Integrationshelfer berichten: Nur einer von 150 Flüchtlingen bekommt Ausbildungsplatz
„Selbst die Fittesten schaffen es nicht“, sagt Johannes Fischer, der Leiter des Kreisjugendamts Rosenheim. Er betreut seit einem Jahr besonders viele „unbegleitete Minderjährige“ für deren Integration er zuständig ist. Nur einer von hundert bis hundertfünfzig Flüchtlingen schafft es, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, sagt er. Der Report der FAZ ging der Frage nach, warum das so ist. Viele der jungen Menschen seien hoch motiviert, so die Helfer einstimmig. Doch zwischen ihrem Bildungsniveau und den deutschen Erfordernissen liegen Welten.
Im Jahr 2015 nahmen der Kreis und die Stadt Rosenheim insgesamt 4800 unbegleitete Minderjährige auf. Im Jahr 2014 waren es noch rund 650 gewesen. Insgesamt gab es laut FAZ-Artikel Ende Januar 67.000 solcher jungen Flüchtlinge und Migranten in Deutschland. Unter den unbegleiteten Minderjährigen sind kaum Syrer, die mit den deutschen Gegebenheiten noch etwas besser kompatibel seien als Afghanen oder Afrikaner aus Somalia und Eritrea.
Konfrontation mit der deutschen Arbeitswelt
Die „Junge Arbeit“ zum Beispiel bietet „jungen Menschen eine Möglichkeit in die Arbeitswelt zu starten“ – in Kooperation mit der Agentur für Arbeit, Jobcentern, Jugendämtern und Kommunen. Se betreut in Rosenheim 30 junge Flüchtlinge zusätzlich zu fast 200 deutschen Schwererziehbaren oder Lernbehinderten.
Die örtliche Wirtschaft bot 2200 freie Ausbildungs-Plätze in Stadt und Landkreis im Jahr 2015 und hofft ebenfalls, dass junge Flüchtlinge „zur Lösung des Azubimangels“ beitragen können.
Die Mitarbeiter der „Jungen Arbeit“ berichten nun, dass sie es mit „engagierten, höflichen, dankbaren jungen Menschen zu tun“ hatten, die da kamen – hochmotiviert die deutsche Sprache zu lernen. „Aber in den vergangenen Monaten sind uns jeden Tag die Augen aufgegangen“, sagte Astrid Langenegger, Ko-Geschäftsführerin der Initiative in der FAZ „Bei rund 80 Prozent der Jugendlichen fehlen fast komplett neun Jahre Schulbildung. Eine Ausbildung ist eigentlich nicht realistisch“, sagt sie.
Auch ihr Ko-Geschäftsführer Hans Mitterer sagt: „Motivation ist toll, ersetzt aber keine Schulbildung.“Die Somalier, Eritreer und Afghanen mit denen sie zu tun haben kennen eine völlig andere Arbeitskultur. Für die meisten sei es schon zu schwer, in den Praktika zwei Tage à acht Stunden die Woche zu arbeiten. „Die wissen gar nicht, wie Arbeit läuft“, so Langenegger.
Praktika durchlaufen die Jugendlichen in unterschiedlichen Betrieben: In Küchenhilfe, Altenpflege, Supermarkt, Friseur, Autowerkstatt.
Sie wollen schnelles Geld verdienen
Auch berichten die Rosenheimer von Jugendlichen, die in ihrer Heimat mal zwei Wochen einem Friseur zugeschaut hatten und danach selbst als Friseur arbeiteten. Diese verstehen nun nicht, warum es in Deutschland anders läuft – und sie erst nur Haare waschen dürfen und eine lange Ausbildung durchlaufen müssen, bis sie Geld verdienen können. Schließlich hätten sie viel Geld gezahlt, um nach Deutschland zu kommen und ihre Familien zu Hause warten auf den finanziellen Erfolg …
„Die schmeißen den Bettel hin, sobald sie sehen, dass sie keine Perspektive haben, schnell Geld zu verdienen“, erklärt Fischer. „Ein Fünftel“ der Leute haue ab, sagt er – vermutlich in Großstädte oder nach Skandinavien. „Wir dürfen sie nicht aufhalten – und es würde auch nichts bringen.“
Prüfungen zu komplex
Fischer schließt Berufsschule für die allermeisten Kandidaten aus. Es sei nicht möglich, dass Menschen in drei Monaten lernen, was man sich hierzulande in neun Schuljahren aneignet. Schon das nötige Sprachkursniveau B2 (Verständnis für Hauptinhalte von Texten zu abstrakten Themen) sei für viele „intellektuell nicht erreichbar“. Der Traum vom Studium, den einige hätten, sei „nicht mal am Horizont“, so Fischer. Er sieht lediglich bei Migrantenkindern im Grundschulalter die Chance, dass sie den Anschluss schaffen. Und Mitterer fügt hinzu: „Die komplexe deutsche Welt können wir denen nicht beibringen.“
Aber ist es nicht doch möglich, eine Ausbildung zu machen?
Von 100 bis 150 unbegleiteten Minderjährigen schafft dies laut Fischer einer. Für die meisten seien die Ausbildungsstandards deutlich zu hoch. Auch wenn manche den praktischen Teil bestehen könnten, scheitern sie am theoretischen Teil. Die Rosenheimer Helfer warnen jedoch davor, mit „zweierlei Maß zu messen“ und die Ausbildungsstandards zu senken, da dies auch für schwächere deutsche Jugendliche nicht geschehe. „Zwischenabschlüsse“ oder „Module“, die machbar seien, könnten eine Chance sein, schlägt Fischer vor. Eine Art abgespeckte Ausbildung mit mehr Zeit, Sprachförderung und sozialer Betreuung.
(rf)
Link zum Original-Report der FAZ
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