Intrigenverdacht im Grünen-Kreisverband Pankow: Wurde Gelbhaar für Audretsch geopfert?
Knapp fünf Wochen vor der Bundestagswahl sorgt der Fall um den Bundesabgeordneten Stefan Gelbhaar (Grüne) in der Parteizentrale für viel Ärger. Es steht der Verdacht im Raum, dass der Berliner Anwalt das Opfer einer parteiinternen Intrige geworden sein könnte.
Gelbhaar hatte Mitte Dezember 2024 auf eine erneute Kandidatur für die Bundestagswahl verzichtet, nachdem sein Kreisverband Berlin-Pankow ihn wegen mehrerer Belästigungsvorwürfe dazu aufgefordert hatte. Auf dem ursprünglich für Gelbhaar vorgesehenen, nahezu sicheren Listenplatz Nummer zwei wurde schließlich Andreas Audretsch gewählt, der Wahlkampfmanager der Grünen.
Gelbhaar hatte damals noch eine zweite Option in der Hinterhand, nämlich die Direktkandidatur, die er Mitte November mit 98,4 Prozent gewonnen hatte. Doch der Kreisverband ließ vor dem Hintergrund der Belästigungsvorwürfe am 8. Januar noch einmal darüber abstimmen. Dieses Mal gewann Ersatzkandidatin Julia Schneider. Gelbhaars Zeit im Bundestag läuft damit am 23. Februar ab. Der Familienvater gehörte dem Parlament seit 2017 an.
Gefälschte Opferidentität?
Bereits am Freitag, 17. Januar, hatte sich herausgestellt, dass Gelbhaar vor seinem Rückzug womöglich zu Unrecht unter Druck gesetzt worden sein könnte. Denn wie David Biesinger, Chefredakteur des „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (rbb), einräumte, beruhte jener inzwischen entfernte rbb-Bericht, der die Vorwürfe gegen Gelbhaar am 31. Dezember noch einmal zusammengefasst hatte, auch auf eidesstattlichen Versicherungen einer höchstwahrscheinlich erfundenen Opferfigur.
„Bei einer Frau gab es nun Zweifel an der Identität. rbb-Recherchen weisen auf Betrug hin“, heißt es nun beim rbb zur „Wende im Fall Stefan Gelbhaar“. Der Betroffene selbst hatte die Anschuldigungen stets als „verleumderisch und ausnahmslos unwahr“ zurückgewiesen und seine Unschuld auf seiner privaten Website beteuert.
Zuletzt hatte der rbb Fehler in der Berichterstattung über den Fall eingeräumt. Wochenlang hatte der RBB über angebliche Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar berichtet.
Parteikolleginnen positionieren sich pro Gelbhaar
Paula Piechotta, die Vorsitzende der Landesgruppe Ost der Grünen-Bundestagsfraktion, ergriff im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) Partei für den nun mit leeren Händen dastehenden Gelbhaar: „Mir persönlich wäre es ein Anliegen, dass er nach Klärung aller Vorwürfe rehabilitiert wird.“ Der Fall sei „ein Beispiel dafür, wie hart und ungerecht Politik sein“ könne.
Kerstin Müller, die frühere Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, wurde noch deutlicher: „Es bestätigt sich immer mehr, dass hier wahrscheinlich mit einer Intrige eine nicht genehme Person beschädigt und aus dem Verkehr gezogen werden sollte“, so Müller ebenfalls gegenüber dem RND.
Die Epoch Times schickte der grünen Parteizentrale am Vormittag des 20. Januar einen umfangreichen Fragenkatalog. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung blieb er unbeantwortet.
Vorstand plant Strafanzeige
Der Grünen-Vorstand plant nun in der Causa Stefan Gelbhaar Strafanzeige zu erstatten. Das teilte Grünen-Chef Felix Banaszak am Montag in Berlin mit.
Am Samstag habe man bereits angekündigt, „ein Parteiausschlussverfahren und weitere parteirechtliche Konsequenzen gegen die in Rede stehende Person einzuleiten“. Das habe sich allerdings durch den Austritt des betreffenden Parteimitglieds erledigt, fügte der Parteichef hinzu.
Man sei „persönlich betroffen und erschüttert“. „Ein solches Verhalten, das von krimineller Energie und Niedertracht geprägt ist, hat in unserer Partei keinen Platz“, so Banaszak weiter. Gelbhaar sei durch die mutmaßlichen Falschaussagen zu seinen Lasten und die Berichterstattung darüber Schaden zugefügt worden. „Wir bedauern das ausdrücklich.“
Habeck verlangt „schnelle Aufklärung“, Baerbock stellt sich vor Audretsch
Nachdem der grüne Kanzlerkandidat, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, zunächst Fragen aus dem Weg gegangen war, brach er der „Welt“ zufolge am Montag sein Schweigen: „Es muss unbedingt schnell und rücksichtslos aufgeklärt werden, was da eigentlich passiert ist und auch die Konsequenzen gezogen werden.“
Seine Parteikollegin Annalena Baerbock (Grüne) hatte am Sonntagabend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ auf die Rolle des rbb verwiesen, der „zur ganzen Geschichte“ dazugehöre. „Der Wahlkampfmanager hat damit auch nichts zu tun“, stellte sich Baerbock vor Audretsch.
Audretsch selbst stritt auf Anfrage der „Bild“ jegliche Verantwortung ab: „Ich weiß nicht, welche Frauen Vorwürfe erhoben haben und habe mit dem gesamten Vorgang nichts zu tun.“
Der Vizefraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Audretsch, avancierte zum Wahlkampfmanager ohne eigenen Sitz im Vorstand. Wie aus seinem LinkedIn-Profil hervorgeht, hatte er zwischen September 2006 und August 2015 nebenberuflich als Hörfunkjournalist und Sprecher gearbeitet – auch für den rbb.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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