Innenausschusssitzung zu Aschaffenburg: Fraktionen schieben sich gegenseitig Schuld zu

Der Innenausschuss des Bundestags befasste sich am Montag in einer Sondersitzung mit möglichen Lehren aus dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg durch einen ausreisepflichtigen und psychisch auffälligen Afghanen. Wer ist dafür verantwortlich?
German Interior Minister Nancy Faeser addresses journalists after taking part in a parliamentary commission to look into the Aschaffenburg incident, on February 10, 2025 in Berlin, Germany. A deadly knife attack on January 22, 2025 on a play school group in the Bavarian city of Aschaffenburg, where an Afghan man was arrested at the scene, reignited a bitter immigration debate, just weeks before elections. German authorities unsuccessfully tried to return the rejected asylum seeker to Bulgaria, where he had first entered the EU. (Photo by John MACDOUGALL / AFP) (Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)
Innenministerin Nancy Faeser nach einer Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses zum Messerangriff von Aschaffenburg, am 10. Februar 2025 in Berlin.Foto: John Macdougal/AFP via Getty Images
Von 11. Februar 2025

Am vorletzten Sitzungstag der aktuellen Legislaturperiode fand am Montag, 10. Februar, eine Sondersitzung des Innenausschusses zum tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg statt.

Befragt wurden mehrere Behördenleiter, wie der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als auch der bayerische Polizeipräsident. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wurde zur Sitzung zugeschaltet und die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war anwesend.

Überlastungssituation

Für den innenpolitischen Sprecher der Union, Alexander Throm, stand nach der Sitzung fest, dass die fristgerechte Überstellung des afghanischen Tatverdächtigen nach Bulgarien als EU-Erstaufnahmestaat im Rahmen des Dublin-Verfahrens an der Überlastung des BAMF scheiterte.

Wir haben in nahezu allen Bereichen eine Überlastungssituation, so der Innenpolitiker.

Das gelte für den Wohnraum, für die Kitas, für die Schulen, aber auch für das BAMF, erklärte Throm.

Throm bezog sich dabei auf Aussagen des Leiters des BAMF, Hans-Eckhard Sommer.

„Auch hier [beim BAMF] wurde bestätigt, dass die Dublin-Überstellung deshalb nicht zeitgerecht bearbeitet werden konnte, weil eine Überlastungssituation im BAMF vorgeherrscht hat“, so Throm weiter.

Deswegen brauche es jetzt eine Entlastung „unserer Systeme, unserer Infrastruktur und unserer Verwaltung“ durch eine Begrenzung des Zuzugs durch Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen. Dies solle der Integration der Bleibeberechtigten einerseits und andererseits dem Verbringen der Ausreisepflichtigen in ihre Heimat helfen.

Der Fall Aschaffenburg hätte Throm genau wie der Fall Solingen gezeigt, dass das Dublin-Verfahren nicht funktionieren würde. In beiden Fällen sei das EU-Land Bulgarien eigentlich für die Asylverfahren zuständig gewesen.

Throm: Dublin-Erfolgsquote von 7,8 Prozent

Scharfe Kritik richtete er gegen die Bundesinnenministerin: Sie habe Dublin selbst als dysfunktional beschrieben, aber dieses System zementiert. Im Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) habe sie es mit übernommen. „Es heißt jetzt nur Asyl- und Migrationsmanagementverordnung. Aber das Verfahren ist genau dasselbe“, so Throm.

Throm berichtete in Bezug auf die Dublin-Rückführungen in die anderen EU-Staaten von einer Erfolgsquote von 7,8 Prozent im Jahr 2024.

In GEAS wurde laut der Website des Bundesinnenministeriums die Dublin-III-Verordnung überarbeitet, damit die EU-Außengrenzstaaten durch die Rückführungen aus anderen EU-Staaten nicht einseitig belastet werden, indem ein „dauerhafter und verpflichtender europäischer Solidaritätsmechanismus“ eingeführt wird. Wie dieser funktionieren soll, wird nicht näher ausgeführt.

Bei den bayerischen Behörden konnte Throm nach den Befragungen „keine Fehler wahrnehmen und feststellen“. Die Frist zur Überstellung nach Bulgarien sei, weil Bayern erst so spät vom BAMF Bescheid bekam, nicht eingehalten worden, erklärte er.

Der bayerische Innenminister von CSU habe dargelegt, dass es eine Mehrzahl von Auffälligkeiten und auch Straftaten des Täters gab, die nicht im schweren Bereich gelegen hätten, sodass wenige Möglichkeiten bestanden, ihn in Haft zu nehmen, so der Unions-Innenpolitiker weiter.

Auch habe Herrmann darauf hingewiesen, dass es bei psychisch auffälligen Flüchtlingen das Problem gebe, dass man sie zwar behandele, was auch stattgefunden habe, aber dann Ärzte entscheiden würden, ob jemand aus dem Krankenhaus entlassen werde, berichtet Throm.

Wie bekannt wurde, sei der 28-jährige Afghane in der Vergangenheit mindestens dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen, und deshalb auch jedes Mal in psychiatrische Behandlung gekommen und dann wieder entlassen worden. Auf einer geschlossenen Station soll er sich dabei aber nie befunden haben.

Curio fordert Sofortarrest für ausreisepflichtige Straftäter

Der innenpolitische Sprecher der AfD, Gottfried Curio, zeigt sich hingegen verwundert darüber, wie man in Bayern mit dem mutmaßlichen Täter umging.

Für ihn sei offensichtlich, dass es Probleme mit der Betreuung des Tatverdächtigen gab. „Die Nichtumsetzung dieser Betreuung eines grundsätzlich gewalttätigen, aber psychisch zu betreuenden Mannes war eine ganz offene Flanke in unserem Sicherheitssystem.“

„Der Täter hat fortdauernd eine Gewalttätigkeit gezeigt, bereits im Jahr 2023, mehrfach im Jahr 2024.“ Erst Ende 2024 sei es dann zu einer angeordneten psychiatrischen Betreuung gekommen. „Die hat der Täter nicht wahrgenommen.“ Das habe jedoch keine Folgen gehabt.

Der lief unbetreut und gewalttätig, wie er war, weiter herum“, so der Innenpolitiker.

Im Dezember vergangenen Jahres wurde die Betreuung für den Afghanen angeordnet. Der Beschluss zur Betreuung sollte für drei Jahre gelten. Allerdings erschien der Tatverdächtige dann nicht zu einem vereinbarten Termin mit seiner Betreuerin, wie bekannt wurde.

Über 10.000 ausreisepflichtige Afghanen

Die angekündigte, selbstständige Ausreise sei dann nicht erfolgt. Für Curio zeige dies, dass man einen Sofortarrest für ausreisepflichtige Straftäter brauche.

In der Sitzung habe er erfahren, dass man über 10.000 ausreisepflichtige Afghanen in Deutschland habe. „Aber was wir ebenfalls gehört haben, ist, dass es keine konkreten Aussichten auf Abschiebeflüge gibt“, so der AfD-Politiker.

Er sehe daher beim Fall in Aschaffenburg ähnlich wie beim Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt eine Terrortat mit Ansage.

Er entnehme den Aussagen der Behörden, dass sie offenbar mit ihrer Prognoseschwelle beim Tatverdächtigen falsch lagen: „Man darf nicht die Last bei der zu schützenden Bevölkerung abladen und sagen: ‚Na ja, wir sind uns nicht sicher, ob da jetzt eine schwere Straftat folgt‘, sondern müsse die Ausreisepflichtigen zumindest in Ausreisegewahrsam setzen, um die Bevölkerung zu schützen.“

FDP-Politiker fordert eine Reform der Sicherheitsarchitektur

Geht es nach dem innenpolitischen Sprecher der FDP, Manuel Höferlin, brauche Deutschland eine Reform der Sicherheitsarchitektur und des Föderalismus an sich, damit die Behörden miteinander sprechen und die Informationen austauschen.

Der Täter in Aschaffenburg habe mehrere kleinere Straftaten begangen, die in der Summe aber nicht entsprechend gewertet wurden. Es gab Vorfälle, wo er beispielsweise nicht zu einem Gespräch beim BAMF erschienen sei.

Das sei jedoch nicht in die Gesamtbewertung eingeflossen. Ähnlich wie auch beim Terroranschlag in Magdeburg hätten die Behörden nicht miteinander gesprochen. Sie tauschten die Informationen entweder nicht qualitativ richtig aus, sondern gaben sie im besten Fall nur ab, ohne nachzuprüfen, was damit geschehen ist. „Das muss sich ändern“, so der FDP-Innenpolitiker.

Faeser: Bayern hat erkannt, dass es Änderungen geben muss

Auch die Bundesinnenministerin nahm an der Sondersitzung teil. Danach erklärte sie, dass man stärkere Regeln im Umgang mit psychisch kranken Gewalttätern bräuchte. „Hier hat Bayern auch schon erkannt, dass es Änderungen geben muss.“

Gemeinsam mit den Bundesländern habe man in der Innenministerkonferenz den Beschluss gefasst, den Datenaustausch bei psychisch kranken Gewalttätern unter den unterschiedlich betroffenen Behörden wie das Gesundheitsamt mit der Polizeibehörde zu personenbezogene Potenzial zu verbessern.

Auch sollten die Länder ihre Gesetze zur Einweisung und Unterbringung von gefährlichen, psychisch erkrankten Personen überprüfen.

„Unser Weg ist klar, wir müssen aus der demokratischen Mitte heraus Gesetze beschließen, die unsere Sicherheit stärken, aber auch die irreguläre Migration weiter zurückführen.“

Faeser wurde gefragt, ob die sie die politische Verantwortung dafür übernehmen würde, dass beim BAMF die Verfahren so lange gedauert haben.

Man habe „massiv“ das Personal beim BAMF anwachsen lassen mit über 1.000 neuen Stellen. Und habe 300 Millionen Euro extra investiert, um die Verfahren effizienter und schneller durchführen zu können. Und man sei auch im Bereich der Digitalisierung weiter voranzukommen, um den notwendigen Austausch zu verbessern.

Zudem verwies sie darauf, „dass wir es hier mit einem Täter aus Afghanistan zu tun haben, wo die Aussicht auf Rückführung ja auch sehr gering ist“.

„Das liegt nicht nur am BAMF

Auf die Frage der Epoch Times an Faeser, warum man die seit Jahren bestehenden Probleme beim BAMF bei der Bearbeitung der Asylverfahren nicht im Griff bekommt, erklärt die Ministerin: „Das liegt nicht nur am BAMF.“

Für Abschiebungen seien die Länder zuständig. Für das Verhandeln mit anderen Staaten in der Frage, ob zurückgeführt werden könne oder nicht, liege die Kompetenz beim Bund. Mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz habe man begonnen, das Asylsystem zu verbessern. In der Migration müsse jetzt mehr geordnet und gesteuert werden und die irreguläre Migration weiter reduziert werden.

„Wir haben ein Drittel weniger Migration im letzten Jahr gehabt. Das heißt, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben 20 Prozent mehr Abschiebungen durchgeführt, aber es reicht noch nicht aus.“

EpochTV: Schauen Sie hier die Stellungnahmen der Fraktionen nach der Sitzung des Ausschusses.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion