Hühnerstall-Gate in China: Klimabetrug belastet auch deutsche kommunale Verkehrsbetriebe

Die Hühnerstall-Affäre rund um betrügerische CO₂-Zertifikate aus China holt nun auch die Flottenplanung deutsche kommunaler Verkehrsbetriebe ein. Der Zertifikate-Quotenhandel bringt keine Erlöse mehr, die Förderungen bleiben aus. Das macht den Umstieg auf Elektrobusse unrentabler.
Ein Bus der Göttinger Verkehrsbetriebe (GöVB) fährt an einer Ladestation für Elektrobusse vorbei.
Ein Hühnerstall in China wirbelt die Finanzplanung kommunaler Verkehrsbetriebe in Deutschland durcheinander.Foto: Swen Pförtner/dpa
Von 23. Juni 2024

Nicht nur deutsche Autofahrer, die über ihre Klima-Abgabe beim Tanken möglicherweise mehr als eine Milliarde Euro abdrücken mussten, gehören offenbar zu den Geprellten der sogenannten Hühnerstall-Affäre. Auch kommunale Busunternehmen stehen nun vor den Konsequenzen der Marktverzerrung durch einen betrügerischen Umgang mit CO₂-Zertifikaten in China.

Hühnerstall-Gate macht Strich durch Erlösplanung

Wie ein Sprecher des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen gegenüber der „Welt am Sonntag“ (WamS) mitteilt, gerät mittelbar möglicherweise auch die sogenannte Verkehrswende in Deutschland insgesamt unter Druck. Dies kommt zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt, da erst kürzlich derselbe Verband Nachwuchsmangel bei den Busfahrern beklagt hatte.

Durch Hühnerstall-Gate könnte nun auch der Umbau der Busflotten kommunaler Verkehrsbetriebe deutlich ins Stocken geraten. Dies rühre daher, so der Verband, dass die Folgen des jüngst ruchbar gewordenen Betrugsschemas deren Erlösrechnungen durcheinander geworfen habe.

Im Bereich des sogenannten Treibhausgas-Quotenhandels (THG) habe die Hühnerstall-Affäre zu einem erheblichen Preisverfall geführt. Gleichzeitig hatte der Bund aus haushaltspolitischen Gründen bereits gegen Ende des Vorjahres seine umfangreichen Fördermaßnahmen für den Umstieg zur Elektromobilität beendet. Die kommunalen Busunternehmen blieben nun „doppelt auf den Kosten sitzen“, so der Sprecher.

UER-System trat 2018 als Option zur Quotenerfüllung hinzu

Über die sogenannte THG-Quote hatte der Bund seit 2015 Vorgaben an Unternehmen – beispielsweise kommunale Verkehrsbetriebe – festgelegt. Diese sollen den Umfang festlegen, inwieweit diese ihre Treibhausgas-Emissionen im Verkehr senken sollen.

Um die Quoten zu erfüllen, konnten die Unternehmen neben eigenen Einsparungen auch alternative Wege beschreiten. Ein Umstieg auf Elektrobusse im Fuhrpark eröffnete den kommunalen Fuhrparkbetreibern Freiräume: Sie konnten ihre THG-Quoten verkaufen und von der THG-Prämie profitieren. Aber auch selbst genutzter Ökostrom konnte angerechnet werden; das Umweltbundesamt (UBA) musste die entsprechenden Bescheinigungen ausstellen.

Neben der eigenen Forcierung von Elektromobilität war jedoch seit 2018 auch die Beteiligung an sogenannten Upstream Emission Reductions (UER) ein möglicher Weg zur Erfüllung der THG-Quote. Und hier kommt Hühnerstall-Gate ins Spiel. Wer darin investierte, konnte die eigene THG-Quote erhöhen und durch deren Verkauf Erlöse erzielen.

Vertrauensverlust drückt auf erzielbare Preise für THG-Quoten

Kommunale Unternehmen, die auf Elektrobusse setzten und ihre auf diese Weise freigewordenen THG-Quoten veräußerten, konnten pro Bus und Jahr dem VDV zufolge bis zu 13.000 Euro Erlös erzielen. Die Anrechenbarkeit von UER eröffnete zusätzliche Planungsspielräume.

Voraussetzung dafür war jedoch, dass die Erlöse stabil blieben. Hühnerstall-Gate hat dem System jedoch nun einen erheblichen Dämpfer versetzt. Das Vertrauen in die Sauberkeit des Handels mit CO₂-Minderungszertifikaten, auf die auch Mineralölkonzerne in hohem Maße gesetzt hatten, ist auf einem Tiefpunkt angelangt.

Konzerne konnten innerhalb ihrer Lieferkette durch Erwerb von UER-Zertifikaten ihre THG-Quote erfüllen – einige von diesen bezogen sich auch auf Projekte im Ausland, etwa in China. Das Umweltbundesamt (UBA) genehmigte in diesem Kontext vorerst 75 Projekte. Mittlerweile steht die Hälfte davon unter Betrugsverdacht.

Hühnerstall-Enthüllung auf Zahlendreher bei Koordinaten zurückgeführt

Wie ein ZDF-Reporterteam im Mai aufdeckte, befand sich am angeblichen Standort eines 80 Millionen Euro schweren UER-Projekts ein Hühnerstall. Zwar teilte ein mit der Validierung beauftragtes Unternehmen mittlerweile mit, dass es sich um einen Zahlendreher bei den Koordinaten gehandelt habe. Das eigentliche Heizkesselprojekt existiere tatsächlich. Zahlreiche weitere aber offenbar nicht.

Dennoch spricht UBA-Chef Dirk Messner weiterhin von einem möglichen „Betrugsgeflecht“, in das Validierer und Zertifizierer eingebunden gewesen seien. Man habe diesen „vertrauen müssen“, so Messner, sie seien von den Projektträgern selbst ausgesucht worden. Insgeheim, so Messner, habe man das System von Anfang an für „betrugsanfällig“ gehalten. Es dauerte dennoch fast ein Jahr seit dem ersten Whistleblower-Hinweis im Juni 2023, ehe mit 8. Juni 2024 das Programm gestoppt wurde. Ursprünglich war es bis 2026 anberaumt.

Da es mittlerweile ausreichend andere Optionen zur Emissionsminderung gebe, so heißt es aus dem UBA, sei da System auch nicht mehr erforderlich.

Niedrigere Prämien für Elektrobusse – geringere Erlöse für THG-Quoten

Für die kommunalen Busunternehmen ist das alles ein schwacher Trost. Die Preise für die THG-Quoten sind dermaßen in den Keller gestürzt, dass dies einen erheblichen Effekt auf die Höhe der Erträge daraus hat.

Die Städtischen Werke Nürnberg (STWN) hätten bereits im Vorjahr um 30 Prozent geringere Prämien für ihre Elektrobusse erzielt. Dennoch hätten sie so die Gesamtkosten des Ladestroms mindern können. Nun jedoch komme auch ein Zusammenbruch auf dem Markt für THG-Quoten dazu. Der Umstieg auf Elektrobusse werde dadurch immer weniger rentabel.

Generell könnte der durch Hühnerstall-Gate bewirkte Vertrauensverlust auch Klimaschutzprojekte in anderen Bereichen belasten. Unternehmen und Organisationen im Energie- und Umweltsektor werden besonders genau hinschauen müssen, wie transparent und effektiv Projekte sind, in die sie investieren. Andernfalls drohen Vertrauensverluste bei Investoren und in der Öffentlichkeit. Aber auch der Finanzsektor und die Automobilindustrie werden striktere Kontrollmaßnahmen vonseiten der Politik fordern.

Der erste Skandal im Zusammenhang mit CO₂-Zertifikaten ist die Affäre jedoch nicht. Erst 2023 war eine Affäre rund um faule Zertifikate bekannt geworden, in welche die Vereinten Nationen selbst verstrickt gewesen sein sollen. So sollen Projekte zertifiziert worden sein, die den Erwerb von Billigzertifikaten ohne jedweden Effekt auf die Höhe von Treibhausgas-Emissionen ermöglicht haben sollen.

 



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