Intensivbetten vorhanden, Personal fehlt – Intensivmediziner: „Wir werden das mit Sicherheit schaffen“

Die deutschen Kliniken bereiten sich auf die Absage von Operationen vor, um einen möglichen Ansturm von Corona-Intensivpatienten bewältigen zu können. Die deutschen Intensivmediziner in den Krankenhäusern sehen sich gut auf den Winter vorbereitet. "Wir werden das mit Sicherheit schaffen", so der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin.
Titelbild
Beatmungsgeräte im Allgemeinen Krankenhaus Viersen in Nordrhein-Westfalen. Symbolbild.Foto: Roland Weihrauch/dpa/dpa
Epoch Times19. Oktober 2020

Trotz steigender Corona-Infektionszahlen halten deutsche Intensivmediziner die Krankenhäuser für gut auf den Winter vorbereitet. „Wir werden das mit Sicherheit schaffen“, sagte Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bei einer Online-Veranstaltung am Montag. „Panikmache“ bringe überhaupt nichts. „Alle großen Krankenhäuser haben die Pläne in der Schublade.“

Janssens: Steuerung der Patienten entscheidend, um Überlastungen zu vermeiden

Nach seiner Einschätzung ist eine gute Steuerung der Patienten entscheidend, um „regionale Ballungen“ und Überlastungen zu vermeiden. Wie auch an der Berliner Charité gebe es in Hessen bereits klare Pläne zur Verteilung der Patienten. „Das ist meiner Ansicht nach eine Blaupause für viele andere Bundesländer“, sagte DIVI-Präsident Janssens.

Gleichzeitig trage jeder einzelne Verantwortung dafür, Infektionsketten zu unterbrechen. Ziel sei es, das Infektionsgeschehen nicht in die Kliniken zu verlagern, erklärte Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der Klinik Schwabing in München. Ein „Stresstest“ dürfe nicht provoziert werden.

Aller Voraussicht nach werde das Infektionsgeschehen die Krankenhäuser im Herbst und Winter „fordern, aber nicht überfordern“, sagte Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen von der Technischen Universität Berlin.

DIVI-Chef: Verfügbarkeit von persönlicher Schutzausrüstung jetzt besser als im Frühjahr

Janssens sorgt sich allerdings bezüglich der personellen Ausstattung auf Intensivstationen. An dieser habe sich seit dem Frühjahr „wenig getan“. Auf die Frage an die Politik, woher ausreichend Personal kommen solle, habe man keine Antwort bekommen.

Besser als im Frühjahr sei hingegen jetzt die Verfügbarkeit von persönlicher Schutzausrüstung für die Bediensteten, so Janssens. Um mehr Personal verfügbar zu machen, könnten innerhalb von 24 bis 72 Stunden Operationen abgesagt werden.

Die dann freiwerdenden Anästhesisten hätten auch eine passende Ausbildung für die Arbeit auf einer Intensivstation, sagte der DIVI-Chef.

Personalmangel am Berliner Charité und der Uni-Klinik Frankfurt

Auch die Berliner Charité und die Universitätsklinik in Frankfurt am Main haben vor einem Personalmangel auf Intensivstationen aufgrund des befürchteten Anstiegs von COVID-19-Patienten gewarnt. Der an der Charité für das Personalmanagement verantwortliche Ulrich Frei sagte am Freitag (16. Oktober) in Berlin, es gebe „einen absoluten Mangel an Intensivpflegekräften schon seit langer Zeit“. Es gebe genügend Intensivbetten, aber nicht das Personal dazu.

Der Vorstandschef der Uniklinik in Frankfurt am Main, Jürgen Graf, sagte, es sei die „zentrale Herausforderung“ in der Corona-Pandemie, die tatsächlich benötigten Ressourcen bereit zu stellen. Zur Anzahl der betriebsfähigen Intensivbetten zählten aber nicht nur die vorhandenen Betten und Beatmungsgeräte, sondern auch das zur Behandlung nötige Personal. Dieses fehle, ohne Personal seien die vorhandenen Betten aber nicht betriebsfähig.

Frei sagte, in den Kliniken der Charité seien die Intensivstationen derzeit voll mit Patienten, die noch von den im Frühjahr verschobenen Operationen kommen. Damit gebe es jetzt aber nicht mehr den Spielraum, der noch im Frühjahr vorhanden war. Es stehe wegen der steigenden Infektionszahlen nun die schwierige Aufgabe an, wieder planbare Operationen zu verschieben, um die Intensivstationen leer zu bekommen. Hier stünden auch ethisch schwierige Fragen an, etwa Herz- oder Tumorpatienten betreffend.

Während der von der Weltgesundheitsorganisation ausgerufenen Corona-Pandemie waren weltweit Millionen operative Eingriffe aufgeschoben. Für eine im Mai veröffentlichte Studie hatten Wissenschaftler von der Universität Birmingham die Daten von 359 Krankenhäusern in 71 Ländern zu den abgesagten Eingriffen gesammelt. Daraus erstellten sie ein Modell für rund 190 Staaten weltweit und kamen zu dem Ergebnis, dass jede zusätzliche Woche, in der die Coronakrise den normalen Krankenhausalltag umwirft, weltweit zu etwa 2,4 Millionen weiteren OP-Aufschüben führt.

Intensivpatienten mit COVID-19-Diagnose

In Anbetracht der steigenden Anzahl positiv getesteter Personen ist unklar, wie viele dieser Menschen überhaupt COVID-19-Symptome haben und erkranken.

Ein Blick in das DIVI-Intensivbettenregister zeigt, dass in Deutschland insgesamt 770 als COVID-19-Fälle eingestufte Patienten intensivmedizinisch betreut werden, 354 davon werden invasiv beatmet.

Auszug aus DIVI-Intensivbettenregister vom 19.10.20. Foto: Screenshot

Im Vergleich mit den übrigen intensivmedizinisch betreuten Patienten ergibt sich laut DIVI folgende Übersicht für ganz Deutschland, wobei die untere braune Linie die Anzahl der COVID-19-Intensivpatienten zeigt:

DIVI-Intensivbettenregister. Foto: Screenshot

Aus dem DIVI-Intensivbettenregister geht hervor, dass im Bedarfsfall neben den bestehenden Intensivbetten eine Notreserve von 12.383 Intensivbetten besteht, die im Bedarfsfall innerhalb von sieben Tagen bereitgestellt werden können. (afp/dts/dpa/sua)

 

 



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