„Irreguläre Migration beenden, Fachkräfte sichern“: Ampel plant mehrere Migrationsabkommen

Die Ampel hat in den vergangenen Wochen mehrere Migrationsabkommen abgeschlossen. Ministerin Faeser zeigt sich zuversichtlich, dass es schon in Kürze weitere geben könnte. Die Verträge sollen zum einen Rückführungen erleichtern, zum anderen Fachkräfte nach Deutschland bringen.
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Berlin, Deutschland, 18. Mai 2018: Eine Familie geht an der Berliner Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorbei.Foto: Getty Images | Sean Gallup
Von 4. Juni 2024

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Mithilfe von bilateralen Migrationsabkommen will Bundesinnenministerin Nancy Faeser dem Bund Handlungsspielräume in der Einwanderungspolitik zurück erkämpfen. Mit den Vereinbarungen soll auf nationaler Ebene ergänzt werden, was die EU seit etwa einem Jahr mit eigenen Migrationsabkommen anstrebt.

Während die EU-Abkommen darauf abzielen, zu verhindern, dass Asylsuchende die europäischen Küsten erreichen, will Faeser zwei spezifisch deutsche Probleme in den Griff bekommen. Auf der einen Seite will man Menschen ohne Bleiberecht besser in geordneter Weise in ihre Herkunftsländer zurückführen können. Auf der anderen Seite will man Fachkräfte für Deutschland gewinnen – und möglicherweise perspektivisch auch weitere Arbeitskräfte, die der Überalterung gegensteuern könnten.

Bilaterale Migrationsabkommen sollen EU-weite ergänzen

Im „Handelsblatt“ weist die Ministerin auf Migrationsabkommen hin, die man in den vergangenen Monaten mit Georgien, Marokko und Kolumbien abgeschlossen hatte. Schon in Kürze sollen die nächsten Vereinbarungen mit Moldau und Kenia auf dem Programm stehen. Vor allem mit dem Ziel, Fachkräfte zu gewinnen, will man die Kooperation mit Kirgisistan und den Philippinen ausbauen. Gespräche soll es auch mit Ghana geben.

Mit dem früheren Integrationsminister von NRW, Joachim Stamp (FDP), gibt es seit Februar 2023 sogar einen Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für diese Anliegen. Über dessen Aufgaben sagte Faeser damals:

„Es geht uns um ein Gesamtkonzept: um wirtschaftliche Zusammenarbeit und Qualifizierung für den Arbeitsmarkt auf der einen Seite, aber auch konsequente Rückführungen durch die dafür verantwortlichen Bundesländer auf der anderen Seite. Dafür sind Migrationsabkommen ein wichtiger Baustein.“

Über die Inhalte der konkreten Verhandlungen hält die Ministerin sich bedeckt. Die Erarbeitung solcher Abkommen erfordere vor allem Vertraulichkeit, betonte die Ministerin. Häufig geht es um heikle Themen wie die Rücknahme eigener Staatsangehöriger. Gleichzeitig ist kein Land daran interessiert, Talente und qualifizierte Kräfte dauerhaft ans Ausland zu verlieren.

Erstes Abkommen mit Indien zeigt nur geringe Auswirkungen

Die erste bilaterale Vereinbarung jener Art, wie sie Faeser und Stamp vorschwebt, stammt aus dem Dezember 2022. Partner war Indien – immerhin das zahlenmäßig weltgrößte Auswanderungsland. Allein im Jahr 2020 hatten 17,9 Millionen Menschen das Land verlassen, um im Ausland einer Beschäftigung nachzugehen.

Die Zahl der in Deutschland lebenden indischen Staatsangehörigen ist im Steigen begriffen. In den vergangenen zehn Jahren hatte sie sich auf etwa 246.000 fast verdreifacht. Allerdings gehört Deutschland traditionell nicht zu den bevorzugten Zielländern indischer Auswanderer.

Mitte der 2010er-Jahre waren 44,1 Prozent der im Ausland beschäftigten Inder in den Golfstaaten tätig. Die meisten davon waren gering qualifizierte Arbeitskräfte. Aber auch Südasien (20,5 Prozent) und Nordamerika (18,2 Prozent) spielten für indische Auswanderer, hier meist hoch qualifizierte, eine größere Rolle als die damalige 28er-EU (8,0 Prozent).

Die Bedeutung der EU für Inder hat sich seit dem Brexit nicht wesentlich erhöht. Fast 75 Prozent der 2015 dort ansässigen Inder lebten im Vereinigten Königreich. Grundsätzlich gilt, dass Auswanderer vorrangig Zielländer ansteuern, in denen es bereits nennenswerte Communitys von Landsleuten gibt. Deshalb wandern Türken vorrangig nach Deutschland oder Österreich, Pakistaner demgegenüber vor allem nach Großbritannien aus.

Von Anfang Dezember 2022 bis Ende März 2023 sind auf der Grundlage des Abkommens 13 von etwa 5.000 sich unerlaubt aufhaltender Inder von Deutschland in ihr Herkunftsland zurückgeführt worden.

Welche realistischen Erfolgsaussichten haben die Migrationsabkommen?

Ob die Offensive in Richtung Migrationsabkommen die gewünschten Erfolge für die Bundesregierung bringen wird, bleibt ungewiss. Die Fachkräftegewinnung wird davon abhängen, ob es Deutschland gelingen wird, diesen ausreichend attraktive Perspektiven zu bieten.

Zwar bietet das Land Angehörigen mehrerer potenzieller Partner deutlich bessere Löhne und Arbeitsbedingungen als viele Länder, die bislang primäre Zielländer ihrer Staatsbürger darstellen. Dies betrifft beispielsweise Arbeitskräfte aus Ländern wie Kenia oder den Philippinen. Tausende Frauen aus diesen Ländern sind derzeit in Saudi-Arabien oder Kuwait tätig – schlecht bezahlt, oft mit nur auf dem Papier bestehendem Gesundheitsschutz und häufig von Übergriffen bedroht. Aber auch in EU-Ländern wie Polen sind adäquate Bedingungen häufig nicht gewährleistet, etwa bei Beschäftigten im Transportgewerbe, in der Fischerei oder auf Geflügelfarmen.

Allerdings konkurriert Deutschland als potenzielles Zielland auch mit Ländern wie den USA oder Großbritannien. Vor allem für gut ausgebildete Arbeitskräfte sind diese häufig attraktiver. Ein Problem sind auch hohe Lebenshaltungs- und Energiekosten, die gerade für Beschäftigte im Niedriglohnsegment zur Belastung werden.

Keine Vereinbarungen mit Hauptherkunftsländern in Sicht

Auch bezüglich der geordneten Rückführung abgelehnter Asylbewerber haben die geplanten Migrationsabkommen einen potenziellen Schönheitsfehler. Dieser besteht darin, dass es sich bei den wenigsten Ländern, mit denen die Bundesregierung derzeit Abkommen ins Auge fasst, um signifikante Asyl-Herkunftsländer handelt.

Aus Georgien und Moldau kam in den vergangenen Jahren immerhin jeweils eine vierstellige Zahl an Asylsuchenden – bei einer Anerkennungsquote im Null-Komma-Bereich. Eine gewisse Entlastung können auch Abkommen mit Marokko und Kenia bringen, die zumindest als Transitländer für Asylsuchende eine gewisse Rolle spielen.

Kolumbien ist zwar ein Zielland für eine Vielzahl an Flüchtlingen, insbesondere aus Venezuela, dennoch bewegt sich die Zahl der Asylsuchenden, die von dort jährlich nach Deutschland kommen, im dreistelligen bis niedrigen vierstelligen Bereich. Die Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden in Deutschland bleiben jedoch Syrien, Afghanistan, die Türkei, der Irak und Somalia. Im Fall von Syrien und Afghanistan scheitert ein mögliches Migrationsabkommen bereits im Ansatz – am Fehlen diplomatischer Beziehungen zu den jeweiligen Regierungen.



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