Interne E-Mails belasten Habeck: Wurde der Kernkraftausstieg politisch gesteuert?

Seit Juli besteht der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Entscheidungsfindung zum Kernkraftausstieg im Jahr 2022. Neue Dokumente werfen nun Fragen auf, ob Spitzenbeamte aus grün geführten Ministerien eine offene und ergebnisneutrale Prüfung verhindert haben.
Das Kernkraftwerk Isar 2 wurde im April 2023 als eines der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. (Archivbild)
Das Kernkraftwerk Isar 2 wurde im April 2023 als eines der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet.Foto: Armin Weigel/dpa
Von 22. September 2024

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Im Juli hatte sich der 2. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages in der laufenden Wahlperiode konstituiert. Er soll sich mit den Umständen und der Entscheidungsfindung zum Kernkraftausstieg während des Jahres 2022 befassen.

Im Raum steht der Verdacht, Spitzenbeamte in grün geführten Ministerien könnten eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung obstruiert haben. Dies hatte bereits die Zeitschrift „Cicero“ im Frühjahr auf Grundlage freigeklagter Dokumente berichtet.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) will nun in den Besitz weiterer Dokumente gelangt sein, die diese Annahme erhärten sollen. So soll insbesondere der im Mai 2023 nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft zurückgetretene Staatssekretär Patrick Graichen der Fachebene recht eindeutige Vorgaben gemacht haben.

Grüne Ministerien sollten Erkenntnisse zur Bedeutung der Kernkraft zusammentragen

Das Blatt verweist dabei vornehmlich auf eine interne E-Mail vom 1. März 2022. Diese war an das Stromreferat gerichtet, das die Lage nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine eine Woche zuvor am 24. Februar mit Blick auf die Versorgungssicherheit evaluieren sollte.

Speziell sollte die Abteilung dabei eine Einschätzung zur Rolle der Kernenergie geben. Unterzeichnet hatte die Nachricht die persönliche Referentin Graichens.

Die E-Mail nahm Bezug auf einen ersten Vermerk des Fachreferats, der sich zu diesem Zeitpunkt offenbar schon im Entwurfsstadium befand. Bis zum 4. März soll diese den Vermerk demnach „in die Hand nehmen“.

Es wird eine Zuarbeit des Bundesministeriums für Umwelt- und Verbraucherschutz (BMUV) angekündigt, die noch zu integrieren sei. Dieses wird von der Grünen-Umweltministerin Steffi Lemke geleitet.

Allerdings übermittelt die Graichen-Referentin der Fachabteilung auch einen Hinweis bezüglich des Vermerks selbst. Sie weist darauf hin, dass „Kern unseres Vermerks eine energiewirtschaftliche und -politische Bewertung des Weiterlaufens der AKW“ sein solle.

War die E-Mail aus dem Graichen-Büro ein Wink mit dem Zaunpfahl?

Aus dieser las die FAZ wiederum einen klaren Hinweis auf eine bestimmte Erwartung heraus. So hieß es in dem Schreiben, das sich bereits zuvor auf das Ministerbüro und Staatssekretär Graichen bezogen hatte:

„Patrick [Graichen] bittet insbesondere darum, darzustellen, wie wir auch ohne die drei in Rede stehenden Atomkraftwerke die Versorgungssicherheit sichern können.“

Diese E-Mail wirft zum einen die Frage auf, welchen Zweck dieser Hinweis verfolgen sollte – wenn nicht jenen, dem Fachreferat einen Wink mit dem Zaunpfahl bezüglich eines gewünschten Ergebnisses zu geben.

Zum anderen stellt die Erwähnung des „Ministerbüros“ eine Darstellung von Minister Robert Habeck infrage. Dieser hatte vor dem Energieausschuss des Bundestages im April 2024 ausgesagt, er habe den Fachtext nicht gekannt.

Vielmehr sei dieser nur ein Entwurf gewesen, der nicht mit anderen Referaten abgestimmt gewesen sei. Graichen habe dieser gar nicht auf dem üblichen Dienstweg erreicht.

Allerdings gibt es zumindest belastbare Hinweise, dass Habeck zumindest gewusst habe, dass ein Vermerk durch das Fachreferat in Auftrag gegeben wurde. Er selbst hatte am 27. Februar angekündigt, die Frage der Versorgungssicherheit „ohne Denktabus“ prüfen zu lassen.

Der Vermerk enthielt gewichtige Argumente für Laufzeitverlängerung

Die Fachabteilung soll sich angesichts der Nachricht irritiert gezeigt haben ob der Erwähnung einer „politischen Bewertung“, der sich diese explizit enthalten wollte. Graichens Büro soll daraufhin klargestellt haben, dass diese nicht von der Fachabteilung selbst erwartet, sondern der Staatssekretär selbst diese vornehmen werde.

Der Vermerk der Fachabteilung, den diese am 3. März Graichen zugänglich machte, kam zu einem eindeutigen Ergebnis. Mit Blick auf die Energieknappheit und drohende Preisexplosion wurde ein Streckbetrieb der KKW als hilfreiche Option skizziert. Eine Laufzeitverlängerung zumindest bis Ende März 2023 wäre zumindest eine sinnvolle Vorsorgemaßnahme, um die Notwendigkeit einer Gasverstromung zu minimieren.

Außerdem würde Strom aus Kernkraft mehr günstige Angebote auf den Strommärkten schaffen, was gemäß dem Merit-Order-Prinzip den Einfluss teurerer Kohle- und Gaskraftwerke verringern würde. Die Redispatchkosten zum Ausgleich von Marktungleichgewichten aufgrund zu hoher oder zu niedriger Strommengen durch Erneuerbare würden ebenfalls gering gehalten.

Der Sicherung der Versorgung zu bezahlbaren Preisen wäre eine Laufzeitverlängerung im Bereich der Kernkraft zumindest nicht abträglich, so die Schlussfolgerung.

Grüne leisteten weiterhin Widerstand gegen Verlängerung der Kernkraft

Dennoch preschten die Staatssekretäre Graichen und Stefan Tidow aus dem BMUV mit einem Papier an die Öffentlichkeit, das der Kernkraft eine wenig bedeutende Rolle für die Versorgungssicherheit attestierte.

Im Papier mit dem Namen „Prüfung des Weiterbetriebs von Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs“ vom 8. März 2022 machte sich die Bundesregierung dieses zu eigen.

Habeck hatte in den Tagen zuvor noch einige Fragen zur Klärung an die Staatssekretäre gerichtet, um Feedback zu erhalten, was konkret in einer Gesamtabwägung gegen eine Laufzeitverlängerung spreche.

Am Ende war vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums die Rede davon, dass die Betreiber selbst von einer Laufzeitverlängerung nicht überzeugt wären – und diese für technisch nicht machbar hielten.

So sei etwa der Weiterbetrieb mit den vorhandenen Brennstäben nicht mehr möglich. Dieser Darstellung traten später Entscheidungsträger wie der damalige E.ON-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley entgegen.

Trotz der Zusicherung Habecks, angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen der Krise unideologische Entscheidungen in der Frage der Energieversorgung zu treffen, leisteten die Grünen hinhaltenden Widerstand gegen einen Weiterbetrieb der KKW.

Dies sogar noch zu einem Zeitpunkt, da Habeck selbst eine solche nicht mehr ausschließen wollte. Die FDP forderte eine mindestens mehrjährige Laufzeitverlängerung. Am Ende setzte Bundeskanzler Olaf Scholz unter Ausübung seiner Richtlinienkompetenz eine Verlängerung bis 15. April 2023 durch.



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