Initiative „Baumentscheid“ strebt Referendum an: Bis 2035 soll Berlin über 800.000 Bäume verfügen
Im Vorjahr war der Berliner Volksentscheid über die „Klimaneutralität“ am Verfehlen der Mindestbeteiligung gescheitert. Nun wollen ein CDU-Politiker der „Klimaunion“ und die Suchmaschine ecosia eine neue Volksabstimmung in Sachen Klimaschutz herbeiführen. Der Ansatz ist dabei weniger invasiv: Der sogenannte Baumentscheid soll sicherstellen, dass die Hauptstadt bis 2035 über die doppelte Anzahl an Straßenbäumen verfügt.
So soll zum einen deren Anzahl von derzeit 430.000 auf 800.000 steigen. Zudem soll es ein „Recht auf Baum“ geben: Im Umkreis von 50 Metern um jeden Hauseingang solle mindestens ein Baum stehen. CDU-Politiker Heinrich Strößenreuther erklärte gegenüber der „Welt“, dass derzeit in Berlin im Schnitt alle 13 Meter ein Straßenbaum stehe. Um einen angemessenen Kühlungseffekt zu erzielen, „brauchen wir das auf jeder Straßenseite“.
Grundsätzlich hohe Zustimmung zu Baumentscheid-Zielen
Die Idee scheint erwiesenermaßen den Nerv der Bevölkerung zu treffen. Ecosia hatte bereits im September 2023 die Stimmungslage erhoben. Insgesamt 81 Prozent hätten demnach geäußert, die Forderungen der Initiative „auf jeden Fall“ oder zumindest „eher“ zu unterstützen.
Auch 70 Prozent der AfD-Wähler stimmten der Forderung an den Senat zu, mehr zum Schutz des Stadtgrüns gegen Extremwetter zu tun. Hoch war die Zustimmung auch unter weiblichen Befragten, im Osten und unter Arbeitnehmern.
🚨BREAKING🚨
Neuste Umfrage zeigt: 81% der Berliner:innen stimmen den Forderungen vom #BaumEntscheid zu!Warum wir in den Daten einen demokratischen Auftrag von Berliner:innen aller Parteipositionen sehen? Ein Thread (1/8) mit den Ergebnissen und dem Fazit: pic.twitter.com/JAg2VAcShk
— Baumentscheid (@baumentscheid) September 27, 2023
Ein Faktor, der die hohe Zustimmung erklären könnte, wäre, dass die Maßnahme der Anpassung an den Klimawandel dienen soll. Anders als Vorhaben, die diesem entgegenwirken sollen, zielt der Baumentscheid nicht auf Belastungen oder Einschränkungen für den Einzelnen ab. Zudem erscheint die Aussicht auf mehr Bäume im Stadtbild vielen als attraktiv.
Initiative legt stark ins Detail gehenden Gesetzentwurf vor
Was die konkrete Umsetzung anbelangt, bemühen sich die Initiatoren, nicht im Ungefähren zu bleiben. Sie wollen eine detailliert ausgearbeitete Vorlage zur Abstimmung führen. Im Vorfeld will man Hotspot-Zonen identifizieren, die schwerpunktmäßig bepflanzt werden sollen. Ziel sei es, die dortige Temperatur auf maximal vier Grad über jener des Umlandes abzukühlen. Derzeit seien es an heißen Tagen in einzelnen Kiezen um bis zu zehn Grad mehr.
Das Land soll zur Erarbeitung von Klimaanpassungsstrategien und Risikoanalysen verpflichtet werden. Sollte das Zwischenziel von 10.000 neuen Bäumen bis 2027 verfehlt werden, sollen die Bürger ermächtigt werden, selbst Hand anzulegen.
Bis 2030 soll das Land zumindest jeden fünften Hotspot heruntergekühlt haben. Außerdem soll es Pflanzlisten mit geeigneten Sorten ausarbeiten – und ein fünfköpfiger „Hitzerat“ soll über den Erfolg wachen.
Baumentscheid soll am Tag der Bundestagswahl an die Urne
Um nicht an zu geringer Beteiligung zu scheitern, will die Initiative den Baumentscheid bis September 2025 abstimmungsreif machen. Sie hofft damit, dass die Vorlage zeitgleich mit der Bundestagswahl zur Abstimmung kommt.
Im ersten Schritt müssen die Befürworter des Vorhabens 20.000 Unterschriften innerhalb von sechs Monaten erreichen. Der Senat hat anschließend die Möglichkeit, den Entwurf zu übernehmen. Macht er das nicht, müssen Ecosia und ihre Unterstützer 200.000 Unterschriften sammeln, um die Vorlage an die Urne zu bringen.
Am 13. September 2023 hatte die Kampagne zum Baumentscheid begonnen. Am 4. März 2024 hatten die Initiatoren ihren 27-seitigen Entwurf zu einem „BäumePlus“-Gesetz vorgestellt. Neben der Bepflanzung soll es dabei auch um mehr Dach- und Fassadenbegrünung, Regenwasser-Recycling, proaktiven Hitze- und Gesundheitsschutz sowie eine ausreichende Dimensionierung der Katastropheneinsatzkräfte gehen.
Kosten bislang nicht absehbar – Umsetzung ungewiss
Die Initiative legte noch keine Kostenschätzung für die Maßnahmen vor. Der Senat spricht von einem möglichen Aufwand von 925 Millionen Euro – ausgehend von den derzeitigen Kosten je Straßenbaum von 2.500 Euro für drei Jahre.
Es kämen jedoch voraussichtlich noch weitere Kosten hinzu, außerdem ist für den Fall einer tatsächlichen Umsetzung des Vorhabens von Zielkonflikten auszugehen. Neben der Begrünung selbst müsste in vielen Fällen zuvor auch eine Entsiegelung stattfinden.
Die Umsetzung könnte zudem Vorhaben anderer städtischer Entwicklungsprojekte, der Verkehrsplanung oder dem Wohnungsbau entgegenstehen. Ferner müssen ausreichend geeignete Baumarten für die Großstadt identifiziert und requiriert werden.
Das größte reale Problem in der Umsetzung könnte jedoch in der Bürokratie und im Trägheitsmoment liegen, das sich im Laufe des Prozesses einstellen könnte, wenn die erste Begeisterung verflogen ist. Dem Berliner Mobilitätsgesetz zufolge sollte es 2023 neue Radwege mit einer Gesamtlänge von 60 Kilometern geben. Tatsächlich entstanden sind bisher nur 22,3 Kilometer.
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