Jürgen Fritz über Thilo Sarrazin: „Einer der besten Analytiker der politischen Situation im Lande“

Was ist los mit unserer Gesellschaft? Ist diese noch zu retten oder wird sie die Massenmigration und die Multikulturalismus-Ideologie zu Grunde richten? Hierüber sprach Roland Tichy mit Thilo Sarrazin. Gastautor Jürgen Fritz hält Sarrazin für einen der besten Analytiker der politischen Situation im Lande.
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Thilo Sarrazin.Foto: Carsten Koall / Getty Images
Von 31. Dezember 2018

Nur noch 20,5 Prozent bei der letzten Bundestagswahl, in sämtlichen bundesweiten Umfragen inzwischen sogar bei 14 bis 15 Prozent, bei der Landtagswahl in Hessen von über 30 auf 19,8 Prozent gefallen, in Bayern sogar auf 9,7. Was ist los mit der SPD? Vor allem aber: Was ist los mit unserer Gesellschaft? Ist diese noch zu retten oder wird sie die Massenmigration und die Multikulturalismus-Ideologie zu Grunde richten? Hierüber sprach Roland Tichy mit Thilo Sarrazin, meines Erachtens einer der besten Analytiker der politischen Situation im Lande.

Die SPD ist nicht abgehoben, sie macht Politik für sich selbst und nicht mehr für das Volk

Der Niedergang der SPD habe weniger damit zu tun, dass die Partei die Bodenhaftung verloren hätte, wie manche meinen, so Sarrazin im Interview, sondern eher damit, dass ihr die Kunden immer mehr verloren gehen. Doch womit hängt dies zusammen? Man müsse immer unterscheiden: 1. Was will ich? Was sind meine Ziele, die mir wichtig sind? Und: 2. Wen möchte ich bedienen? Wen möchte ich zufriedenstellen? Das, so konstatiert das Noch-SPD-Mitglied, den die Genossen so schrecklich gerne aus ihrer Partei ausschließen würden, völlig richtig, sind zwei verschiedene Dinge. Inzwischen hätten in seiner Partei diejenigen das Sagen, die ihr persönliches Weltbild durchsetzen wollten und dabei in Kauf nehmen, dass sie damit immer weniger Wähler überzeugen und binden kann.

Während die Landesvorsitzende der Bayern-SPD, Natascha Kohnen, einen Wahlkampf führte, die Migration sei völlig unproblematisch, behauptete Seehofer (CSU) das genaue Gegenteil, Migration sei die Mutter aller Probleme, wer von beiden Recht habe, fragt Roland Tichy. Dies sei aus der Sicht von Sarrazin eindeutig, dass Seehofer hier richtig liege und nicht seine Parteigenossin. Und dann arbeitet Sarrazin etwas sehr Wesentliches heraus, was diejenigen, die ständig von „Gesinnungsethik“ fabulieren (ein Laienbegriff, genauer: ein Begriff von moralphilosophischen Laien, der die wahren Zusammenhänge völlig verschleiert, statt sie zu erhellen). Dies hänge damit zusammen, dass Kohnen eben ein anderes Weltbild habe. In diesem Weltbild seien offene Grenzen aus moralischen Gründen sehr wichtig, auch wenn Deutschland sich dadurch verändere.

Unterschiedliche Zielsetzung auf Grund unterschiedlicher Einschätzung des angestrebten Zustandes

Und hier müsste man im Grunde noch einen Schritt weitergehen, als Sarrazin es hier getan hat: Diese Veränderung wird nicht nur in Kauf genommen, sie ist von der großen Mehrheit der Sozis – der Grünen und der SED-ler ohnehin und bei der CDU auch zu über 50 Prozent – gewollt. Man möchte eine andere Zusammensetzung der Gesellschaft haben. Man möchte die Rassen, oder wenn man diesen Ausdruck vermeiden möchte, die Hautfarben und Kulturen vermischen. Genau das ist das Ziel (Telos).

Der Unterschied liegt darin, dass dieses Ziel unterschiedlich bewertet wird. Kohnen, die SPD, die Grünen und die SED malen sich diesen Zustand insofern positiv aus, weil sie denken, die Verbesserung, die für die vielen Migranten eintreten würde, würde die paar Nachteile für einige Deutsche bei weitem ausgleichen, ja mehrfach überkompensieren, während Sarrazin, ich und andere zu einem anderen Ergebnis kommen, nämlich dass hier bei uns alles zusammenzubrechen droht, so dass selbst die Migranten langfristig gar keinen Vorteil davon haben, wir Deutsche und Europäer aber und unsere Kultur, von der ja die ganze Welt auch profitiert, zum Beispiel durch unser Eintreten für die Menschenrechte, für die Aufklärung, für die Emanzipation der Frau, für den Schutz der Kinder und Schwachen, der Tiere usw. usf., dabei vielleicht nicht völlig, aber doch zum Großteil untergehen werden.

Der Unterschied liegt also in der Bewertung des Zustandes, der eintreten wird, wenn wir die Massenmigration nicht abstellen, sondern immer weiter dulden oder sogar befördern. Doch zurück zu Tichy und Sarrazin.

Wir müssten das Ganze sehen und nicht primär unsere Gesellschaft, meinen Grüne, Sozis, SED-ler und CDU-ler

Man habe ja das Gefühl, man lebe in einer Welt, die mit der ihrer Wähler nicht mehr viel zu tun habe, Stichworte: Mietpreissteigerungen, Probleme an den Schulen, Kriminalität, Veränderung des alltäglichen Straßenbildes, so Tichy. Und wieder arbeitet Sarrazin das Wesentliche heraus. All das hänge eben genau mit der anderen Zielsetzung zusammen. Wenn jemand die eine Welt will (also keine Nationen mehr) und daraus schließt, dass man dann auch die ganze Welt zu uns kommen lassen muss, dann kommt eben auch die Unbildung, Kriminalität, Fanatismus etc. zu uns.

Wir müssten eben die Welt insgesamt verbessern, so denken diese Leute, und dürften nicht nur einen Teil betrachten, nämlich den Teil, in dem wir jetzt zufällig seien, diesen als kleinen Schrebergarten ansehen, in dem die Welt noch einigermaßen in Ordnung ist und den wir schützen müssten. Wir müssten das Ganze sehen. So denken inzwischen wohl wirklich fast alle Sozis, Grüne und SED-ler und die meisten Christdemokraten. Sarrazin betont, dass er dieses Weltbild für grundfalsch hält, weil es völlig irreal und utopisch sei. Denn am Ende werde so allen geschadet. Mit „allen“ meint er hier wohl alle Länder, Nationen, Gesellschaften und Kulturen, nicht alle Menschen, denn Einzelne gibt es natürlich immer, die von solchen Veränderungen zumindest kurzfristig profitieren.

Es wird getarnt und geschummelt, weil man weiß, dass die Mehrheit das im Grunde so gar nicht will, wenn sie die Tatsachen kennen würde

Aber warum sagen denn die Anhänger der Eine-Welt-Ideologie dann, dass die Migration zurückginge, fragt Tichy, wenn die Migration doch als etwas Positives angesehen wird. Nun, das hänge einfach damit zusammen, dass man natürlich ahnt, dass sehr viele Menschen mit dieser Eine-Welt-Ideologie gar nicht so einverstanden seien, dann werde eben getarnt und geschummelt. Dann werde gesagt, wir bräuchten doch Einwanderung, zum Beispiel für die Altenpflege (ein Nutzenargument, als ob die breite Masse der afrikanischen und arabisch-islamischen Männer gute Altenpfleger wären), außerdem würden wir so unsere Schuld gegenüber der Dritten Welt abtragen und würden andere an unserem Wohlstand teilhaben lassen (ein moralisches Argument).

Er selbst halte all diese Argumente für falsch und sei der Auffassung, man könne die Dinge immer nur vor Ort verbessern. Eigentlich müsste diesem jeden einleuchten, wenn er nur mal eine Minute scharf nachdenkt, möchte man anfügen. Denn dass die halbe Welt nach Deutschland kommt, weil zig oder über hundert Staaten auf diesem Planeten nicht fähig sind, eine funktionierende, faire und halbwegs gerechte Gesellschaft aufzubauen mit einem Mindestmaß an Wohlstand und Sicherheit, kann schwerlich die Lösung sein. Und wieder bringt Sarrazin nun einen absoluten Schlüsselbegriff ein.

Warum Eigentum und Abgrenzung so wichtig sind

Dies sei die Idee des Rechtes auf Eigentum, dass Menschen etwas vor Ort erwirtschaften und gemeinsam erarbeiten, das dann aber auch vor dem Rest der Welt, der das nicht erarbeitet hat, schützen kann. Denn ansonsten, Anmerkung von mir, gäbe es ja gar keine Motivation, etwas selbst zu erschaffen, wenn man jederzeit anderen das von ihnen Erzeugte wegnehmen kann, wenn sie dies nicht schützen dürfen.

Jede Volksgemeinschaft grenze den Kreis der Zugehörigen durch das Bürgerrecht ab. Für die weniger Bemittelten, für die Kranken, für die Schwachen, die weniger Intelligenten in der eigenen Gemeinschaft fühlten wir uns verantwortlich. Und das, so Sarrazin, lassen wir uns auch was kosten, dass jeder in der eigenen Gemeinschaft einen Mindeststandard an Teilhabe genieße. Das sei der europäische Sozialstaat gewesen, für den er selbst auch immer eingetreten sei. Denn wir müssten akzeptieren, dass die Menschen unterschiedlich (leistungsfähig, JFB) seien und müssten daher (mit staatlicher Gewalt, JFB) umverteilen, damit Reichtum nicht in den Himmel wachse und damit die weniger Wendigen und die, die weniger Glück im Leben haben, vielleicht auch weniger fleißig sind, auch ihren Anteil haben. Genau dies sichere den sozialen Frieden. Dieses Modell, das uns stark gemacht habe, gerate jetzt natürlich mit der Masseneinwanderung in Gefahr.

Wo rührt dann aber der sprunghafte Anstieg der Grünen her, die ja dieses Modell der einen Welt noch sehr viel rabiater vertreten?

Die Stärke der Grünen bestehe in ihrem klaren Markenprofil. Sie sprechen Leute an, die es materiell geschafft haben, die sich aber auch gut fühlen wollen, erläutert der Bestsellerautor. Das seien Menschen mit einem universalistischen Weltbild, Besserverdienende, überdurchschnittlich Gebildete aus der urbanen Bevölkerung, die vom Sozialstaat selbst weitgehend unabhängig seien.

Er selbst kenne dieses Milieu sehr gut, lebte er doch fast immer in einem solchen. Und diese Menschen fühlen sich bei dem Markenprofil der Grünen sehr viel wohler als bei einer SPD, die eigentlich gar nicht wisse, was sie will. Steht die SPD für den deutschen Hilfsarbeiter, für die armen Afrikaner, für die breite deutsche Mittelschicht oder für wen steht die SPD? Dies sei nicht mehr klar, also warum soll man dann so etwas wählen?

Muslimische Gesellschaften generieren weniger Wohlstand, weniger Freiheit, mehr Unruhen, mehr Instabilität, mehr Terror, aber weniger Bildung

Er, Sarrazin, habe zunächst einfach empirisch untersucht, welche Gruppen sich besser und welche sich schlechter integrieren, ferner welche Staaten der Welt mehr Erfolg und welche weniger Erfolg haben. Ergebnis sei, dass die islamischen Länder bei vergleichbaren Bedingungen weniger erfolgreich sind als andere, weniger Wohlstand generieren, weniger Freiheit haben, mehr Unruhen, mehr Instabilität, mehr Terror und weniger Bildung.

Auch bei den Einwanderungsgruppen, die nach Europa kommen, gebe es „gewaltige Unterschiede“. Inder, Chinesen, Vietnamesen, Polen, Rumänen, Türken, Araber und Pakistaner könne man nicht in einen Topf werfen, stellt Sarrazin völlig richtig fest und kritisiert damit die meist sehr undifferenzierte Sicht der Eine-Welt-Ideologen. Auffällig sei in sämtlichen europäischen Staaten, dass Immigranten aus muslimischen Ländern, soweit sie selbst auch Muslime seien, bei allen Integrationsindikatoren – Bildung, Kriminalität, Arbeitsmarktbeteiligung, Einkommen, Fanatismus … – deutlich schlechter abschneiden als andere Einwanderer. Somit stelle sich die Frage nach der Ursache.

Ursache des Misserfolgs ist die islamische Prägung und die meisten Muslime neigen zu einem fundamentalen, nicht zu einem liberalen Islam

Als gemeinsame Ursache für all sieht Sarrazin die Prägung durch die islamische Religion (Weltanschauung, JFB) an. Die Fakten über die (miserablen, JFB) Leistungen und die Integration von Muslimen überall in der Welt lägen ja nun einmal vor. Und diese müsse man irgendwie theoretisch erklären. Seine (naheliegende) Theorie sei daher: Ursache ist die islamische Religion.

Alle Religionen hätten einen Kern von Aussagen mit Wahrheitsanspruch, den man empirisch nicht überprüfen könne. Diese Aussagen glaubt man oder eben nicht. Das galt auch für den Marxismus, der auch Elemente einer Religion gehabt hätte, so Sarrazin. Ob das richtig sei oder nicht, was jemand glaube, sei – insofern es empirisch nicht überprüfbar ist – könne nicht gesagt werden, weil man es ja eben nicht überprüfen kann. (Hier übersieht Sarrazin womöglich, dass man unabhängig von empirischen logische Untersuchungen durchführen kann, so dass es möglich ist, innere Widersprüche festzustellen und damit die Wahrheit bestimmter Aussagen auf Grund von innerer Inkonsistenz zu widerlegen.) Was man aber auf jeden Fall machen könne, ist zu untersuchen, was Muslime glauben. Und dabei könne man eben empirisch feststellen, dass die weit überwiegende Zahl der Muslime – auch bei uns in Europa – einen ziemlich fundamentalen Glauben anhängen und zum Beispiel die Botschaften des Koran wörtlich nehmen. Das sei nun mal die Wirklichkeit.

Woher kommt die völlige geistige Rückständigkeit der muslimischen Gesellschaften?

Er behaupte nicht, dass man den Koran nicht auch ganz anders interpretieren könnte, wo wie man dies bei der Bibel auch tun kann. (Dies wäre allerdings zu prüfen, ob der Koran genau das nicht verunmöglicht, wenn man ihn ernst nehmen möchte, während man die Bibel tatsächlich nicht wörtlich, sondern historisch-kritisch lesen kann, ohne ihr selbst zu widersprechen. JFB) So wie es in den USA fundamentalistischer evangelikaler Christ gebe, die die Bibel wörtlich auslegen, und moderne Christen, die sie historisch-kritisch lesen und gar keine Probleme hätten, die Schöpfungsgeschichte mit Darwin und der Evolutionstheorie in Einklang zu bringen, so wäre das grundsätzlich auch mit dem Koran möglich, meint Sarrazin, faktisch gebe es solche Muslime aber kaum, die das tun würden.

An der Stelle scheint mir Sarrazin zu irren, wenn er Koran und Bibel hier auf eine Stufe stellt, denn die Bibel gibt im Gegensatz zum Koran keine Anleitung, wie sie zu lesen ist. Das eröffnet bei weitem größere Spielräume, welche der Koran beziehungsweise dessen Schöpfer oder Erfinder genau auszuschließen trachteten. Im Koran gib es in etlichen Suren immer wieder ganz konkrete Anweisungen, dass dieser Text, der angeblich von Allah persönlich stammen soll, genau deshalb nicht interpretiert werden darf, sondern wörtlich genommen werden muss! Wer sich daran nicht hält, war also auch nur anfängt, ein wenig interpretieren zu wollen, ist bereits eine Frevler. Solche Vorschriften gibt es in der Bibel nicht, die auch nicht für sich beansprucht, Gottes Wort im Original zu sein, sondern nur Menschenwort, natürlich von Gott inspiriertes, aber eben nicht Gottes Worte.

Daher gibt es dann hier Interspretationsspielraum und damit Raum zum Denken. Wo aber Raum zum Denken gegeben wird, kann dieses sich entwickeln und immer weiter wachsen, während, wenn eine Entwicklungssperre in dem Aussagensystem von Grund auf eingebaut ist, die als absolut und der Kritik nicht zugänglich gesetzt wird, ein solcher Denkraum von vorneherein negiert und sanktioniert wird. Und genau das dürfte der womöglich tifeste Grund der enormen geistigen Rückständigkeit der gesamten islamischen Welt sein, wo doch die arabische Welt vor gut tausend Jahren, bevor der Islam sich dort überall derart durchsetzen konnte, dass jegliche geistige Freiheit unterdrückt wurde, auf vielen Gebieten weltweit mit führend war. Diesen Punkt scheint mir Sarrazin, der ansonsten ganz wesentliche Punkte wunderbar herausarbeitet, zu übersehen.

Die Umma vermehrt sich bei weitem stärker als alle anderen Gruppen und innerhalb der Umma vermehren sich die Fundamentalisten weit mehr als die moderaten Muslime

Wichtig sei aber auch der demographische Aspekt, stellt Sarrazin ganz richtig heraus. Sobald eine Modernisierung und Säkularisierung einsetze, das gelte weltweit bei allen Religionen, auch dem Islam, sinke die Kinderzahl. Dadurch entstehe aber folgender Effekt. Seit 1950 habe sich die Zahl der Muslime weltweit verfünffacht. Und innerhalb der Umma, der Gemeinschaft der Muslime, vermehren sich aber die Fundamentalisten, (die orthodoxen und radikalen Muslime) viel stärker als die wenigen modernen Muslime. Pointiert formuliert: Der Kopftuch-Islam produziert drei- bis viermal so viele Kinder wie der kopftuchfreie Islam, der von den Fundamentalisten schon rein demografisch besiegt wird.

Hinzu komme, dass die modernen Muslime, die vielleicht auch gar nicht mehr gläubig sind (also Scheinmuslime, JFB), sich nicht trauen, öffentlich Kritik zu üben, nicht einmal in Europa, weil dies sowohl für sie persönlich als auch ihre Großfamilien im Iran oder sonstwo gefährlich werden könnte.

Auch immigrierte Muslime bekommen deutlich mehr Kinder als Deutsche, so dass unsere Gesellschaft in spätestens drei, vier Generationen kippen wird

Auf den Einwand, dass die nach Europa immigrierten Muslime nach kurzer Zeit ja auch weniger Kinder bekämen, entgegnet der Bestesellerautor ganz richtig, wenn man sich die Bevölkerungsstatistik anschaue, könne man zwar feststellen, dass die Zahl der Kinder bei zum Beispiel eingewanderten Türken zwar absinke, aber auch in der dritten und vierten Generation deutlich höher bleibe als die der Deutschen. Selbst im Absinken bekommen immigrierte Muslime als deutlich mehr Kinder als das nichtmuslimische Umfeld.

Deswegen sah Sarrazin in seinem Buch Deutschland schafft sich ab (2010) selbst bei einer angenommenen geringen muslimischen Einwanderung ein Kippen der Bevölkerung innerhalb der nächsten drei, vier Generationen voraus. Schaut man sich nun die Zahlen des aktuellen Mikrozensus an, so könne man klar erkennen, dass Frauen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund auch in der Enkelgeneration deutlich mehr Kinder bekommen als andere Gruppen.

Was tun wir denn, wenn ein stetig wachsender Teil der Gesellschaft für Verwandten- und Kinderehen, Unbildung, hohe Kriminalität und Ablehnung unseres Staates steht?

Das habe gar nichts mit einem „düsteren Weltbild“ zu tun, korrigiert Sarrazin Tichy, sondern das seien nun einmal die Fakten. Politik könne zwar die Rahmenbedingungen der Gesellschaft gestalten, aber innerhalb dieser mache im Grunde jede soziale Gruppe ihre eigene Politik. So könne man zum Beispiel sehen, dass „Muslime das öffentliche Bildungsangebot weniger stark annehmen, um es mal zurückhaltend auszudrücken, als zum Beispiel Vietnamesen, Chinesen, Polen oder Bulgaren, dann ist das ein Faktum“ und dann sei man auch mit der Gestaltungsmöglichkeit am Ende. Das sei ja gerade ein Teil von Multi-Kulti, zu akzeptieren, dass Menschen unterschiedlich sind und unterschiedlich bleiben. Genau das aber sei ja die unbeantwortete Frage von Multi-Kulti:

„Was tun wir denn, wenn ein Teil unserer Gesellschaft – und zwar ein wachsender Teil – die Frauen unter das Kopftuch zwingt, die Verwandtenheirat möglich macht, Unbildung fördert, relativ viele Kinder hat und unseren Staat ablehnt? Ist das ein akzeptabler Teil von Multi-Kulti oder nicht?“

Stabile Gesellschaft brauchen ein hohes Maß an Homogenität, vor allem gemeinsame Wertvorstellungen

Diese Frage habe ihm noch kein Grüner und kein wohlwollender linker Sozialdemokrat irgendwie zuverlässig beantwortet. Es werde sich vielmehr gescheut, diese Frage wirklich bis zum Ende zu durchdenken. Tue man dies, so erkenne man, dass Multi-Kulti lediglich ein Übergangszustand sein könne. Für eine Gesellschaft, die in sich stabil ist, brauche es gemeinsame Werte und einen relativ ähnlichen Lebensstil. Natürlich könne der eine lieber das essen, der andere lieber was anderes, man könne unterschiedliche Musik hören und unterschiedlich fleißig sein. Das sei alles okay, aber es müsse schon gemeinsame Grundeinstellungen geben (z.B. dass jeder die Musik hören kann, die er will und essen darf, was er möchte, JFB).

Die gesamte soziologische Forschung zeige: Gesellschaften leben umso friedlicher zusammen, je ähnlicher sich die Menschen sind. Baue man zu viel Unähnlichkeit in eine Gesellschaft ein, entstünden unwillkürlich soziale Spannungen. Klassisches Beispiel hierfür sei die USA. Diese habe ihre Kriminalität seit Anfang der 1990er Jahre deutlich nach unten gebracht, aber um den Preis, dass 5 bis 10 Prozent einer bestimmten Bevölkerungsgruppe praktisch permanent in den Gefängnissen sitzen. Das sei ein hoher Preis für gesellschaftliche Harmonie und das komme eben aus zu viel Heterogenität.

Wie wird Deutschland in zehn Jahren aussehen?

Auf seine Prognose hin befragt, wie Deutschland in zehn Jahren aussehe, sagt Sarrazin unmissverständlich, er glaube nicht, dass wir die nötige Wende schaffen, sie vielmehr durch Unentschlossenheit verzögern werden. Irgendwann sei aber der Punkt erreicht, wo es keine Umkehr mehr gebe.

Schlussbemerkung: Was bei Sarrazin fehlt, ist eine Tiefenanalyse des Koran und der islamischen Weltanschauung, welche die tiefere Ursache der ganzen Misere darstellt, denn all diese Dinge, insbesondere die tiefen seelischen Deformationen,- kommen nicht von ungefähr. Solche Tiefenanalysen finden Sie ganz hervorragend zum Beispiel bei Manfred Kleine-Hartlage, Hartmut Krauss, Rudolf Brandner oder meinen Texten. Sarrazin kommt dagegen ganz von der soziologischen Seite. Was er hier aber abliefert, ist meines Erachtens exzellent und unbedingt lesens- und hörenswert. Ja, ich halte ihn nicht nur für einen der mutigsten, sondern auch für einen der besten Gesellschaftsanalytiker unserer Zeit.

Das Interview in Bild und Ton

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Veranstaltungshinweis für den 14.01.2019 in Dresden:

Literaturempfehlungen:

Zuerst erschienen bei Jürgen Fritz Blog

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