Jens Spahn und Sigmar Gabriel fordern Wende in der Asylpolitik
Die Zuwanderungswege nach Deutschland werden immer durchlässiger, Migranten kommen über Land, übers Wasser und auf dem Luftweg. Sprach die Tagesschau beispielsweise noch im April 2021 von etwa „300 Ortskräften“ aus Afghanistan, sind daraus mittlerweile Zehntausende geworden.
Zwischenzeitlich arbeiten dutzende Nichtregierungsorganisationen (NGO) vor Ort daran, immer noch weitere „Ortskräfte“ auszuwählen. Das „World Food Programm“ musste zudem im Mai 2023 die Leistungen für Hungernde in Afghanistan erneut halbieren, solche Streichungen hatten in den syrischen Flüchtlingslagern in der Türkei im Jahr 2015 für die erste große Migrationswelle nach Deutschland gesorgt.
Die FAZ titelte damals: „Wie der Hunger die Syrer in die Flucht trieb“.
Während die Afghanen per Luftlinie nach Deutschland kommen, finanziert die Bundesregierung jetzt auch die sogenannte „Seenotrettung“ über das Mittelmeer. Und beispielsweise der Grünen-Abgeordnete Jürgen Trittin forderte jüngst die Innenministerin dazu auf, dass die Bundespolizei mit Schiffen im Mittelmeer die „Seenotrettung“ übernehmen soll.
Das ist nur ein stichpunktartiger Blick auf eine noch größere Anzahl von Migrationsrouten, die im Vergleich zum Jahr 2015 um ein Vielfaches durchlässiger geworden sind. In den vergangenen Tagen meldeten sich zwei prominente Politiker kritisch zur Zuwanderung zu Wort, die im Jahr 2015 in der politischen Verantwortung standen.
Jens Spahn (CDU) war zunächst parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und später Bundesminister für Gesundheit. Heute ist er Bundestagsabgeordneter. Und Sigmar Gabriel (SPD) war Vizekanzler unter Angela Merkel (CDU) und arbeitet heute als Berater.
Die „Bild am Sonntag“ veröffentlichte am 20. August ein Interview mit Jens Spahn, aus dem der „Spiegel“ zitiert. Spahn spricht davon, dass Deutschland „eine Pause von dieser völlig ungesteuerten Asylmigration“ bräuchte.
Spahn will „ein klares Signal an der EU-Außengrenze“
Außerdem attestiert Jens Spahn den Abschiebebemühungen der Bundesregierung eine Wirkungslosigkeit, als er gegenüber der Zeitung sagt, die Erfahrung hätte gezeigt, dass man die Zuwanderungszahlen nicht nennenswert über Abschiebungen reduzieren könne. Es bräuchte, so schlägt Spahn vor, „ein klares Signal an der EU-Außengrenze: ‚Auf diesem Weg geht es für niemanden weiter.‘“
Aber Spahn geht noch weiter: Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt könne nur gelingen, „wenn die Zahl zusätzlicher Asylbewerber sehr stark abnimmt“.
Allerdings plädierte Spahn auch dafür, dass das Flüchtlingswerk der UNO pro Jahr 300.000 bis 500.000 Geflüchtete für Europa auswählen und verteilen solle. Der „Spiegel“ kommentierte den Vorstoß des Ex-Gesundheitsministers so:
„Spahns mit populistischer Schärfe vorgetragener Vorstoß wirkt wie ein weiterer verzweifelter Versuch der Union, Wählerstimmen von der AfD zurückzugewinnen, die sich das Thema Zuwanderung mit dem Schüren von Ängsten auf die Fahnen geschrieben hat.“
Die Kritik von Vertretern der Ampel-Parteien gegenüber Spahns Vorschlägen war scharf. So meinte etwa die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, es könne „keine Lösung sein, Menschenrechte auszusetzen, um Migration zu begrenzen“.
Schon ein paar Tage vor Jens Spahn hatte sich Sigmar Gabriel gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in derselben Sache zu Wort gemeldet:
„Wir müssen Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit verbinden mit klaren und durchsetzbaren Regeln für die Begrenzung von Zuwanderung.“ Auch durch den „lauten Protest der Pro-Asyl-Szene“ dürfe man sich nicht von einer „klugen neuen Flüchtlingspolitik“ abbringen lassen, sagte Gabriel.
Sigmar Gabriel will „die Begrenzung von Zuwanderung“
Für den Sozialdemokraten passen „unsere Regeln aus dem 20. Jahrhundert nicht zu den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“. Ihm ginge es außerdem darum, Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit zu verbinden „mit klaren und durchsetzbaren Regeln für die Begrenzung von Zuwanderung“.
Es gäbe kein Recht auf unkontrollierte Einwanderung und man könne auch nicht unbegrenzt viele Menschen aufnehmen, sagte er weiter.
„Wir sollten jetzt parteiübergreifend nach neuen Wegen suchen, ohne durch Wahlkampfgetöse das Geschäft der AfD zu fördern.“
Hier schlägt Gabriel gegenüber RND den dänischen Asylkurs als positives Beispiel vor. Er rechne zwar mit lauten Protesten der „pro-Asyl-Szene“, aber auf Dauer könnte eine kluge neue Flüchtlingspolitik der alten sogar in moralischer Hinsicht überlegen sein, „wenn sie vor Ort stärker den wahrhaft Bedürftigen hilft“.
Auch Gabriel belässt es demnach nicht bei einer Forderung nach Begrenzung. Wo Spahn die Fachkräftemigration forcieren will, sucht Gabriel Wege, jenen zur Flucht zu verhelfen, die sich die Schlepper nicht leisten können:
„Zu uns kommen die, die fit genug sind für den Versuch, übers Mittelmeer zu fliehen, und vor allem auch genug Geld für die Menschenhändler haben. Meistens sind es junge Männer. Aus dem Blick geraten jene, die unter den Kriegsfolgen oft so sehr leiden, dass es für sie gar nicht möglich ist, sich an die Außengrenzen der EU zu begeben und um Aufnahme zu bitten. Unter diesen Schwächsten und Ärmsten sind viele Frauen und Kinder, die oft in mehr als miserablen Bedingungen leben. Für diese Gruppe tun wir bislang zu wenig.“
Sigmar Gabriel weicht auch kritischen Fragen nicht aus. Als das RND von ihm wissen möchte, was konkret passieren soll, wenn die Schiffe in Lampedusa oder vor den griechischen Inseln auftauchen, antwortete Gabriel:
„Wir müssen diese Leute dann allesamt in das Land zurückbringen, wo ihr Schiff gestartet ist.“
Henryk M. Broder will das Eingeständnis eines Irrtums
Der Journalist und Publizist Henryk M. Broder, Gründer der „Achse des Guten“ und „Welt“-Autor, kommentierte Gabriels Vorstoß in der „Welt“ mit kritischen Untertönen. So lobt Broder den Politiker zwar für seinen Sinneswandel, erwartet aber auch rückblickende Eingeständnisse:
„Dass ein Politprofi seine Meinung ändert, spricht für ihn. Noch schöner wäre es, wenn er seine Beteiligung an der Verbreitung eines folgenreichen Irrtums zugeben würde.“
Konkret bezieht sich Broder hier auf einen Auftritt Gabriels als Vizekanzler, als er am 15. September 2015 mit einem bierdeckelgroßen „Refugees Welcome“- Button auf dem linken Revers seines Sakkos neben Angela Merkel Platz nahm. Und der erfahrene Journalist der „Welt“ befindet dazu, dass Gabriel sich „vom Strom einer hysterischen Begeisterung (hat) mitreißen lassen“. Er hätte eben nicht „in kritischen Situationen den Überblick behalten“.
Henryk M. Broders Fazit ist dann aber ein versöhnliches:
„Gabriel, der – abgesehen vom Vorsitz der Atlantik-Brücke – derzeit kein öffentliches Amt bekleidet, wird mit seinem Ruf nach einer ‚Wende in der Migrationspolitik‘ nicht nur Zustimmung ernten. Aber – es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und außerdem ist es nicht verboten, aus Fehlern schlauer zu werden.“
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