Jörg Kukies: Wer ist Scholz‘ neuer Finanzminister?

Olaf Scholz hat mit Jörg Kukies einen engen Vertrauten zum neuen Finanzminister berufen. Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker soll ihm einen Haushalt nach seinen Vorstellungen bis zum Amtsantritt einer neuen Regierung ermöglichen. Im Zusammenhang mit der Wirecard-Affäre gibt es Argwohn gegenüber Kukies.
Der bisherige Staatssekretär im Kanzleramt, Jörg Kukies, soll Finanzminister werden.
Der bisherige Staatssekretär im Kanzleramt, Jörg Kukies, ist neuer Finanzminister.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 7. November 2024

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Mit der Ernennung seines langjährigen Vertrauten Jörg Kukies zum Bundesfinanzminister hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Frage der Lindner-Nachfolge rasch geklärt. Am Mittwochabend, 7. November, hatte der Kanzler den bisherigen Amtsinhaber und FDP-Chef entlassen. In einer vorwurfsvollen Rede begründete Scholz, warum kein wechselseitiges Vertrauen mehr für eine künftige Zusammenarbeit vorhanden sei. Bereits am frühen Donnerstagmorgen war das ARD-Hauptstadtstudio über Kukies als Nachfolger informiert.

Kukies als möglicher Partner für Aussetzung der Schuldenbremse

Es ist wenig überraschend, dass der neue Amtsinhaber nicht zuletzt aus der Perspektive von Scholz selbst ein vollständiges Kontrastprogramm bilde. Kukies war seit 2021 als Staatssekretär im Kanzleramt mehr oder minder die „rechte Hand“ des Regierungschefs: über alles im Bilde, immer als Erster informiert – und bedingungslos loyal.

Im Unterschied zu Lindner hat Scholz bei Kukies nicht mit einem Verfechter restriktiver Fiskalpolitik zu tun. Der Kanzler könnte – sollte er dafür eine Mehrheit organisieren können – mit Kukies Hilfe den Versuch unternehmen, für den anstehenden Haushalt 2025 eine Aussetzung der Schuldenbremse zu erwirken.

Zuvor hatte Kukies ebenfalls bereits eng mit Scholz zusammengearbeitet – als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Dieses Ressort hatte der heutige Kanzler nach seinem Wechsel von Hamburg nach Berlin im Jahr 2018 geleitet. Kurz nach Amtsantritt bestellte Scholz damals drei beamtete Staatssekretäre in sein Ministerium. Kukies war einer davon, und er sollte die Kompetenzbereiche Europa und Finanzmarkt abdecken.

Vor dem Wechsel in die Politik konnte der am 21. Februar 1968 in Mainz geborene Sohn eines IBM-Elektroingenieurs auf eine langjährige Karriere bei der US-Investmentbank Goldman Sachs zurückblicken. Im Jahr 2000 begann diese in London, von 2004 an setzte sie sich in Frankfurt am Main fort. Sein Schwerpunkt lag dabei im Aktiengeschäft.

Lange Karriere bei Goldman Sachs

Zudem gehörten Fixed-Income-Produkte, Beteiligungen und strukturierte Produkte zu seinen Aufgabenbereichen. Im Jahr 2006 beförderte ihn die Bank erstmals zum Managing Director, vier Jahre später wurde er offiziell Partner.

Nach einem erneuten kurzen Zwischenspiel in London, wo er zum Leiter des Geschäftsbereichs EMEA Equity Derivative Sales aufstieg, wurde er im Jahr 2014 Co-Vorsitzender von Goldman Sachs für Deutschland und Österreich. Sein operativer Verantwortungsbereich war dabei jener der Aktien und Derivate.

Die Qualifikation dafür hatte der Ökonom an mehreren Hochschulen von internationalem Rang erworben. Unter diesen befanden sich die Gutenberg-Universität Mainz und die Pariser Sorbonne. Ein Postgraduiertenstudium ermöglichte ihm 1997 einen Abschluss als Master of Public Administration an der Harvard Kennedy School. Vier Jahre später folgte eine Promotion zum Ph. D. im Finanzwesen an der Graduate School of Business der Universität von Chicago.

Technokratie statt Politik im Fokus

Politisch exponierte sich Jörg Kukies lediglich zu Beginn der 1990er-Jahre, als er den Landesverband der Jusos in Rheinland-Pfalz leitete. Im Laufe seiner späteren Karriere als Investmentbanker waren es hauptsächliche wirtschaftsbezogene Tätigkeiten und Ämter, die er parallel dazu wahrnahm.

In öffentlichen Vorstellungsseiten sind unter anderem jene als stellvertretendes Verwaltungsratsmitglied der KfW-Bankengruppe, Aufsichtsrat der KfW IPEX-Bank GmbH oder Direktor der European Financial Stability Facility in Luxemburg aufgeführt. Eine weitere Referenz ist der Lenkungsausschuss des Gremiums der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, den Kukies phasenweise geleitet hatte.

Internationale Erfahrung kann Kukies auch als früherer stellvertretender Gouverneur Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung IFI in London vorweisen. Zudem engagiert sich der Scholz-Vertraute für Integrationsprojekte zugunsten Geflüchteter.

Intervention von Kukies kurz vor Wirecard-Pleite?

Durch auffällige oder kontroverse politische Aussagen ist Kukies bis dato nicht in Erscheinung getreten. Der auf dem weltweiten Parkett erfahrene Technokrat äußert sich auch auf eigenen Social-Media-Auftritten kaum zu tagespolitischen Fragen. Lieber zeigt er Bilder, die ihn zusammen mit politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungsträgern in aller Welt zeigen.

Gegenüber Medien versucht er potenzielle Angriffspunkte zu vermeiden. Dennoch musste er sich 2018 anlässlich seines Wechsels in das Amt des Staatssekretärs von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) Häme gefallen lassen. Diese hatte in einem Beitrag gleich mehrere Fälle innerhalb eines überschaubaren Zeitraums dokumentiert, da der erfahrene Investmentbanker Börsenentwicklungen falsch prognostiziert hatte.

Noch deutlich unvorteilhafter war ein Bericht des „Spiegel“ aus dem Jahr 2021. Diesem zufolge hat Kukies im Juni 2020 beim Chef der KfW-Tochter Ipex, Klaus R. Michalak, interveniert. Kukies soll sich bei diesem für einen weiteren Kredit für den bereits ins Gerede geratenen Zahlungsdienstleister Wirecard eingesetzt haben.

KfW-Chef Bräunig: „Gedankenspiele schnell verworfen“

Zu diesem Zeitpunkt hatte Wirecard selbst bereits eingeräumt, an der Existenz von 1,9 Milliarden Euro an Bankguthaben zu zweifeln, die man auf Treuhandkonten vermutet hatte. Zwei Tage nach der Anfrage von Kukies an Michalak stellte Wirecard den Insolvenzantrag.

KfW-Vorstandschef Günther Bräunig räumte zwar ein, dass mit Kukies über Möglichkeiten gesprochen worden sei, einen „ungeordneten Zusammenbruch“ bei Wirecard zu vermeiden. Dabei seien mögliche Ansätze erörtert worden. Druck habe jedoch niemand ausgeübt. Vielmehr habe man die Gedankenspiele an mögliche Rettungsversuche schnell und einvernehmlich verworfen.



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