Hohe Politik an der Speisetafel – Demonstrationen gegen Erdogan in Berlin
Ein Staatsbankett ist eine ganz besonders ehrwürdige Form der Bewirtung von Gästen. In Deutschland ist allein der Bundespräsident protokollarisch berechtigt, zu einem Staatsbankett einzuladen. Er ehrt damit einen ausländischen Gast, der auf seine Einladung hin zu einem Staatsbesuch in Deutschland weilt. Ein solches Bankett ist in der Regel der feierliche Höhepunkt eines Staatsbesuchs. Seine Tradition als Instrument der Diplomatie reicht Jahrhunderte zurück.
Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wird am Freitagabend die Ehre eines Staatsbanketts in Schloss Bellevue zuteil, weil Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihn zu einem Staatsbesuch eingeladen hat.
Kritiker nehmen Anstoß daran, dass der Besuch angesichts des umstrittenen Gastes nicht in protokollarisch herabgestufter Form erfolgt – etwa als Arbeitsbesuch. Auch dann wäre Erdogan verköstigt worden, zum Beispiel bei einem Arbeitsessen.
Stattdessen erwartet den Gast aus Ankara nun ein Bankett mit Glanz und Gloria – und mit rund 120 geladenen Gästen. Die Auswahl trafen Steinmeier und seine Mitarbeiter in Absprache mit dem Auswärtigen Amt, nicht aber mit der türkischen Seite, heißt es im Bundespräsidialamt.
Eine ganze Reihe von Abgeordneten schlug die Einladung aus Protest gegen Erdogan aus. Absagen sind laut Präsidialamt allerdings normal. Deswegen würden Einladungen in mehreren Wellen versandt, um letztlich alle Plätze zu füllen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird nicht an dem Staatsbankett teilnehmen. Bei solchen Anlässen sei die Kanzlerin „nur gelegentlich“ dabei, hieß es dazu im Bundespräsidialamt. Merkel trifft Erdogan gleich zweimal während seines Besuchs in Deutschland: Zu einem Mittagessen im Kanzleramt am Freitag und dann am Samstagmorgen zu einem Arbeitsfrühstück.
Demonstrationen in Berlin – Stinkefinger und kurdische Parolen
In Berlin haben am Freitagnachmittag hunderte Menschen gegen den Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan demonstriert. Am Potsdamer Platz versammelten sie sich zu einer Großdemonstration „Erdogan not welcome“. Teilnehmer trugen Plakate, die sich unter anderem gegen die Militäraktionen der Türkei in Syrien richteten. Auf anderen Plakaten war der Schriftzug „Türkische Demokratie“ von einem Gitter überdeckt.
Dort und bei verschiedenen anderen Veranstaltungen wurde auch gegen Menschenrechtsverstöße und die Einschränkung der Pressefreiheit in der Türkei protestiert. Die Demonstranten wollten anschließend Richtung Großer Stern und damit in die Nähe von Schloss Bellevue ziehen. An der Großdemonstration nahmen auch viele Kurden teil.
Die Polizei ist während des Staatsbesuchs von Erdogan mit mehreren tausend Kräften im Einsatz. Nach Angaben der Berliner Polizei stehen bis zu 4200 Beamte bereit.
Am Donnerstagabend wurden bei einer nichtangemeldeten Demonstration in Berlin zwei Polizisten leicht verletzt. Die Demonstranten vermummten sich teilweise und warfen Steine auf die Einsatzkräfte, wie die Polizei am Freitag mitteilte. Auch wurden ein Wartehäuschen der Verkehrsgesellschaft, mehrere Autos und die Scheiben einer Bank in Kreuzberg beschädigt.
Aus der auf etwa 150 Menschen angewachsenen Ansammlung wurden demnach auch Parolen, unter anderem in kurdischer Sprache, gerufen. Die Kundgebung wurde schließlich gestoppt. Acht Tatverdächtige wurden wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz festgenommen. Zudem beschlagnahmten die Beamten Feuerwerkskörper sowie Fahnen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Erdogan selbst bekam Demonstranten in Berlin-Mitte zu Gesicht: Als seine Wagenkolonne am frühen Nachmittag nach dem Verlassen des Kanzleramts die Wilhelmstraße passierte, hielten ihm Passanten am Straßenrand als Zeichen des Protests den ausgestreckten Mittelfinger entgegen, wie ein AFP-Reporter beobachtete.
Am Donnerstag war Erdogan zu dem dreitägigen Staatsbesuch eingetroffen. Am Samstag reist der türkische Staatschef weiter nach Köln, um die neue Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union Ditib zu eröffnen. Auch in der Domstadt sind Proteste gegen ihn geplant. (afp)
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