Imker soll 14.500 Euro Schadenersatz für glyphosatbelasteten Honig erhalten

Ein Imker erstritt sich vor Gericht Schadenersatz für seinen verseuchten Honig, der die zulässigen Glyphosat-Werte weit überschritt. Was für viele als richtungsweisendes Urteil gilt, ist für den betroffenen Imker jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Titelbild
Bei der Kontrolle eines Bienenstockes.Foto: Friso Gentsch/dpa/dpa
Von 29. Juni 2022

Noch immer sind die klebrigen Stufen zum Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bei vielen in Erinnerung. Am 13. Januar 2020 machte sich dort auf der Treppe nicht nur glyphosatverseuchter Honig, sondern auch der Ärger von Imkern breit.

Grund waren vier Tonnen verunreinigter Honig, den das Imkerpaar Camille und Sebastian Seusing aus Brandenburg aufgrund erhöhten Glyphosatgehalts aus dem Verkehr ziehen musste. Ihre Bienen hatten im Frühjahr 2019 Nektar und Pollen von blühendem Löwenzahn, der zuvor mit Glyphosat behandelt worden war, in die Bienenstöcke getragen. Spätere Laboranalysen ergaben eine bis zu 152-fache Überschreitung des im Lebensmittelrecht zulässigen Glyphosat-Grenzwertes.

Die Imker informierten sofort das zuständige Lebensmittelüberwachungsamt. Dieses prüfte die Frühjahrsernte des unmittelbar betroffenen Bienenstandes und ordneten die Entsorgung des Honigs an. Um auf Nummer sicher zu gehen, prüften die Imker darüber hinaus auch die weiter entfernt liegenden Bienenstände. Selbst bei einem drei Kilometer entfernten Bienenstock war der Glyphosat-Grenzwert überschritten.

Sebastian Seusing zog gegen den verantwortlichen Landwirtschaftsbetrieb, der die Herbizide auf den blühenden Löwenzahn ausgebracht hatte, vor Gericht. Knapp zweieinhalb Jahre später, am 20. Juni 2022, liegt das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vor: Die verklagte Landwirtschaftsgesellschaft muss 14.544 Euro Schadenersatz zahlen.

Ein „richtungsweisendes Signal“

Die Aurelia Stiftung, die den Prozess unterstützt und begleitet hatte, begrüßte das Urteil als „richtungsweisendes Signal für Landwirtschaft und Politik“. Seit Jahren setzt sich die Organisation zum Schutz der Wild- und Honigbienen sowie der Imkerschaft für ein bundesweites Verbot von Pestizidspritzungen in blühende Pflanzenbestände ein. Bisher seien Imkereien auf ihrem Schaden sitzen geblieben, wenn ihr Honig durch Pestizide aus der Landwirtschaft belastet war, heißt es seitens der Stiftung. Sie hofft aufgrund des Urteils, dass derartige Schäden durch Pestizide in Zukunft seltener auftreten.

Der Anwalt der Imkerei, Dr. Georg Buchholz, verbuchte den Erfolg sowohl für Imker als auch Verbraucher, denn diese müssten sich darauf verlassen können, dass die Honigproduktion nicht durch Einsatz von Pestiziden unmöglich gemacht wird. „Das schreibt auch das Pflanzenschutzmittelrecht so vor“, erklärte Buchholz. Deshalb sei es nur konsequent, dass Imker Schadenersatz einfordern können, wenn Pestizidrückstände die zulässigen Grenzwerte überschreiten.

„Letztlich kann die Rückstandsfreiheit des Honigs nur gewahrt werden, wenn keine Pestizide auf blühende Pflanzen ausgebracht werden“, so Buchholz weiter. In der mündlichen Verhandlung habe das Gericht deutlich gemacht, dass die Landwirtschaft notfalls auch einen Mehraufwand in Kauf nehmen müsse, um einen Totalschaden für Imker zu vermeiden.

Alternativen für Glyphosat

Das Gericht nannte mögliche und zumutbare Alternativen, wodurch Glyphosateinsatz auf blühenden Löwenzahn vermieden hätte werden können: den Löwenzahn unterpflügen, ihn als Tierfutter ernten, die Blüten vor Pestizidbehandlung abschlägeln oder Pestizide vor der Blüte ausbringen.

„Das Landgericht hat den Pestizideinsatz ferner als widerrechtlichen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten eingestuft“, so der Anwalt weiter. Landwirte müssten zumutbare Vorkehrungen treffen, um mögliche Schäden Dritter zu vermeiden. Außerdem hat das Landgericht das Ausbringen der Herbizide während der Blütezeit als fahrlässig gewertet – zumal die Bienenkästen am Ende des Ackerschlags weithin sichtbar „und für jeden Laien erkennbar“ waren.

Absprachen müssen stimmen

Der Landesbauernverband Brandenburg weist auf Nachfrage von Epoch Times darauf hin, dass nach Erfahrungswerten die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Imkern „im Wesentlichen hervorragend“ funktioniere. Es sei insbesondere vor der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln üblich, Absprachen zu treffen.

Dass das nicht immer klappt, zeigen fünf Fälle, die im Zeitraum 2016 bis 2020 allein in Brandenburg aufgetreten sind. Laut Agrarbericht wirtschafteten im Jahr 2020 in diesem Bundesland 5.413 Landwirtschaftsbetriebe einschließlich Gartenbaubetriebe; im Landesverband Brandenburgischer Imker sind rund 2.600 der 5.100 Imker organisiert. „Vor diesem Hintergrund ist die Relevanz dieser fünf Tatbestände unsachgemäßer Ausbringung des Herbizids Glyphosat zumindest fragwürdig“, so Pressesprecherin Meike Mielke.

Nach ihrer Aussage greife zudem eine „pauschale Ächtung von Pflanzenschutzmaßnahmen der Brandenburger Landwirte zu kurz“. Daher mahnt der Verband eine differenzierte Betrachtung aller Pflanzenschutzmaßnahmen auf den Feldern an, die eine Kombination aus pflugloser, schonender Bodenbearbeitung und des gezielten Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Abhängigkeit von den Ansprüchen der Folgefrucht darstelle. Es gebe eine gute fachliche Pflanzenschutzpraxis, die heißt: „So wenig wie möglich – so viel wie nötig“, schildert die Pressesprecherin weiter. Dem würden sich die Landwirte verpflichtet fühlen, allein „schon im Interesse eines Ressourcen schonenden Einsatzes von Betriebsmitteln“.

Imker sucht sich neuen Job

Für das Imkerpaar Seusing kommt das Urteil in jedem Fall zu spät. Nach dem Glyphosat-Drama mussten sie ihr Familienunternehmen an den Nagel hängen. Der Schaden betrug etwa 70.000 Euro. Denn nicht nur der Löwenzahnhonig war betroffen. Im Sommer 2019 mussten die Imker auch ihren Kornblumenhonig entsorgen, der eine 50-fache zu hohe Glyphosatkonzentration aufwies. Insoweit ist der ausgeurteilte Schadenersatz nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, erklärte Sebastian Seusing gegenüber der „Berliner Zeitung“. Er arbeitet inzwischen in einem Agrarbetrieb in Schleswig-Holstein.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Binnen eines Monats kann die Landwirtschaftsgesellschaft Berufung beim Oberlandesgericht einlegen. „Darüber hinaus bleiben Politik, Behörden und Hersteller von Pestiziden aufgefordert, noch klarer zu kommunizieren, dass auch zugelassene Pestizide nicht uneingeschränkt verwendet werden dürfen“, appelliert Seusings Anwalt.



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