INSA-Chef Binkert: „Vertreter der Ampelparteien haben massiv Gegenwind in Sachsen und Thüringen“

Die Politik der Ampelparteien SPD, FDP und Grüne könnte in Thüringen, Sachsen und Brandenburg auf Landesebene Ablehnung erfahren. Gerade eine hohe Wahlbeteiligung könnte für Parteien, die um die Fünf-Prozent-Hürde kämpfen, eine Gefahr darstellen.
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INSA-Chef Hermann Binkert.Foto: Epoch Times
Epoch Times1. September 2024

Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen stehen unmittelbar bevor. Drei Wochen später werden dann die Brandenburger zur Wahlurne gebeten. Nach aktuellen Umfragen sind CDU und AfD am stärksten. Die Parteien der Ampelkoalition schneiden hingegen schlecht ab. Welche Bedeutung kommt diesen Wahlen hinsichtlich der Bundespolitik zu? Könnte eine politische Zeitenwende bevorstehen und welche Rückschlüsse sind hieraus für die Stimmung in unserer Gesellschaft zu ziehen? Zu diesen und weiteren Fragen sprachen wir mit dem Gründer und Geschäftsführer des Markt- und Meinungsforschungsinstituts INSA-CONSULERE GmbH, Hermann Binkert.

In einer Umfrage in den Ländern Thüringen und Sachsen haben 80 Prozent der Befragten angegeben, dass die Bundespolitik Einfluss auf die Landtagswahlen hat. Ist das eine Art Lackmustest für die bevorstehenden Bundestagswahlen?

Landtagswahlen werden immer dazu genutzt, um ein Urteil darüber zu fällen, wie zufrieden man mit der Bundespolitik ist. Dass die drei Ampelparteien in Thüringen und Sachsen zusammen auf zwölf beziehungsweise 13 Prozent kommen, zeigt, dass die Akzeptanz der Bundesregierung total schlecht ist und dass die Vertreter der drei Ampelparteien in Sachsen und Thüringen massiv Gegenwind haben. Die FDP wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Sprung in den Landtag nicht schaffen. Die Grünen sind auch sehr gefährdet und selbst bei der SPD will niemand die Hand ins Feuer legen, dass sie es schafft.

AfD und CDU sind nach Umfragen die stärksten Parteien. Haben Sie erkennen können, woran das liegen könnte?

Es ist der Regierung nicht gelungen, die Leute davon zu überzeugen, dass der Kurs, den sie einschlägt, richtig ist. Das ging los mit dem Heizungsgesetz. Da ist die Frage, wie man mit dem Ukraine-Krieg umgegangen ist, was man in Bezug auf Transgender und dem Selbstbestimmungsgesetz gemacht hat. Weder für das Abschalten der Kernkraftwerke noch für die anderen Experimente, die gemacht wurden, gab es in der Bevölkerung eine Mehrheit. Man merkt auch, dass da eine Regierung ist, die eigentlich nicht zusammenpasst, weil mit der FDP ein kleiner bürgerlicher Teil dabei ist und Rot-Grün einen eigenen Kurs fahren. Da geht auseinander, was nicht zusammengehört.

Welche Themen sind für die Wähler besonders wichtig?

Die Menschen beschäftigt die Migration, das Problemfeld Inflation, Verteuerung und Energiepreise und natürlich das Thema Krieg und Frieden. Das sind die drei Themen, die auf die Landtagswahlen einen großen Einfluss haben. Und da hilft es nicht, wenn die Politik darauf hinweist, dass diese Themen nicht auf Landesebene entschieden werden. Die Wähler haben im Land nur alle fünf und im Bund alle vier Jahre die Möglichkeit zu entscheiden und sie nutzen die Möglichkeiten, die sie bekommen. Nach Lage der Dinge wird es für die drei Ampelparteien einen ordentlichen Denkzettel geben. Weil die Wählerbindung im Osten weniger stark und die Bereitschaft, zu wechseln, größer ist, ist diese Tendenz besonders groß.

Welches Potenzial haben die Nichtwähler und was würde eine hohe Wahlbeteiligung bedeuten?

Ich rechne damit, dass die Wahlbeteiligung höher sein wird als vor fünf Jahren, weil es ein zusätzliches Angebot an Parteien gibt. Wir haben mit der AfD eine vergleichsweise neue und mit der BSW eine ganz neue Partei. Dadurch nehmen einerseits mehr Leute an der Wahl teil, die diese wählen, und andererseits auch mehr Leute, die verhindern wollen, dass diese zu stark werden.

Eine hohe Wahlbeteiligung ist eine Gefahr für die Parteien, die um die Fünf-Prozent-Hürde kämpfen. Sie brauchen mehr Stimmen, um reinzukommen, als sie bei einer niedrigen Wahlbeteiligung bräuchten.

Haben Skandale und Attentate vor Wahlen eine Auswirkung? Ich denke da beispielsweise an den Anschlag in Solingen.

Ich nehme an, dass bei einem Thema wie dem Terroranschlag in Solingen die AfD-affinen Wähler stärker motiviert sind zu wählen. Dadurch ist aber kein großer Umschwung zu erwarten. Auch der Polizistenmord eine Woche vor der Europawahl hat keine großen Auswirkungen gehabt. Das Thema innere Sicherheit hilft grundsätzlich auch der Union, weil bei ihr beim Thema innerer Sicherheit eine Grundkompetenz erwartet wird.

In einer Umfrage haben Sie gefragt, ob sich die Befragten eine neue Bundestagspartei wünschen würden und wenn ja, wo diese verortet werden sollte. 29 Prozent stimmten dem zu und von diesen 29 Prozent sagten 47 Prozent, dass sie diese Partei gerne in der politischen Mitte sehen würden. Was bedeutet das für die Parteien, die sich dort aktuell verorten?

Es hat etwas deutlich gemacht, was wir schon seit Längerem beobachten, und das ist interessant. Obwohl sich CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP selbst als Parteien der Mitte betrachten, wird genau dort Bedarf gesehen für neue Angebote. Das bestehende Angebot wirkt für viele relativ ähnlich, es gibt keine Differenzierung. Manchmal hat man den Eindruck, selbst die Linkspartei meint, zur politischen Mitte zu gehören.

Diese Frage stellen wir immer mal wieder. Als wir sie vor zwei Jahren gestellt haben, war jeder Zweite der Meinung, dass man eine neue Partei braucht. Dass es jetzt weniger sind, deutet darauf hin, dass es zum Beispiel mit dem BSW eine neue Partei gibt, die das ein Stück weit abdeckt.

Letztlich ist es aber ein Alarmzeichen für die bestehenden Parteien, Angebote zu schaffen, bei denen sich die Wähler wiederfinden. Alleine zu sagen „Wir sind Partei der Mitte“ ist zu wenig Programm. Für die Wähler ist es wichtiger, zu wissen, wofür die Parteien stehen.

Politische Ränder wie Linke und AfD sind in den drei Bundesländern stark vertreten. Jetzt kommt auch noch das BSW mit dazu. Ist es tatsächlich so, dass die Wähler mehr zu den politischen Rändern tendieren?

Die AfD ausschließlich als eine Partei anzusehen, die nur von Wählern rechts der Mitte gewählt wird, greift zu kurz. Die zweitbeliebteste Partei nach der Union bei den Wählern, die sich selbst in der Mitte verorten, ist die AfD. Das heißt, muss man vorsichtig sein mit Verortungen, die von außen vorgenommen werden. Auch die BSW-Wähler verorten sich selbst in der Mitte, obwohl sie aus Sicht mancher Medien eine linke Partei wählen.

Vor einiger Zeit hatte ich den Spitzenkandidaten der FDP Thüringen, Thomas Kemmerich, bei mir in der Sendung und ich habe ihn gefragt, ob eine Partei der Mitte in einem Land wie Thüringen überhaupt noch Chancen hat.

Thomas Kemmerich ist ein Politiker, der in der Mitte verortet ist, aber eine Attraktivität hat, die weit über seine eigene Partei hinausgeht. Wenn Personen gewählt würden, stünde er besser da, als er jetzt als Spitzenkandidat der FDP dasteht.

Heißt das, dass sich manche Wähler in ihren Positionen radikalisieren? Oder aber, dass die Parteien der Mitte sie einfach nicht mehr abholen können?

Die Wähler wollen sich orientieren können; sie wollen wissen, welches Angebot es gibt. Und wenn die Parteien das nicht mehr liefern, dann fehlt diese Chance der Orientierung. Ich glaube, die Wähler erwarten, dass die Parteien wieder stärker ihrem Anspruch gerecht werden, und was das Grundgesetz nach Artikel 21 fordert, nämlich an der Willensbildung teilzunehmen.

Ich warne davor, dass die Parteien nur das nachbeten, was die Leute hören wollen. Die Bürger wollen auch überzeugt werden. Das heißt also, wir bräuchten in Deutschland Parteien, die Ideen haben und versuchen, für diese zu werben. Ich glaube, das würde die Demokratie wieder spannend machen. Und dann gäbe es auch die Probleme nicht, die heute diskutiert werden.

Wäre das eine Chance für die Demokratie?

Es wird zwar teilweise anders gesehen, aber ich möchte sagen, wie gut funktionierend ich die Demokratie finde. Wenn viele Leute unzufrieden sind und eine neue Partei wollen, dann schafft es die parlamentarische Demokratie, dass diese Lücken gefüllt werden. Die Wähler zeigen eigentlich, was ihnen wichtig ist.

Wir sehen ja, dass die AfD viel Zulauf hat. Von Politik und Gesellschaft findet aber eine Art Abschottung statt. Heißt das, dass wir in unserer Gesellschaft für die Zukunft eine größere Spaltung zu befürchten haben?

Ich habe bei allen Parteien Verständnis, wenn sie sagen, sie wollen sich von anderen abgrenzen. Das ist absolut legitim, wichtig und schafft auch Klarheit. Problematisch scheint es mir dort zu werden, wo es zu einer Ausgrenzung führt. Wenn ich Leute für meine Ideen gewinnen will, muss ich ja versuchen, alle anzusprechen. Wenn ich die sogenannten Bösen nicht anspreche, dann habe ich mir die Chance verbaut, sie für meine Ideen zu gewinnen.

Anhand der Umfragen liegt es im Bereich des Möglichen, dass die AfD in den Landtagen ein Drittel der Mandate erreicht. Wenn es so kommt, dann wird es ganz automatisch mehr Dialog geben. Denn für alle Entscheidungen, Bestellungen, die Rechnungshöfe der Länder, die Berufung von Verfassungsrichtern und Verfassungsänderungen müsste man versuchen, Einvernehmen herzustellen.

Nach den Kommunalwahlen am 9. Juni hat sich in einigen Ländern gezeigt, dass in Kommunen die parteipolitische Abgrenzung weniger gepflegt wird, als das auf Landes- und Bundesebene der Fall ist. Und wenn wir uns an die 1980er-Jahre erinnern, als es diese Abgrenzung gegenüber Bündnis 90/Die Grünen und den Grünen gab, dann sieht man, dass die sich mit der Zeit auch abgeschliffen hat. Ich vermute, dass das im Blick auf AfD und BSW auch passieren wird. Man kann nicht Parteien, die fast jeden zweiten Wähler in den neuen Ländern gewinnen, sagen, mit denen reden wir nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person

Hermann Binkert war Mitglied der CDU und diente von 2008 bis November 2009 als Staatssekretär in der Thüringer Staatskanzlei. 2009 gründete er das Markt- und Sozialforschungsinstituts INSA-CONSULERE, bei dem er Geschäftsführer ist.

Das Interview führte Alexander Zwieschowski. Textliche Bearbeitung: mk

 



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