Kabinett entscheidet sich für neuen Wehrdienst – wer ist betroffen, was ist geplant?
Bis 2011 mussten Jahr für Jahr zehntausende junge Männer „zum Bund“. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Wehrpflicht ausgesetzt. Angesichts geopolitischer Veränderungen und Rekrutierungsproblemen bei der Bundeswehr trieb Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Pläne für einen neuen Wehrdienst voran.
Das Kabinett stimmte dazu den von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgelegten Gesetzesänderungen zu. „Das Gesetz zum Neuen Wehrdienst ermöglicht uns, die Wehrerfassung wieder zu installieren, die es seit Aussetzung der Verpflichtung zum Grundwehrdienst 2011 nicht mehr gibt. Wenn es morgen zum Verteidigungsfall käme, wüssten wir nicht, wen wir einziehen könnten, weil es keine vollständige Datengrundlage gibt“, sagt der SPD-Politiker.
„Mit der Aussetzung des Wehrdienstes sind Wehrerfassung und Wehrüberwachung zerschlagen worden, obwohl der Staat gesetzlich dazu verpflichtet ist“, sagte Pistorius. Worum es geht:
Muss bald jeder wieder zur Truppe?
Nein – das Modell von Pistorius setzt auf Freiwilligkeit. Verpflichtend wird aber die Erfassung der junger Männer. Sie müssen zum Erreichen des wehrfähigen Alters – also in der Regel zum 18. Geburtstag – einen Fragebogen beantworten. Er soll Fragen zur Bereitschaft, Dienst an der Waffe zu tun, umfassen sowie zur Einschätzung der eigenen Fitness und zu Qualifikationen.
Auch Frauen in dem Alter bekommen den Fragebogen zugeschickt. Ihnen steht es aber frei, zu antworten oder nicht. Der Zeitaufwand für die online erfolgende Beantwortung des Fragebogens wird im Gesetzentwurf mit 15 Minuten angegeben.
Vorgesehen ist im Gesetzentwurf, dass nur diejenigen zur Abgabe einer Bereitschaftserklärung aufgefordert werden, die nach dem 31. Dezember 2006 geboren wurden.
Was passiert, wenn Männer den Fragebogen nicht ausfüllen?
Dann droht ihnen ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit. Wie hoch dieses sein soll, steht noch nicht fest.
Wann soll es losgehen?
Läuft in Bundestag und Bundesrat bei der Verabschiedung des Gesetzes alles nach Plan, könnte der neue Wehrdienst bereits im Frühjahr kommenden Jahres starten.
Welchen Folgen hat das für die Wirtschaft?
Eine Wehrpflicht im Rahmen eines sozialen Pflichtjahres würde den ifo-Forschern zufolge jährlich wirtschaftliche Kosten verursachen, die in etwa so groß sind, wie die Mittel aus dem Verteidigungshaushalt und dem Sondervermögen Bundeswehr im Jahr 2024 zusammen.
Warum werden keine Frauen verpflichtet?
Das Grundgesetz beschränkt die Verpflichtung zum Dienst in den Streitkräften in Artikel 12a ausdrücklich auf Männer. Eine solche Ungleichbehandlung erscheint vielen heute nicht mehr zeitgemäß.
Für eine Angleichung müsste das Grundgesetz geändert werden – ein aufwändiger Prozess. Pistorius wollte dieses heiße Eisen in dieser Legislaturperiode nicht mehr anpacken.
Wie geht es nach der Erfassung weiter?
Nächster Schritt nach der Erfassung ist die Musterung. Bereits vor der Musterung trifft die Bundeswehr eine Auswahl: Sie prüft die zurückgesandten Fragebögen und lädt nur jene Absender, die besonders geeignet und motiviert für einen Wehrdienst erscheinen, zur Musterung ein.
Die Auswahl soll laut Verteidigungsministerium nach Qualitätskriterien erfolgen. Die Betroffenen sollen, wenn sie wollen, sechs Monate „Basisausbildung“ bei den Streitkräften machen. Sie können dann freiwillig auf bis zu 23 Monate verlängern.
Wie viel Sold bekommen Wehrdienstleistende?
Die bisher schon freiwillig Wehrdienstleistenden erhalten laut Bundeswehr gut 1.800 Euro brutto, wenn sie ledig sind. Wer schon Kinder hat oder es bis zum Ober- oder Hauptgefreiten geschafft hat, bekommt ein paar hundert Euro mehr.
Warum braucht die Bundeswehr mehr Personal?
Die Stärke der Truppe liegt seit Jahren unter dem Soll von 203.300 Soldaten in Friedenszeiten. Derzeit sind es rund 181.000. Das Verteidigungsministerium verweist darauf, dass zur Bündnisverteidigung innerhalb der Nato zwischen 370.000 und 460.000 Soldaten notwendig wären.
Durch mehr als ein Jahrzehnt ohne Wehrdienst fehlen aber nun nicht nur ausreichend Reservisten, sondern auch verlässliche Personaldaten, um diese Zahl im Fall der Fälle schnell zu erreichen. Dies soll der neue Wehrdienst ändern.
Auf wie viele zusätzliche Bewerber hofft Pistorius?
Ziel sind laut Gesetzentwurf zunächst 5.000 zusätzliche Rekruten pro Jahr – dies entspricht den aktuell bereits vorhandenen zusätzlichen Ausbildungskapazitäten bei der Bundeswehr. Die Vorlage sieht aber die „Option“ vor, die Zahl schrittweise zu erhöhen. Bisher leisten pro Jahr rund 10.000 junge Menschen freiwillig Wehrdienst. (afp/red)
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