Kanzleramt sieht keine unmittelbare Kriegsgefahr für Nato-Länder
Das Bundeskanzleramt erwartet als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine unter anderem steigende Flüchtlingszahlen auch in Deutschland, höhere Gaspreise, aber keine unmittelbare Kriegsgefahr für die NATO-Länder. Das geht aus einem internen Bericht Stand Montag hervor, über den die „Welt“ (Donnerstagausgabe) berichtet. „Derzeit gibt es keine Hinweise auf einen Angriff Putins auf das Nato-Bündnisgebiet“, fassen die Experten ihre Lage-Einschätzung zusammen.
Gemäß des Bündnisvertrags würde ein Angriff auf ein Nato-Land als Angriff auf die gesamte Nato gesehen. „Deutschland steht zur Beistandspflicht der Nato“, heißt es. Nach den Erwartungen im Kanzleramt werden die meisten Menschen nach Polen fliehen, ein kleinerer Teil nach Ungarn, in die Slowakei, Rumänien oder in die Republik Moldau.
„Viele werden auch nach Deutschland fliehen. Die Zahlen steigen täglich“, so die Lagebeurteilung. Als Reaktion Russlands auf die verhängten Sanktionen werden Preissteigerungen bei Gas erwartet. Bislang seien die Preise infolge der höheren Weltmarktpreise durch die Pandemie gestiegen. „Der derzeitige Konflikt könnte dies noch weiterantreiben“, lautet die Prognose.
In dem Bericht wird eingeräumt: „Im Gasbereich existiert derzeit noch keine strategische Reserve, denn die Gasmärkte sind liberalisiert.“ Zu den Alternativen für russisches Gas heißt es: „Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke kann nicht die Antwort auf eine Energiekrise sein.“ Man halte am Atomausstieg fest. Anders sieht es bei der Kohle aus. Dort sei der Ausstieg 2030 ein Ziel, das von der Versorgungssicherheit abhänge. „Das gilt weiter“, so die Kanzleramts-Experten.
Generalinspekteur: Haben aktuell nicht mit Atomschlägen zu rechnen
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, hat Befürchtungen einer atomaren Konfrontation zwischen Russland und dem Westen gedämpft. „Wir nehmen ernst, was Putin sagt. Aber wir sehen nicht, dass wir aktuell mit Atomschlägen zu rechnen haben“, sagte der ranghöchste deutsche Soldat den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben).
Putin habe die Lage offensichtlich völlig falsch eingeschätzt, so Zorn. „Die schnelle und geschlossene Reaktion der freien Welt und der heldenhafte Widerstand des ukrainischen Volkes werfen all seine Pläne über den Haufen.“ Um dem etwas entgegenzuhalten, eskaliere Putin auch im atomaren Bereich. „Ich halte das allerdings für eine machtpolitische, rhetorische Eskalation.“
Zwar werfe die Kriegführung in der Ukraine die Frage auf, „ob das alles rational ist“, fügte der Generalinspekteur hinzu. „Ich sehe im Moment aber keine akute Bedrohung, die sich in Richtung der Nato oder des Westens bewegt. Selbst wenn Putin irrational handelt, wird ihm allein in Anbetracht der aktuellen Aufstellung der Alliierten klar sein, dass das den Nato-Bündnisfall nach Artikel 5 auslösen würde.“
Er glaube nicht, dass Putin „das Risiko der Vernichtung Russlands“ eingehen würde. Zugleich räumte Zorn ein, die Entwicklung in der Ukraine falsch eingeschätzt zu haben. „Wir haben die russischen Übungen und den massiven Truppenaufmarsch genau beobachtet – und alle möglichen Handlungsoptionen durchgespielt. Eine Annexion der Oblaste Donbass und Luhnask erschien uns als Putins wahrscheinlichstes strategisches Ziel“, sagte er. „Den Zangenangriff, den wir jetzt sehen, haben wir als schwierigste und schlechteste Lösung für alle Seiten betrachtet. Was Putin jetzt macht, bringt den größten Kollateralschaden für die Menschen in der Ukraine – und er schadet sich politisch selbst am meisten.“
Der Generalinspekteur rechnet nicht mit einem schnellen Sieg der russischen Armee in der Ukraine. „Ich finde es beachtlich, wie lange die ukrainischen Streitkräfte und die Bevölkerung den Angriffen schon standhalten“, sagte er. „Wir sehen jetzt, dass Putin seine Folgekräfte in den Krieg führt. Damit wird der vermehrte Einsatz von Luftstreitkräften und Artillerie einhergehen – auch gegen zivile Ziele.“ Die Moral der ukrainischen Bevölkerung sei enorm, das stütze die Armee. „Ob diese moralische Unterstützung auf der russischen Seite so vorhanden ist, wage ich zu bezweifeln.“
Auf die Frage, ob Putin auf die völlige Zerstörung von Städten wie etwa in Syrien ziele, entgegnete Zorn: „Kiew ist dafür zu groß. Putin wird eher versuchen, die ukrainische Hauptstadt von der Versorgung abzuschneiden. Bei kleineren Städten könnte die völlige Zerstörung zu seinem Portfolio gehören – so schlimm das klingt.“ (dts/afp/red)
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