Winnetou-Debatte hat „absurde Züge angenommen“ – den Verkauf jedoch „stark angekurbelt“
Der Karl-May-Verlag hat nach eigenen Angaben von der Winnetou-Debatte profitiert. „Eine Umfrage hat gezeigt, dass mindestens 70 Prozent der Deutschen hinter Karl May und Winnetou stehen. So hat sich das Ganze auch zu einer positiven Marketingaktion entwickelt und den Verkauf der Winnetou-Bücher stark angekurbelt“, teilte der Verlag auf dpa-Anfrage mit. Genaue Verkaufszahlen gab er zunächst nicht an.
Im Sommer tobte eine zum Teil heftige Debatte über kulturelle Aneignung und Rassismus rund um Winnetou. Sie entstand, nachdem ein Verlag zwei Begleitbücher zu einem neuen Winnetou-Film für Kinder zurückgezogen hatte. Manche witterten daraufhin übertriebene Kritik an überlieferten Stoffen.
Die ARD hatte angekündigt, keine Winnetou-Filme von Karl May mehr zu zeigen. Winnetou-Filme gehörten jahrzehntelang zum regelmäßigen Programm im deutschen Fernsehen. Allerdings schien das unabhängig von der Rassismus-Debatte, denn die Rechte liefen bereits 2020 aus. Das ZDF wird sie jedoch weiter ausstrahlen.
Drei, vier, fünf Denunziationen genügen
Der ganze Wirbel um Winnetou sei eine Realsatire, sagte Henryk M. Broder in einem „Welt“-Interview: „Wenn sich das einer von uns vor fünf Jahren ausgedacht hätte, hätte man ihn zur ärztlichen Behandlung geschickt.“
Broder, der gleichzeitig auch Kolumnist der Zeitung ist, bezeichnete die Vorgänge als „Tyrannei der Political Correctness“. Das Ganze habe aber bereits vor langer Zeit begonnen, sagte Broder. So habe sich „irgendeine Organisation“ vor 20 Jahren darüber beschwert, dass in einem Buch des Philosophen Walter Benjamin (1892 bis 1940) das Wort „Zigeuner“ vorkomme. Es sei „der schlichte Wahnsinn“.
Mit dieser Betrachtungsweise könne man eigentlich alle Büchereien räumen, fast alle Kinofilme verbieten. Die Argumentation des Ravensburger Verlages, dass man „mit heutigem Wissen die Titel gar nicht mehr veröffentlichen würde“, nennt Broder „eine ganz dumme Ausrede, die einfach nur zeigt, dass die nicht wissen, worüber sie reden“.
Der eigentliche Skandal sei, „dass drei, vier, fünf Denunziationen genügen, um so einen Prozess in Gang zu bringen“. Die Angst vor einem inkorrekten Verhalten, „vor einem Verhalten, das nicht woke ist, hat offensichtlich die Gesellschaft erfasst“.
Absurde Züge
„Die Winnetou-Debatte hat absurde Züge angenommen, die sich kaum noch nachvollziehen lassen“, sagte auch der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Gernot Vollmer und stellvertretender Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft auf Anfrage von Epoch Times zur Debatte. Generell seien „erschreckende Tendenzen“ zu erkennen, Kunst unter der Devise einer „Political Correctness“ zu zensieren. Kunst hat Vollmers Ansicht nach jedoch die Aufgabe, Kontroversen, kritische Diskussionen auszulösen, anzuregen und aufzugreifen.
„Dazu zählen auch Rassismus-Debatten und Auseinandersetzungen mit jeder Art von Diskriminierung. Eine Tabuisierung oder Verbannung von problematischen Texten oder Büchern löst meiner Meinung nach nicht die Problematik, sondern fördert sie noch, und zwar – wie das Beispiel der Winnetou-Debatte leider zeigt – auf eine eskalierende Weise.“
Das Besondere sei, dass in seiner Darstellung des „Wilden Westens“ von Anfang an die Sympathie des Erzählers der leidenden indigenen Bevölkerung gelte. Ihre Würde und ihre menschlichen Qualitäten verkörperten sich in Idealfiguren wie Winnetou, dem Häuptling der Apachen. Die „tragische Vernichtung“ ihrer materiellen und kulturellen Existenz sei Grundlage aller seiner Nordamerika-Erzählungen.
„Hierdurch habe der Autor bei seiner größtenteils jugendlichen Leserschaft zweifellos über mehrere Generationen hinweg als Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit gewirkt.“
Karl-May-Verlag froh über die Diskussion
Rückblickend ist der Karl-May-Verlag froh über die Diskussion, wie er weiter mitteilte. „Denn unterschwellig hat sich schon länger bei manchen ein negatives Bild von Karl May entwickelt und man hat ihm zum Beispiel die Missachtung des Genozids an den Indianern in seinem Werk vorgeworfen.“ Dabei würde bereits ein Blick ins Vorwort von „Winnetou I“ genügen, um zu erkennen, dass das absolut nicht stimme.
Künftig würde sich der Verlag freuen, wenn sich Menschen erst einmal mit Karl May und seinem Werk beschäftigten, bevor sie sich in den sozialen Medien dazu äußerten, was vielfach geschehen sei, hieß es. (dpa/nh)
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