiet sehr ungleich verteilten, noch öffentlich gewidmeten Schutzräume grundsätzlich möglich ist.
Zeit- und Kostenaufwand der Reaktivierung würden allerdings von dem Schutzniveau, das die Schutzräume bieten sollen, abhängen. Die BImA ist zuständig für die Bewirtschaftung und Abwicklung der öffentlichen Schutzräume.
Welche Schutzklasse die Schutzräume für die Bevölkerung zukünftig erfüllen soll, dazu äußerte sich das BMI auf Anfrage der Epoch Times nicht. Auch wurden keine Angaben zu den möglichen Kosten gemacht.
Zudem wollte das Ministerium keine Auskunft dazu geben, ob die Landes- und Bundesministerien eigene Schutzräume besitzen oder noch erhalten sollen: „Zudem können wir uns grundsätzlich nicht zu spezifischen Schutzklassen oder Standorten von Schutzräumen von Bundes- oder Landesbehörden sowie die der Kommunen äußern“, so ein Sprecher des BMI.
Kehrtwende im Schutzraumkonzept
Mit den jetzigen Bestrebungen vollzieht die Bundesregierung eine Kehrtwende. Nach der Wiedervereinigung begann in Deutschland in den 90er-Jahren ein Rückbau und die Veräußerung von Schutzräumen. Dies wurde mit dem Ende des Kalten Krieges und einer dadurch geänderten Sicherheitslage begründet.
Zudem gingen Experten von einer mittlerweile nur noch geringen Vorwarnzeit bei einem Luftangriff aus, die das Aufsuchen von Schutzräumen erschwert. Sie kamen zu dem Schluss, dass Schutzräume der Bevölkerung keine ausreichende Sicherheit bieten können, berichtet das BBK.
Daher beschloss der Bund im Einvernehmen mit den Ländern im Jahr 2007, das bisherige Schutzraumkonzept aufzugeben und die Schutzräume aus der Zivilschutzbindung herauszunehmen und an Privatpersonen oder Städte und Gemeinden zu veräußern.
Aufgrund der aktuellen Bedrohungslage im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg fand eine Neubewertung statt. Der landesweite Einmarsch russischer Truppe in die Ukraine begann am 22. Februar 2022. Daher wurde die 2007 begonnene Rückabwicklung öffentlicher Schutzräume mit Erlass vom 17. März 2022 durch das BMI gestoppt.
Israel und Schweiz Bunkerspitzenreiter
Weltweiter Spitzenreiter bei Schutzräumen und Bunkeranlagen für die Bevölkerung ist neben Israel die Schweiz. Sie hat rund 365.000 Bunker mit 9 Millionen Plätzen registriert. Damit hätten mehr als hundert Prozent der 8,6 Millionen Einwohner in der Schweiz einen Schutzraumplatz.
In Deutschland sind es aktuell 0,58 Prozent der Bevölkerung, die Schutz finden könnten.
Im Alpenstaat ist gesetzlich vorgeschrieben, dass bei Neubauten Zivilschutzräume eingerichtet werden müssen. Sollte der Bauherr dieser Vorschrift nicht nachkommen, hat er eine Ersatzabgabe zu entrichten, die vorrangig der Finanzierung öffentlicher Schutzräume der Gemeinden zugutekommen muss.
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