Joschka Fischer will EU als Atommacht – und will Schuldenbremse für Kriegskurs aufweichen

Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer hat in einem Interview gefordert, die EU zur Atommacht hochzurüsten. Dies solle zur „Abschreckung Russlands“ dienen. Auch an Einwanderern in Deutschland hat er etwas auszusetzen.
Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) war einst Außenminister.
Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) war einst Außenminister.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 4. Dezember 2023

Von der „verspäteten Nation“ Deutschland zur verspäteten Weltmacht Europa? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den Brexit umkehren, Ex-EZB-Chef Mario Draghi will die EU zum einheitlichen Staat umformen. Dem früheren Außenminister Joschka Fischer geht dieser europäische Geltungsanspruch nicht weit genug: Er will die EU zur Atommacht hochrüsten – und damit ihrem Konfrontationskurs gegen Russland Nachdruck verleihen.

Mögliche Wiederwahl Trumps bereitet Fischer Sorge

In einem jüngst veröffentlichten Interview mit der „Zeit“ beklagt der langjährige Grünen-Politiker, dass Europa insgesamt über keine „atomare Abschreckung“ verfügt. Zwar sei Frankreich eine Atommacht, ebenso wie das 2021 aus der EU ausgetretene Großbritannien. Allerdings reiche dies nicht aus, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin „mit nuklearer Erpressung“ arbeite.

Der heute 75-jährige Fischer, der Deutschland 1999 in den ersten Krieg seit 1945 involviert hatte, ist auch über die Entwicklung in den USA besorgt. Er hoffe zwar, dass „Amerika und Europa verbunden bleiben“. Europa müsse sich aber auch „die Frage ernsthaft stellen“, was passiere, „wenn Donald Trump wieder gewählt wird“.

In einer derartig veränderten Lage wären die Arsenale der NATO-Partner Frankreich und Großbritannien nicht ausreichend, ist der Ex-Außenminister überzeugt.

„Imperiale Ideologie“

Weiterhin fordert Fischer von der Bundesregierung die Abkehr von der Schuldenbremse – zur Finanzierung konventioneller Aufrüstung. Solange „wir“ einen „Nachbarn Russland“ hätten, der „der imperialen Ideologie Putins“ folge, könne man auf dessen Abschreckung nicht verzichten.

„Nur werden wir das nicht mit Schuldenbremse und ausgeglichenen Haushalten erreichen können.“

Die Ukraine, so Fischer, „ist für Europa und Deutschland von entscheidender Bedeutung“. Für Europa gehe es um „verflucht viel“. Es sei Russlands Präsident Putin, der „die Macht und nicht das Recht“ entscheiden sehen wolle.

Fischer: „Ich schäme mich für unser Land“

Der frühere Außenminister der Partei, die einst nicht nur mit Pazifismus, sondern auch für „Mut zur multikulturellen Gesellschaft“ geworben hatte, nimmt auch Anstoß am Denken von Einwanderern. Deutschland habe es diesen gegenüber „nicht definiert, was es heißt, hier leben zu wollen“, und die Werte des Grundgesetzes „nicht stärker durchgesetzt“.

Fischer macht vorwiegend Einwanderer für die Ausbreitung antisemitischer Stimmungen im Land verantwortlich. Gegenüber der „Zeit“ erklärte er: „Ich schäme mich für unser Land.“ Es gebe Übergriffe auf in Deutschland lebende Juden und Parolen gegen diese und gegen Israel an Häuserwänden.

Deutschland sei das Land, welches – das von russischen Soldaten befreite Vernichtungslager – Auschwitz möglich gemacht hat. Das habe Konsequenzen für alle Bürger:

„Wer das nicht begreift, hat die falsche Adresse gewählt.“

Unklarheiten über Zurechnung antisemitisch motivierter Straftaten

Bislang rechneten deutsche Sicherheitsbehörden die meisten antisemitisch motivierten Straftaten dem rechtsextremen Spektrum zu. Seit dem Überfall der terroristischen Hamas auf Israel am 7. Oktober kam es in Deutschland zu mehr als 200 antisemitischen Straftaten, von denen 64 Prozent keinem politischen Hintergrund zugeordnet werden konnten.

Politiker und Journalisten gehen davon, dass eine Vielzahl davon auf Personen mit Migrationshintergrund aus arabischen oder anderen mehrheitlich muslimischen Staaten entfällt. An der Erfassungsweise antisemitisch motivierter Straftaten ist in den vergangenen Jahren zunehmend Kritik laut geworden.



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