„Impfpflicht ist unverantwortlich und verfassungswidrig“

Mit dem Mitgründer der Grünen und früheren Bundesinnenminister Otto Schily schaltet sich neben Oskar Lafontaine ein politisches Schwergewicht mit harschen Worten in die immer lauter werdende Debatte um eine Impfpflicht ein.
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Otto Schily war von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister.Foto: Jörg Carstensen/Archiv/dpa
Von 2. Dezember 2021

An der Einführung einer Impfpflicht scheint trotz der zunehmenden Impfdurchbrüche und steigenden Zahlen von Geimpften auf den Intensivstationen kein Weg mehr vorbeizugehen. Im „Instrumentenkasten“ der Politik zählt sie als Patentlösung zur Überwindung der Coronakrise.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat ein Gutachten bei der Kanzlei Oppenländer beauftragt, aus dem die „Frankfurter Allgemeine“ so zitiert: „Eine allgemeine Impfpflicht kann verfassungsrechtlich zulässig eingeführt werden. Der Bund hat hierfür die Gesetzgebungskompetenz.“ Es dürfe aber kein Impfzwang eingeführt werden und es müsse Ausnahmen von der Impfpflicht geben.

Ein Verstoß könne mit Bußgeldern bis zu 2.500 Euro bestraft werden. Derweil drohte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ Impfverweigerern mit Bußgeld und Ausschluss vom Arbeitsplatz. Die Alternative zur Impfpflicht sei „ein Zustand, den wir alle als unerträglich ansehen“.

Grundlegend anders sieht dies Otto Schily in einem Gastbeitrag für „Die Welt“. „Nicht einmal in der sonst so vehement als autoritär gescholtenen Volksrepublik China besteht eine allgemeine Impfpflicht“, poltert der 89 Jahre alte Jurist, der von 1988 bis 2005 Bundesinnenminister war. Er sieht sich nicht als Impfgegner, ist bereits dreimal geimpft und empfiehlt die Impfung besonders vulnerablen Menschen. Eine allgemeine Impfpflicht hält er jedoch für „unverantwortlich und schlicht verfassungswidrig.“

Langzeitfolgen können keineswegs abschließend verlässlich beurteilt werden

„In einer spannungsreichen Zeit, in der es in besonderem Maße darauf ankommt, das Vertrauen in die demokratischen Entscheidungsprozesse zu festigen, ist es gewissenlos, die früheren Festlegungen in einer Frage, die den Kern der Grundrechte angeht, einfach über Nacht zu Makulatur zu erklären“, spricht Schily Klartext.

In einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie dürfe sich der Staat nicht anmaßen, dem einzelnen Menschen eine bestimmte ärztliche Behandlung aufzuzwingen. „Das gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass es sich um neu entwickelte Impfmethoden handelt, deren Langzeitfolgen nach einem relativ kurzen Zeitabschnitt der Anwendung keineswegs abschließend verlässlich beurteilt werden können.“

Das Polit-Urgestein, das im November 1989 von den Grünen zur SPD wechselte, kennt nach eigenem Bekunden eine „nicht geringe Zahl von Menschen“, die durch gesunde Lebensführung und Achtsamkeit allenfalls asymptomatisch an Covid-19 erkrankt seien und das, obwohl sie nicht geimpft seien und mit vielen potenziellen Virenträgern in Kontakt kämen. „Dass es Menschen dieses Profils in durchaus großer Zahl in Deutschland gibt, bleibt leider von der Politik und der Mehrheit der unterschiedlichen Experten unbeachtet“, so Schily.

„Allgemeine Impfpflicht verstärkt die Spaltungstendenzen bis hin zu Gewaltausbrüchen“

Bedenke man, dass immerhin knapp 30 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland bisher nicht geimpft, aber ein Großteil davon gleichwohl nicht schwerwiegend erkrankt sei, sei es doch mindestens einer Überprüfung wert, in welchem Ausmaß das Salutogenese-Modell bei der Abwehr einer Erkrankung an Covid-19 erfolgreich sein könne.

Im Gegensatz zum pathogenetischen Konzept, in dem sich alles um das Management von Krankheiten dreht, beschäftigt sich die Salutogenese mit der Frage, was Menschen in die Lage versetzt, besser mit Krankheiten umzugehen und diese zu überwinden.

Der Begründer der Salutogenese, Aaron Antonowski, hat dies an israelischen Frauen untersucht, die das KZ überlebt hatten. Er stellte fest, dass es im Wesentlichen drei Faktoren sind, die sich auswirkten: ob Menschen verstehen, was mit ihren passiert, ob sie das Gefühl haben, zumindest zu einem gewissen Grad handlungsfähig zu bleiben und ob sie einen Sinn in ihrer Existenz sehen. Das sind wichtige Bestandteile der Resilienz.

Auch die von immer mehr politischen Akteuren geforderte Impfung von Kindern sieht Schily kritisch: „Soweit mir bekannt ist, besteht durchaus Anlass zur Sorge, dass erhebliche Impfschädigungen in nicht unerheblicher Größenordnung auftreten.“ Zugleich geht er auf die unübersehbare Spaltung der Gesellschaft ein. Eine allgemeine Impfpflicht werde die schon jetzt erkennbaren Spaltungstendenzen in der Gesellschaft auf hochgefährliche Weise verstärken bis hin zu Gewaltausbrüchen. Das sei nicht zu verantworten.

Und schließlich stellt sich der Ex-Innenminister eine Frage, die sich die derzeit Verantwortlichen ins Gebetsbuch schreiben sollten: „Zu Recht wird von denen, die in der Politik noch einen kühlen Kopf bewahren, vor allem die Frage gestellt, wie eigentlich eine allgemeine Impfpflicht durchgesetzt werden soll? Will man etwa den wahnsinnig gewordenen Juristen folgen, die allen Ernstes Freiheitsstrafen für Impfunwillige für gerechtfertigt halten? Sind dafür vielleicht die ‚schöneren Gefängnisse‘ gedacht, die der sich neu formierende Berliner Senat bauen will?“



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