INSA: Wagenknecht-Partei hätte Potenzial von 40 Prozent

Einer aktuellen INSA-Umfrage zufolge ist Sahra Wagenknecht im Popularitätshöhenflug. Zehn Prozent würden eine eigene Partei von ihr „sicher“ wählen.
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Sahra Wagenknecht, Autorin und frühere Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke.Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Von 21. Oktober 2022

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Ihre eigene Partei, Die Linke, hadert mit ihr und macht sie für Mitgliederverluste verantwortlich. In der breiten Bevölkerung ist die frühere Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht hingegen beliebt wie nie zuvor. Dies geht zumindest aus einer INSA-Umfrage hervor, die „Bild“ in Auftrag gegeben hat.

Dem Meinungstrend zufolge ist Wagenknecht derzeit auf Platz zwei unter den beliebtesten Politikern in Deutschland. Nur CSU-Chef Markus Söder liegt noch vor ihr.

Zehn Prozent wollen Wagenknecht-Partei sicher wählen – 30 vielleicht

Der Umfrage zufolge würden es nicht nur 33 Prozent der Befragten begrüßen, würde Sahra Wagenknecht mit einer eigenen Partei zur nächsten Bundestagswahl antreten. Von den derzeitigen Linke-Wählern fänden 66 Prozent ein solches Vorhaben gut.

Sogar 40 Prozent der FDP-Wähler würden eine Parteigründung durch Wagenknecht begrüßen. Zudem würden dies jeweils mehr als 30 Prozent sowohl der Wähler, die sich selbst als links einstufen, als auch jener, die sich zur Rechten oder zur Mitte zählen, begrüßen.

Eine Wagenknecht-Formation würde demnach auch aus dem Stand den Parlamentseinzug schaffen. Immerhin gaben zehn Prozent der Befragten an, sie würden „sehr sicher“ eine solche wählen. Weitere 30 Prozent könnten sich zumindest vorstellen, dies zu tun – was zusammen ein Potenzial von 40 Prozent ausmacht.

INSA-Chef Hermann Binkert geht davon aus, dass ein eigenes Projekt Wagenknecht vor allem die Reihen der nicht systemischen Opposition aufrollen würde. Die Linkspartei in ihrer bestehenden Form könnte weitgehend aus der politischen Landschaft verschwinden.

Von der Kommunistin zur unideologischen Common-Sense-Politikerin?

Die AfD könnte die Hälfte ihrer Wähler verlieren. Immerhin sei die Noch-Linkspolitikerin sogar bei deren Anhängern beliebter als das Führungsduo aus Alice Weidel und Tino Chrupalla. Wagenknecht könnte möglicherweise auch Nichtwähler zurück aus der Enthaltung holen, die für Linke und AfD nicht oder nicht mehr erreichbar sind.

Ausgerechnet ein früheres Mitglied der „Kommunistischen Plattform“ in der PDS tritt nun als Kritikerin der eigenen Partei und linker Bewegungen auf und wird als unideologische Common-Sense-Politikerin wahrgenommen.

Allerdings spricht das Ergebnis der INSA-Umfrage dafür, dass Sahra Wagenknecht bei vielen Themen, die derzeit das Land bewegen, den richtigen Ton trifft. Vor allem scheint sie eine politische Marktlücke gefunden zu haben.

Mit ihrer Ablehnung der Russland-Sanktionen und einer einseitigen Parteinahme zugunsten der Ukraine ist sie in ihrer eigenen Partei zunehmend isoliert. Von den Bundestagsparteien findet sich nur noch in der AfD eine Mehrheit für eine solche Position. Viele Gegner von Russland-Sanktionen oder Waffenlieferungen an die Ukraine würden dieser jedoch aufgrund anderer Positionen nie die Stimme geben.

Abgrenzung von der „Lifestyle-Linken“

Ein weiterer Bereich, in dem Sahra Wagenknecht Punkte sammelt, ist ihre Ablehnung der von ihr so genannten „Lifestyle-Linken“. In ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ hat sie sich vor allem von dieser abgegrenzt und ihren Aktivisten elitäre Abgehobenheit attestiert.

Dabei ließ sie Bewegungen wie „Fridays for Future“ ebenso wenig unerwähnt wie die Identitätspolitik, die ideologische Grenzen zwischen „Tätern“ und „Opfern“ zieht. Themen wie Gender gehen aus Sicht Wagenknechts an den Interessen der Mehrheit der Menschen vorbei. Die Linke solle sich stattdessen um Anliegen wie Chancengleichheit für Arbeiter, Geringverdiener oder die Mittelschicht kümmern.

In der Corona-Politik trat Wagenknecht gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht und für eine freie Impfentscheidung ein. Lediglich älteren Menschen und Angehörigen von Risikogruppen sei eine Teilnahme an der Impfung zu empfehlen. In der „Welt“ rechnete sie jüngst mit der „Kriegsbesoffenheit“ des „moralisierenden Linksliberalismus“ ab.

Gegen offene Grenzen und für Bekämpfung von Fluchtursachen

Wirtschaftspolitisch hat sie sich von kommunistischen Positionen entfernt. In der Eurokrise trat sie für einen Schuldenschnitt und ordnungspolitische Maßnahmen ein, um diese zu beenden und Wirtschaftswachstum zu sichern. Sie befürwortet die stärkere Regulierung von Finanzmärkten, zeigte allerdings auch Sympathien für ordoliberale Ansätze.

Sympathien hatte Wagenknecht auch auf der Rechten gesammelt, als sie im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik 2016 äußerte:

Dass es Grenzen der Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung gibt, ist eine Tatsache, und dass Kapazitäten nicht unbegrenzt sind, auch. Das festzustellen, ist weder links noch rechts, sondern eine Banalität.“

Sie erklärte auch, Straftäter wie jene, die in sexuelle Übergriffe in Köln in der Silvesternacht 2015/16 verwickelt waren, hätten „ihr Gastrecht verwirkt“. Zudem warnte sie vor Nachteilen unbegrenzter Zuwanderung für Geringverdiener.

Im Unterschied zur AfD verzichtet Wagenknecht jedoch auf Anti-Islam-Positionen.

Gelingt Wagenknecht ein sozial-konservativer Schulterschluss?

Bereits 2019 liebäugelte die aus der AfD ausgetretene Frauke Petry mit einer möglichen Kooperation mit Wagenknechts kurzlebigem „Aufstehen“-Projekt. Dieses scheiterte jedoch unter anderem daran, dass Wagenknecht selbst nur wenig Energie in dessen Ausbau investiert hatte.

Auch jetzt ist noch nicht absehbar, wer Wagenknecht bei einem möglichen parteipolitischen Projekt unterstützen würde. Die Erfolgschancen hängen auch davon ab, ob sie seriöse Persönlichkeiten mit einem gewissen Bekanntheitsgrad dafür gewinnen könnte. Zu den möglichen Ansprechpartnern könnten etwa Jürgen Todenhöfer oder Hans-Georg Maaßen zählen.

Eine weitere Herausforderung für Wagenknecht könnte es darstellen, über unstrittige Bereiche wie Friedenspolitik oder Anti-Wokismus hinaus unterschiedliche Positionen unter einen Hut zu bekommen. Von außenpolitischen Fragen wie dem Verhältnis zu den USA, Israel, der Türkei, den Golfstaaten oder der KP-Chinas reicht dies bis hin zu Themen wie der Bildungsfreiheit.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass Wagenknecht mit bisher vertretenen Positionen wie jener zur Streichung des §218 StGB eine sozial-konservative Koalition bilden kann. Das große Potenzial für eine Wagenknecht-Partei macht jedoch deutlich, dass sich viele Bürger mit der derzeitigen Parteienlandschaft nicht mehr identifizieren.



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