Jetzt auch wegen „Alles für …“: Weiteres Strafverfahren gegen Björn Höcke zugelassen

Die Staatsanwaltschaft Halle will den thüringischen AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke nun auch wegen der Verwendung der Worte „Alles für...“ bestraft sehen. Das Landgericht Halle ließ die Anklage im Verbund mit einem bereits anhängigen Verfahren zu. Prozessauftakt ist schon in dieser Woche.
Björn Höcke muss vor Gericht.
Das Landgericht Halle hat eine weitere Anklage gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zugelassen.Foto: Sebastian Willnow/dpa
Von 15. April 2024

Die fünfte große Strafkammer des Landgerichts Halle in Sachsen-Anhalt hat erneut eine Anklage gegen den thüringischen AfD-Fraktions- und Landeschef Björn Höcke zugelassen.

Wie eine Sprecherin des Gerichts am Tag nach dem TV-Duell „Höcke vs. Voigt“ mitgeteilt hatte, wird sich Höcke in einem zweiten Strafverfahren dem Vorwurf stellen müssen, „Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation öffentlich verwendet zu haben“. Der Verstoß gegen den entsprechenden Paragrafen 86a, Absatz 1 und 2 (StGB) stehe auch hier im Raum ebenso wie gegen Paragrafen 86, Absatz 1, Nr. 4, der das „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ betrifft. Als Strafmaß käme im Fall einer Verurteilung eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft in Betracht.

Dieses zweite Verfahren habe die Kammer mit dem bereits anhängigen Verfahren „zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden“, hieß es in einer Pressemitteilung des Landgerichts (Aktenzeichen: 5 KLs 6/23). Der erste Prozesstermin zu den beiden nun kurzfristig verbundenen Verfahren wurde schon vor einigen Wochen für Donnerstag, 18. April 2024, in Halle anberaumt. Dabei soll es nach Auskunft des Gerichts auch bleiben.

Auch „Alles für …“ und Animation strafbar?

Auch bei dem neuerlichen Vorwurf geht es im Kern um den verbotenen Ausspruch „Alles für Deutschland“, der der Sturmabteilung (SA) während der NS-Zeit als Losung gedient hatte. Jetzt aber bezieht sich die Anklage nicht mehr nur auf das vollendete Zitat, sondern auch noch auf die beiden Worte „Alles für …“. Höcke soll genau diesen Teil der SA-Parole „auf einer Veranstaltung der Partei AfD in Gera am 12.12.2023 […] ausgesprochen und anschließend das Publikum durch Gesten animiert“ haben, den Satz mit dem Wort „Deutschland“ zu ergänzen (Video auf YouTube).

Zu diesem Zeitpunkt habe Höcke nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Halle gewusst, dass die drei Worte – im Zusammenhang ausgesprochen – in Deutschland strafbewehrt sein könnten. Denn nachdem er sie bereits beim Abschluss einer Wahlkampfrede am 29. Mai 2021 in Merseburg als Schluss des Dreiklangs „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ benutzt habe, sei er über die Rechtslage in Kenntnis gesetzt worden.

Wegen Höckes Abschluss seiner Wahlkampfrede von Merseburg war nämlich bereits am 30. November 2023 ein erstes Hauptverfahren ebenfalls vor der fünften großen Strafkammer des Landgerichts Halle eröffnet worden. Das hatte der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft Halle so verfügt. Ursprünglich hätte der Fall vor dem Amtsgericht Merseburg verhandelt werden sollen.

AfD-Spitzenkandidat sieht Einschränkung der Meinungsfreiheit

Höcke hatte sich auch während seines Fernsehduells mit dem thüringischen CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt am 11. April darauf berufen, im Mai 2021 noch nicht gewusst zu haben, dass es sich bei „Alles für Deutschland“ um einen verbotenen Ausspruch handele. Auf dieses Argument kann er sich bei dem nun angestrengten zweiten Verfahren zum Vorfall in Gera nicht mehr berufen. Andererseits hatte er in Gera nach Darstellung des Landgerichts Halle nicht den vollen Slogan geäußert.

Angesprochen auf das Zitat, hatte es Höcke auch in der „Welt TV“-Sendung vom 11. April 2024 nicht mehr gewagt, die drei Worte zu artikulieren. Stattdessen sagte er bloß „Alles für D“ und erklärte das mit seiner Befürchtung, sich ansonsten erneut dem Risiko einer Anklage ausgesetzt zu sehen.

Höcke gab auch zu bedenken, dass es in Deutschland zu seinem Erstaunen nicht strafbewehrt sei, „alles mögliche Böse und Schäbige und Ehrverletzende“ über das eigene Land zu sagen – wie etwa „Deutschland verrecke“ oder „Deutschland, du mieses Stück Sch[…]“. Es sei auch erlaubt, die Deutschen als „Köterrasse“ zu bezeichnen. Höcke fuhr fort: „Aber wenn man als Patriot in einer bedrängten Lage, in der dieses Land ist, fordert, alles für dieses Land zu geben – analog ‚America First‘“, finde man sich vor Gericht wieder. Für ihn bedeute das eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Und ohne Meinungsfreiheit sei für ihn „die Demokratie nichts“.

Der AfD-Spitzenkandidat verwies im Übrigen darauf, dass er während der Verwendung des Dreiklangs in Merseburg davon ausgegangen sei, dass es sich um einen „Allerweltsspruch“ handele. Ludwig II. von Bayern, Franz Beckenbauer oder auch die Telekom hätten die Worte bereits verwendet. Das 74-minütige TV-Duell ist auf „Welt.de“ zu sehen.

Neuer Ärger mit der Telekom?

Die Telekom wollte diesen Hinweis Höckes nicht auf sich sitzen lassen. Wie unter anderem die „Berliner Zeitung“ nach dem TV-Duell berichtete, prüfe die Telekom nun „rechtliche Schritte“ gegen den AfD-Landeschef: Sie habe den Slogan nie benutzt. Eine entsprechende Unterlassungsaufforderung habe die Telekom bereits im Sommer 2023 an die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel geschickt: Auch Weidel habe in einem Interview gesagt, dass die Telekom die SA-Losung früher als Werbespruch verwendet habe. Weidel habe die Unterlassungsaufforderung damals sogleich akzeptiert.

Sowohl Weidel als auch Höcke könnte eine schlichte Verwechslung unterlaufen sein: Wie das juristische Fachportal „Jurios“ bereits Ende Juni 2022 berichtete, hatte die Telekom den Slogan „Jedem das Seine“ noch vor gut zwei Jahrzehnten für Werbezwecke genutzt. Auch dabei handelt es sich um eine Floskel, die „unter anderem von den Nationalsozialisten verwendet“ worden war.

Die Formulierung ist in ihrer lateinischen Sprachform „Suum cuique“ bereits seit der Antike bekannt. Sie soll auf eine Passage zum Thema „Verteilungsgerechtigkeit“ aus Platons berühmten Dialog „Politeia“ zurückgehen. Auch in späteren Denkschulen sei der Ansatz immer wieder aufgetaucht, etwa, wenn es um die philosophische Auseinandersetzung mit Eigentumsfragen gegangen sei.

Spätestens nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aber habe die Übersetzung in die deutsche Sprache einen anrüchigen Beigeschmack bekommen, weil die Nationalsozialisten den Spruch 1937 „über dem Haupttor des Konzentrationslagers Buchenwald“ hatten anbringen lassen. Doch die Werbewirtschaft sei sich dessen „bis weit in die 2000er-Jahre hinein“ wohl nicht bewusst gewesen, schreibt „Jurios“:

Ab 1998 verwendeten unter anderem Nokia, Rewe, Microsoft, Burger King, die Deutsche Telekom und die Münchner Merkur-Bank ‚Jedem das Seine‘ als Slogan. Esso und Tchibo warben 2009 an rund 700 Tankstellen mit dem Werbespruch ‚Jedem den Seinen‘ und meinten damit die Sortenvielfalt des Kaffeeherstellers“.

2009 habe auch die „Schüler-Union in Nordrhein-Westfalen“ die Floskel als ihr „politisches Motto“ verwendet. Noch 2018 sei „der gleiche peinliche Fehler“ dem Modehaus Peek & Cloppenburg unterlaufen, so „Jurios“.

Weiteres Verfahren vor Landgericht Mühlhausen anhängig – Auftakttermin unklar

Björn Höcke wird sich zudem wohl noch im Lauf des ersten Halbjahres 2024 einem weiteren Verfahren stellen müssen – dann vor dem Landgericht Mühlhausen. Hintergrund sind dabei einige Sätze, die der Politiker im Jahr 2022 auf seinem Telegram-Kanal gepostet hatte.

Damals hatte er sich zu einem Messerangriff in Ludwigshafen geäußert, bei dem ein Somalier zwei Handwerker auf offener Straße getötet hatte. Gegen Höcke steht deswegen der Vorwurf der Volksverhetzung im Raum. Ein Termin für den Auftakt dieser Verhandlung steht noch nicht fest.

Landtagswahl am 1. September

In Thüringen wird am 1. September 2024 ein neuer Landtag gewählt. Mit Abstand führt Björn Höckes Partei das Rennen in Thüringen an: Das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap stellte trotz jüngster Verluste von fünf Prozent vor einem knappen Monat noch immer 29,0 Prozent fest. INSA maß einen konstanten Wert von 31,0 Prozent. Rang zwei im Parteienspektrum ging an die CDU: Bei Infratest stand Mario Voigts Landesverband bei 20,0 Prozent, laut INSA lag ihr Wert bei 21,0 Prozent.

Der Thüringer Landesverband der Linken, der Partei des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, kam Mitte März bei der Sonntagsfrage auf Werte zwischen 16,0 (Infratest) und 18,0 Prozent (INSA). Der aktuelle Koalitionspartner SPD rangierte laut Infratest bei 9,0 Prozent, gemäß INSA-Befragung sogar nur noch bei 6,0 Prozent. Die Grünen sahen beide Institute bei 5,0 Prozent: Sie müssen damit um den Einzug in den Erfurter Landtag bangen.

Nennenswerte Stimmanteile könnte auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreichen. Wäre am 24. März Wahl gewesen, hätte das BSW wohl irgendwo zwischen 13 (INSA) und 15 Prozent (Infratest) gelegen. Die FDP spielt mit 2,0 Prozent (INSA) keine Rolle mehr in Thüringen. Bei Infratest dimap wird die Partei des kurzzeitigen Ex-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich inzwischen unter den „Sonstigen“ geführt.

Da auch in Thüringen keine Partei mit der AfD koalieren will und es fraglich ist, ob Mario Voigt sich auf eine gemeinsame Partnerschaft mit den linken Kräften BSW und SPD einlassen würde, steht die Lösung für eine tragfähige Regierung bis auf Weiteres in den Sternen.

Umfragen wie jene von Infratest dimap oder INSA weisen immer eine gewisse Fehleranfälligkeit von bis zu plus/minus drei Prozent aus.



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