Inoffizielle Treffen in Privatresidenz: Welche Rolle spielen Weidels China-Kontakte?
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Im Vorfeld der EU-Wahlen 2024 hatte ein Spionageskandal mit Bezug zu China den Wahlkampf der AfD belastet. Damals wurde ein Mitarbeiter des Spitzenkandidaten Maximilian Krah festgenommen. Er soll, so der Verdacht, im Auftrag des KP-Regimes in Peking die Infrastruktur des Abgeordnetenbüros für eine Agententätigkeit genutzt haben. Wenige Tage vor der Bundestagswahl ist nun auch Spitzenkandidatin Alice Weidel aufgrund ihres Verhältnisses zur Kommunistischen Partei Chinas in die Schlagzeilen geraten.
Weidel mehrfach zu Gast in Privatresidenz
Wie „Bild“ berichtete, soll Weidel regelmäßig Kontakt zum langjährigen chinesischen Botschafter Wu Ken gepflegt haben. Wu hatte das kommunistische Regime in Peking von 2019 bis 2024 in Berlin repräsentiert. Das Blatt beruft sich in seiner Berichterstattung auf „zwei unterschiedliche Quellen in der Partei“.
Den Quellen zufolge hatte es „in den vergangenen Jahren“ regelmäßig Treffen in der Privatresidenz des Botschafters im Südwesten von Berlin gegeben. Wie häufig sich das zugetragen haben soll, teilt das Blatt nicht mit. Es handelte sich demnach nicht um offizielle Besuche, in den Terminkalender seien sie nicht eingetragen gewesen.
Weidel bestritt gegenüber „Bild“ die Treffen nicht. Diese hätten „vielleicht so einmal im Dreivierteljahr“ stattgefunden. Gesprächsthema sei dabei vor allem der Ukraine-Krieg gewesen, die AfD-Chefin habe eine Einschätzung des damaligen Botschafters einholen wollen. Den seit September 2024 amtierenden neuen Botschafter Deng Hongbo kenne sie noch nicht. Sie habe ihm allerdings bereits zu seinem neuen Amt gratuliert.
Langjährige biografische Verbindungen zu China
Dass Weidel ein Interesse an China hat, ist vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biografie wenig verwunderlich. Die studierte Volks- und Betriebswirtin hatte mehrere Jahre ihres Lebens in dem Land verbracht und beherrscht die chinesische Sprache. Ihr Studium an der Universität Bayreuth schloss sie 2004 mit einer Arbeit zum Thema „Die Rolle der Banken in der Corporate Governance als transformationspolitisches Konzept am Beispiel der Volksrepublik China“ ab.
Beim Gesundheitsökonomen Peter Oberender promovierte sie später mit einer Dissertation zum Thema der Zukunft des chinesischen Rentensystems. Die Promotion sowie die Aufenthalte in China standen unter der Förderung von Institutionen wie der Konrad-Adenauer-Stiftung, des DAAD und des Bundesbildungsministeriums.
Die chinesische Botschaft sprach gegenüber „Bild“ von einem „normalen Austausch mit Parteien in Deutschland, insbesondere den Parteien im Bundestag“. Man verfolge das Ziel, „das gegenseitige Verständnis zu fördern“. Außerdem wolle man „die chinesisch-deutsche Freundschaft und die für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit stärken“.
Hymnische Verehrung auf Kinofilmplattform
Inwieweit die biografische Nähe zu China auch eine politische zum dortigen Regime impliziert, ist jedoch strittig. Weidel erwähnt das Thema in ihren öffentlichen Reden nur selten. Allerdings scheint es in China ein zunehmendes Interesse an der AfD zu geben, das nicht immer unerwidert bleibt. So hatte Weidel zusammen mit ihren Abgeordnetenkollegen Petr Bystron und Peter Felser Ende Juni 2023 Peking und Shanghai besucht.
Aufhorchen lassen auch Social-Media-Beiträge wie jener, den ein sonst auf Filmkritiken spezialisierter Account auf der Plattform „sohu.com“ veröffentlicht hatte. Die „Film Tomate“ hatte Weidel im Januar dort in einem ausführlichen Essay in höchsten Tönen gelobt.
In dem Beitrag wird Weidel unter anderem als „Eiserne Lady“, „quirlige Heldin“ und „internationales Idol“ bezeichnet. Sie habe „mit ihrer energischen Sprache und ihrem unvergleichlichen persönlichen Charme“ das Identitätsgefühl deutscher und chinesischer Netzbürger getroffen. Bei beiden werde „die spirituelle Resonanz auf der gleichen Frequenz vollendet“.
Staatsmedium bescheinigt AfD-Chefin „einzigartige persönliche Ausstrahlung“
Das Portal bescheinigt ihr, sich elf Jahre lang in China aufgehalten zu haben und sechs Jahre bei der Bank of China beschäftigt gewesen zu sein. In offiziellen Lebensläufen ist nur von einer „mehrjährigen Auslandserfahrung“ die Rede. Sie habe einen „großen Persönlichkeitscharme, den andere Führungskräfte nicht haben“. An einer anderen Stelle fragt der Beitrag, ob Weidel nicht die „weibliche Version von Zhao Zilong“ sei – eines Feldherrn aus dem zweiten und dritten Jahrhundert, der es mit einer Millionenarmee aufgenommen habe. Zudem habe Weidel „die Unterstützung von fast 60 Prozent der deutschen Wähler gewonnen“.
Auch in sozialen Netzwerken wie Weibo finden sich regelmäßig positive Kommentare über Weidel. Das Staatsmedium „china.com“ attestiert Weidel, diese habe „die Unterstützung einer großen Anzahl von Wählern mit ihrer starken politischen Haltung, ihrer flüssigen Redekunst und ihrer einzigartigen persönlichen Ausstrahlung“ gewonnen. Erwähnt wurde Kritik der AfD-Chefin an der China-Politik der aktuellen Regierung. Sie habe dafür plädiert, dass „Deutschland die Zusammenarbeit mit China verstärken sollte, eine Sichtweise, die in der deutschen Politik einzigartig“ sei.
Stegner: AfD hätte „so ein Regime am liebsten auch in Deutschland“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete sieht in den Kontakten Weidels zu chinesischen Diplomaten keinen Einzelfall. Gegenüber „Bild“ äußerte er, es hätten „viele AfD-Leute enge Kontakte zum autoritären Regime in China“. Der Grund, so Stegner: „Sie hätten so ein Regime am liebsten auch in Deutschland.“
Im AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025 ist jedoch mit Blick auf China Unterschiedliches zu lesen. So wird auf der einen Seite vor dem Sozialkreditsystemen nach chinesischem Vorbild gewarnt. Solche Tendenzen seien „in mehreren westlichen Ländern unter anderem in Verbindung mit sogenannten 15-Minuten-Städten zu beobachten“.
Auch spricht sich die Partei gegen eine „Beteiligung chinesischer Konzerne, die de facto unter Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas stehen, am Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland“ aus.
Gleichzeitig ist die Rede von einem „interessengeleiteten Verhältnis“ zu den großen Mächten der Welt, „zu China und den USA, genauso wie zu der Russischen Föderation“. Das Verhältnis zur Volksrepublik China müsse sich „an den realpolitischen Interessen Deutschlands orientieren“.
Die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Kontakte zu Peking wolle man ausbauen. China sei „als Handelspartner für Deutschland von herausragender Bedeutung“. Dabei sei das Land „Wettbewerber und Partner zugleich“. Entwicklungshilfe will man an China jedoch nicht mehr bezahlen.
Uneinheitliche Positionen in der Bundestagsfraktion
Bereits in den bisherigen Jahren des Bestehens der AfD war die Haltung der Partei und ihrer Exponenten zum KP-Regime in Peking uneinheitlich. Politiker wie der Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun haben sich mehrfach kritisch über Chinas Menschenrechts- und Außenpolitik geäußert.
In den vergangenen Jahren scheinen jedoch die Stimmen in der Partei lauter geworden zu sein, die sich für ein entspanntes Verhältnis oder gar eine Annäherung aussprechen. Dabei sind auch die Motive im Einzelnen sehr unterschiedlich. Zu den am stärksten wahrnehmbaren Befürwortern einer China-freundlichen Politik gehörte etwa Roland Hartwig, der bis vor einem Jahr persönlicher Referent von Alice Weidel war.
Hartwig hatte in einer eigenen Presseerklärung die Politik der KP-Führung gegenüber der muslimischen Minderheit der Uiguren als „forcierte Integration in die chinesische Moderne“ bezeichnet. Die US-Regierung nennt diese hingegen einen „Genozid“, der unter anderem Internierungen, Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen beinhalte. Weidel entließ Hartwig, nachdem dessen Teilnahme am sogenannten Geheimtreffen von Potsdam bekannt geworden war.
Malthusianismus oder geopolitisches Gleichgewicht – unterschiedliche Motive für China-Nähe
Gefallen an der – mittlerweile aufgrund der verheerenden Folgen teilweise aufgegebenen – staatlichen Geburtenkontrollpolitik der KP Chinas hatte in der AfD auch EU-Listenkandidat David Eckert gefunden. Er forderte 2019, Entwicklungshilfe an Länder des globalen Südens an die Einführung einer Ein-Kind-Politik nach chinesischem Vorbild zu koppeln. Dies sei geboten, um den Beitrag der behaupteten „Überbevölkerung“ zum „menschengemachten Klimawandel“ zu verringern.
Die skeptische Position der AfD zum Klimanarrativ, die diese vertrete, solle zugunsten dieses Narrativs aufgegeben werden, äußerte Eckert. Eine Anfrage der Epoch Times, ob er diese Position auch heute noch vertritt und wie konsensfähig diese in der AfD ist, ließ Eckert bis dato unbeantwortet. Rückendeckung erhielt er von Funktionsträgern der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, die sich dieser Position anschlossen und Kritiker dieser Position aus ihrer Facebook-Gruppe entfernte.
Der streng katholische EU-Abgeordnete Maximilian Krah ging in der damaligen Debatte auf deutliche Distanz zu dieser Position. Jedoch gehört auch er zu jenen Politikern in der AfD, die sich für ein betont konfliktfreies Verhältnis zu Peking einsetzen. Krah führt geopolitische Erwägungen zur Begründung dieser Position an. Er begrüßt, dass mit China auf globaler Ebene ein mächtiger Konkurrent der USA entsteht – weil er diese, sobald liberale Kräfte dort die Oberhand gewinnen, als destruktiven Faktor betrachtet. Deutschland solle, so Krah, eine Pendelpolitik zwischen den beiden Großmächten einschlagen.
Weidel betrieb Parteiausschluss eines KP-Chinas-freundlichen JA-Funktionärs
Die Epoch Times hat eine Anfrage an Alice Weidel gerichtet und sie unter anderem über die Hintergründe ihres langjährigen Interesses an China befragt. Außerdem wollten wir wissen, welche politischen Konsequenzen die Politik der chinesischen Führung gegenüber Minderheiten wie Uiguren, Tibetern oder Angehörigen der Meditationsbewegung Falun Gong aus ihrer Sicht für Deutschland haben soll. Sobald eine Antwort einlangt, wird dieser Beitrag ergänzt.
Im Jahr 2021 hatte Alice Weidel jedenfalls auch ihre Grenzen bezüglich der Affinität zum politischen Modell Chinas aufgezeigt. Der damalige Vorsitzende der Jungen Alternative, Marvin T. Neumann, hatte dieses als „im Groben sinnvollste Form zukunftsfähiger Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“ bezeichnet. Diese gelte es auch, „für Europa zu formulieren“, so der Jungpolitiker. Eine so weitreichende Befürwortung des KP-Regimes hatte zuvor in der AfD noch kein Funktionär geäußert.
Neumann hatte auch offen eine „weiße Vorherrschaft“ als wünschenswert bezeichnet und Thesen wie jene verbreitet, wonach schwarze Menschen keine Deutschen sein könnten. Dies brachte das Fass auch aus Sicht des AfD-Bundesvorstands zum Überlaufen: Auf Betreiben Weidels drängte dieser Neumann, den JA-Vorsitz abzugeben. Diesem Ansinnen gab Neumann nach und trat in weiterer Folge auch aus der Partei aus.
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