„Refugees Welcome“ selbst bezahlt: Jobcenter Essen fordert von Bürgen Sozialleistungen für Flüchtlinge zurück
Das Jobcenter in Essen hat damit begonnen, die ersten „Flüchtlingsbürgen“ in der Stadt anzuschreiben. Die Bürgen sollen die Sozialleistungen für die hauptsächlich syrischen Flüchtlinge zurückzahlen. „Es könnten 250 bis 300 Personen sein, die als Bürgen eingetreten sind“, sagte der Leiter des Jobcenters, Dietmar Gutschmidt. Noch im Juli war die Stadt von „grob 200“ Betroffenen ausgegangen, so Gutschmidt berichtet die „WAZ“.
Zwischen 5.000 und 20.000 Euro pro Person betragen die Rückforderungen in den bereits bearbeiteten Fällen, die das Jobcenter für Lebensunterhalt und Unterkunftskosten zurückverlangt. Laut Bundesinnenministerium hatten während des Syrienkrieges neben dem Bund auch alle Länder mit Ausnahme von Bayern Aufnahmeprogramme für Angehörige hier lebender Syrer aufgelegt. Diese waren verbunden mit privaten Bürgschaften für die finanziellen Belastungen.
Länder hatten andere Rechtsauffassung als der Bund
In vier Bundesländern kam es offenbar zu falschen Beratungen, darunter auch in Nordrhein-Westfalen (NRW). In den betroffenen Bundesländern herrschte fälschlicherweise die Rechtsauffassung, die Verpflichtung der Bürgen zur Kostenübernahme ende mit einem neuen Aufenthaltstitel, beispielsweise als anerkannter Asylbewerber.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte allerdings bereits im Januar 2017, dass sich durch den neuen Titel der Aufenthaltszweck nicht ändere, nämlich der Schutz vor Krieg und Verfolgung. Daher seien die Bürgen weiter verantwortlich, bei Verpflichtungserklärungen vor August 2016 zumindest für drei Jahre. Die Bürgen hatten aber zum Teil auf anderslautende Auskünfte der Ausländerbehörden und des Landesinnenministeriums vertraut.
Viele Bürgen hätten sogar nicht nur für einen Flüchtling, sondern für mehrere eine Bürgschaft abgeschlossen. Daher gibt es Rückzahlungsforderungen, die bis zu einer Höhe von 50.000 Euro reichen.
Forderungen werden momentan nur festgesetzt – nicht eingezogen
Allerdings werden die Forderungen momentan nur festgesetzt und nicht eingezogen, entschied das Landesarbeitsministerium. „Für die Betroffenen wäre das eine Katastrophe, wenn sie zahlen müssten“, sagte Rudi Löffelsend von der Caritas Flüchtlingshilfe in Essen. Hier sei die Bundes- und Landespolitik gefordert alles zu tun, „damit die Leute nicht in den Ruin geritten werden“.
Die Bürgen wollten dabei helfen, dass in den Jahren der großen Flüchtlingskrise hauptsächlich syrische Menschen legal aus den Kriegsgebieten geholt werden. Dabei wurden die Bürgschaften auch von syrischen Angehörigen in Deutschland übernommen. Da diese oft finanziell nicht in der Lage waren, sprangen Flüchtlingshelfer oder auch Kirchengemeinden ein.
„Gerade ältere Menschen über 70 mit Kriegs- und Fluchterfahrungen haben zum Teil mehrfach Verpflichtungserklärungen unterschrieben“, sagte der frühere Gelsenkirchener Superintendent Rüdiger Höcker. Einen Fall, den er schilderte, betrifft einen über 80-Jährigen, die Rückforderungssumme sei fünfstellig. „Das geht jetzt bis in die Erbschaft“, so Höcker zur „Westdeutschen Zeitung“.
Bundesarbeitsministerium beobachtet, wie sich die Rechtsprechung verhält
Löffelsend sieht hier in erster Linie ein Versäumnis des Landes, das zunächst anderer Rechtsauffassung als der Bund gewesen ist. Anscheinend spielt es aus Sicht der Stadt juristisch keine Rolle, ob die Bürgen tatsächlich ausreichend gewarnt wurden oder nicht: „Rechtlich bindend ist die unterzeichnete Verpflichtungserklärung, und die ist sehr eindeutig formuliert“, sagte eine Stadtsprecherin.
Allerdings könnte juristisch die Frage spannend werden, ob die Ausländerbehörde ausreichend geprüft hat, ob der Bürge auch zahlungskräftig genug ist. In Bonn haben in dem Punkt zwei Bürgen erfolgreich gegen das Jobcenter vor dem Verwaltungsgericht geklagt.
Das Bundesarbeitsministerium beobachtet unterdessen noch, wie sich die Rechtsprechung verhält. „Derzeit gibt es noch viele Berufungsverfahren“, sagte eine Sprecherin. Parallel werde in Berlin aber bereits mit Hochdruck an einer Lösung gearbeitet. „Das Thema ist auf höchster Ebene angelangt.“, sagte die Sprecherin zur „WAZ“. (er)
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