Insolvenzwelle rollt: Droht der Kollaps der Krankenhausversorgung?

Die finanzielle Lage der deutschen Krankenhäuser ist dramatisch, immer mehr stehen vor der Insolvenz. Steigende Kosten und unzureichende Finanzierung verschärfen die Krise. Experten warnen vor Klinikschließungen und Engpässen in der Patientenversorgung.
Für bestimmte Leistungen wie Notaufnahmen soll es Zuschläge geben. (Archivbild)
Immer mehr Krankenhäuser geraten in finanzielle Schieflage. (Archivbild)Foto: Frank Hammerschmidt/dpa
Von 10. Februar 2025

Fast jedes sechste Krankenhaus in Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist insolvent. Das sagte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt Ende Januar der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).

Betroffen, so Hasselfeldt, seien fünf Standorte in Rheinland-Pfalz und einer in Hessen. 38 Krankenhäuser betreibt das DRK insgesamt. Hasselfeldt führt gegenüber der NOZ weiter aus, dass auch für andere Einrichtungen im DRK-Verbund die finanzielle Lage schwierig sei.

Krankenhäuser in der Insolvenz

Was die DRK-Präsidentin schildert, ist keine Situation, die lediglich das Deutsche Rote Kreuz betrifft. Laut dem „Krankenhaus-Barometer 2024“, den das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) jährlich veröffentlicht, war die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser in Deutschland noch nie so dramatisch wie im letzten Jahr. So mussten, laut Verbandsangaben, im vergangenen Jahr mindestens 24 Krankenhäuser Insolvenz anmelden. Von Januar bis November 2024 wurden 18 neue Insolvenzverfahren eröffnet. Drei Krankenhäuser mussten in diesem Zusammenhang bereits geschlossen werden. Mindestens sechs weitere Insolvenzverfahren, so der Verband, kommen zu den 18 Verfahren hinzu, was die angegebenen 24 Krankenhäuser ausmacht.

Unter anderem musste im Oktober das Krankenhaus Norderney einen Insolvenzantrag stellen, wie der NDR berichtet. Das Krankenhaus auf der ostfriesischen Insel ist die einzige Akutklinik dort. Wie die Stadt Norderney laut NDR mitteilte, sei für sie die Nachricht der Klinikinsolvenz völlig überraschend gekommen und stelle die „bisherigen Bemühungen und stets erklärte Bereitschaft, das Krankenhaus in schwierigen Zeiten zu unterstützen, vor neue Herausforderungen“. Bürgermeister Frank Ulrichs (SPD) äußerte sich enttäuscht darüber, erst im Nachhinein informiert worden zu sein.

In Rheinland-Pfalz folgten Anfang Dezember fünf DRK-Kliniken der Standorte Alzey, Altenkirchen, Hachenburg, Kirchen und Neuwied. Ursprünglich hatten diese Kliniken gerade erst im August ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung erfolgreich abgeschlossen. Gericht und Gläubiger hatten damals einen Insolvenzplan abgestimmt. Im Dezember sah sich die DRK-Trägergesellschaft Süd-West offenbar Millionenforderungen der Rheinischen Zusatzversorgungskasse (RZVK) gegenüber und konnte deshalb die Verpflichtungen auf betriebliche Altersversorgung gegenüber einem Teil ihrer Belegschaft nicht erfüllen. Deswegen entschieden sich die Betreiber der Klinikstandorte für einen Gang in die Insolvenz.

Am vergangenen Donnerstag teilte das DRK dann überraschend mit, dass es sich in Rheinland-Pfalz vollkommen aus der Krankenhausversorgung zurückziehen werde. „Es ist eine Entscheidung, die ans Herz geht, aber am Schluss hat es nicht mehr gereicht“, sagte Manuel González, Aufsichtsratsvorsitzender der Krankenhausgesellschaft und Landesvorstand DRK in Rheinland-Pfalz, gegenüber dem SWR.

Gleichzeitig weitet die DRK Trägergesellschaft das Insolvenzverfahren auf sechs weitere Klinikstandorte aus: die Tageskliniken Bad Kreuznach und Worms, die Fachklinik in Bad Neuenahr, das DRK Schmerzzentrum Mainz samt Tochtergesellschaft im saarländischen Mettlach sowie die DRK Kamillus Klinik Asbach im Westerwald.

Von den im Jahr 2024 begonnenen Insolvenzverfahren wurden das St. Marien Krankenhaus in Ratingen (Nordrhein-Westfalen), das Marien-Krankenhaus in Lübeck (Schleswig-Holstein) und die Sternbach-Klinik Schleiz in Thüringen geschlossen.

Das Krankenhaus in Neuhaus am Rennweg im thüringischen Kreis Sonneberg hat am 6. Dezember des vergangenen Jahres geschlossen. Die Klinik soll fortan als ein ambulantes Gesundheitszentrum mit mehreren Arztpraxen genutzt werden, wie der mdr berichtete. Landrat Robert Sesselmann (AfD) hatte im Dezember den Schritt gegenüber dem mdr verteidigt. Ohne die Schließung hätte womöglich die gesamte Krankenhausversorgung im Landkreis auf der Kippe gestanden, so Sesselmann.

80 Prozent unbefriedigende wirtschaftliche Lage

Vielen Krankenhäusern geht es wirtschaftlich schlecht. Der „Krankenhaus Rating Report 2024“ des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung zeigte im Juni letzten Jahres auf, dass etwa zehn Prozent der Krankenhäuser in Deutschland im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr liegen. Knapp 20 Prozent liegen im gelben und 70 Prozent im grünen Bereich. Im Jahr 2023 waren noch 11 Prozent und im Jahr 2022 sieben Prozent der Kliniken im roten Bereich.

Dramatischer stellt sich die wirtschaftliche Lage von Krankenhäusern im Krankenhaus-Barometer dar. So haben seit der Einführung der Fallpauschalen im Jahr 2003 noch nie so viele Krankenhäuser Verluste verzeichnet wie im Jahr 2023. Die Erhebung der Deutschen Krankenhausgesellschaft spricht von 61 Prozent der deutschen Krankenhäuser. Im Jahr 2024 erreichten Kliniken mit einer „unbefriedigenden wirtschaftlichen Lage“ einen Höchststand von 80 Prozent, wie das Barometer weiter ausweist. Lediglich fünf Prozent der Krankenhäuser in Deutschland befinden sich in einer guten wirtschaftlichen Lage. Für das Jahr 2024 gehen 79 Prozent der Krankenhäuser von einem negativen Jahresergebnis aus. Zwei Drittel der Häuser erwarten für 2025, dass sich ihre wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert.

Wo liegen aber die Ursachen? Laut DKI-Umfrage würden sich hauptsächlich gestiegene Personal- und Sachkosten bei 88 Prozent der Krankenhäuser stark oder sehr stark auf die Liquiditätssituation auswirken. Sie seien deshalb teilweise auf die finanzielle Unterstützung ihrer Träger angewiesen, um die „Liquiditäts- und Insolvenzrisiken abzufangen und notwendige Investitionen finanzieren zu können“.

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, warnt eindringlich vor der sich zuspitzenden Lage der Krankenhäuser in Deutschland. „Die Situation der Krankenhäuser nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an“, betonte er in der Pressemitteilung zur Erhebung im Dezember. Die Umfrage unter den deutschen Krankenhäusern zeige „klar und deutlich, wie dramatisch die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser ist“.

Ein Hauptproblem sei die seit Jahrzehnten anhaltende Unterfinanzierung der Kliniken. Neben einer mangelhaften Investitionsförderung fehle vor allem ein Inflationsausgleich. „Kliniken dürfen ihre Preise nicht eigenverantwortlich an die Inflation anpassen, haben aber dieselben erhöhten Ausgaben wie alle anderen Wirtschaftszweige“, so Gaß weiter. Diese finanzielle Schieflage werde im kommenden Jahr viele Krankenhausträger zu drastischen Konsolidierungsmaßnahmen zwingen, was auch negative Auswirkungen auf die regionale Patientenversorgung haben werde. Schon jetzt seien solche Folgen spürbar: Krankenhäuser sähen sich gezwungen, Einschnitte in der Versorgung vorzunehmen – oft ohne Abstimmung mit der Krankenhausplanung der Länder.

Finanzierung grundlegend verändert

Krankenhäuser finanzieren sich vor allem über die sogenannten Fallpauschalen. Fallpauschalen (DRG) sind ein Vergütungssystem, bei dem Krankenhäuser für Behandlungen feste Beträge erhalten, unabhängig von den tatsächlichen Kosten. Komplexe oder langwierige Fälle können dadurch finanziell defizitär sein. Die Pauschalen werden nicht automatisch an Inflation oder steigende Betriebskosten angepasst, was ein Grund für die Herausforderungen der Krankenhäuser ist.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat deshalb eine Krankenhausreform auf den Weg gebracht. Die Finanzierung und Struktur der Kliniken sollen, so die Ankündigung auf der Website des Gesundheitsministeriums, grundlegend verändert werden. Ziel der Reform, die im Oktober durch den Bundestag gegangen und zu Jahresbeginn in Kraft getreten ist, soll laut dem Ministerium sein: „Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patientinnen und Patienten, Steigerung der Effizienz in der Krankenhausversorgung sowie Entbürokratisierung.“

Die bisherige Vergütung durch Fallpauschalen soll reduziert werden: Zukünftig sollen 60 Prozent der Zahlungen für das Vorhalten von Personal und Infrastruktur erfolgen, während 40 Prozent weiterhin leistungsabhängig bleiben. Zudem sollen sich Kliniken stärker spezialisieren, um die Behandlungsqualität zu verbessern, während kleinere Krankenhäuser besonders in ländlichen Gebieten erhalten bleiben und zusätzlich ambulante Leistungen anbieten können.

Beschleuniger für Beitragserhöhungen

Es gab aber auch im Vorfeld Kritik an den Plänen von Lauterbach. Die Krankenhausreform sieht einen Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro über zehn Jahre vor, finanziert je zur Hälfte von Bund und Ländern. Der Bund plant, seinen Anteil aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen bereitzustellen. Der GKV-Spitzenverband befürchtet, dass die Beitragszahler belastet werden. „Die Zusatzkosten von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für die gesetzlichen Krankenkassen zur Teilfinanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds wären ein zusätzlicher Beschleuniger für weitere Beitragssatzerhöhungen in den kommenden Jahren“, betonte Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes nach der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag. Die Augen vor den immer größer werdenden Finanzproblemen der gesetzlichen Krankenversicherung zu verschließen, sei keine Zukunftsoption. „Eine undifferenzierte Gießkannenfinanzierung zum Erhalt modernisierungsbedürftiger Strukturen bis zur Umsetzung der Krankenhausreform ist keine Option“, Stoff-Ahnis weiter.

Nach Ansicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) wird die Reform ihre Ziele verfehlen. Ihr Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß sagt im „Deutschlandfunk“ voraus, dass es in den kommenden Jahren trotz Reform zu massiven Problemen bei der Patientenversorgung kommen werde. Das Gesetz stehe „für eine fortgesetzte kalte Marktbereinigung mit wegbrechenden Krankenhausstandorten, den Einstieg in die Rationierung und Wartelistenmedizin, einen gigantischen Bürokratieaufwuchs und planwirtschaftliche Strukturen mit maximaler Zentralisierung“, so Gaß.

Lauterbach: 20 Prozent weniger kein Problem

Dass Krankenhäuser sterben werden, das verneint auch Lauterbach nicht. Rund ein Drittel der Krankenhäuser hätte mit roten Zahlen zu kämpfen, so der Gesundheitsminister im „Deutschlandfunk“. Für die aktuell 1.719 Krankenhäuser gebe es bereits jetzt nicht genug Personal, viele Kliniken seien von Insolvenz bedroht, sagt Bundesgesundheitsminister Lauterbach weiter. Mit seiner Reform will er das erwartete Kliniksterben begrenzen: „Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gibt, diese aber bessere Versorgung bieten, dann ist das aus meiner Sicht richtig.“



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion