Mut zur Lücke? Lindner verteidigt seinen Haushaltsentwurf
Im Bundestag beginnen am Dienstag die Beratungen über den Haushaltsplan des Bundes für 2025. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hält zur Einbringung eine 45-minütige Rede (12.00 Uhr), anschließend wird über den Haushaltsentwurf debattiert. Im Raum steht vor allem die Frage: Überschreitet die Ampel mit ihrem Haushalt die Grenze des Erlaubten?
Am Nachmittag werden außerdem die Einzeletats des Arbeitsministeriums (14.35 Uhr), des Landwirtschaftsministeriums (16.20 Uhr) und des Bauministeriums (18.05 Uhr) diskutiert.
Die Eckwerte
Fast 490 Milliarden Euro will die Ampel-Regierung im nächsten Jahr ausgeben, mehr als ein Zehntel – genauer gesagt 51,3 Milliarden – davon auf Kredit. Das sei laut Grundgesetz trotz Schuldenbremse möglich.
81 Milliarden Euro weist das Finanzministerium als Investitionen aus – ein Rekordniveau. Größter Posten unter den Ministerien ist mit großem Abstand der Sozialetat. 179 Milliarden Euro sind dafür eingeplant, ein Großteil ist allerdings durch gesetzlich garantierte Leistungen – wie das Bürgergeld – auch schon gebunden.
Die Inhalte
Besonders am Budget für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gibt es Kritik. Er soll zwar 1,3 Milliarden Euro mehr bekommen als zuletzt, doch das ist deutlich weniger als er eigentlich gefordert hatte.
Für Familien steckt im Etat eine Kindergelderhöhung um fünf Euro ab Januar. Ebenfalls steigen soll der Kindersofortzuschlag, der Familien mit geringen Einkommen zusätzlich unterstützt. Außerdem werden steuerliche Freibeträge angehoben. Für Firmen sind verbesserte Abschreibungsmodalitäten und Entlastungen bei den Strompreisen geplant. Für ausländische Fachkräfte soll es steuerliche Anreize geben.
Die Hilflosigkeit der Ampel
All das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ampel-Spitzen letztlich einen unfertigen Haushalt vorlegen. Bis zum Schluss konnten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Lindner nicht darauf einigen, wie bestehende Finanzierungslücken gestopft werden sollten – deshalb sind nun pauschale Einsparungen und Mehreinnahmen eingeplant, von denen noch niemand weiß, wie sie gedeckt werden sollen.
Die Schuldenbremse wird unter anderem nur deshalb eingehalten, weil geplante Zuschüsse an die Bahn in eine Eigenkapitalspritze umgewandelt wurden, die bei der Berechnung nicht zählt.
Der riskante „Hoffnungsposten“
Außerdem plant die Ampel mit einer sehr hohen globalen Minderausgabe von 12 Milliarden Euro. Sie wettet damit darauf, dass die Ministerien zusammen (daher „global“) am Jahresende noch 12 Milliarden ihres Budgets übrig behalten werden, weil Projekte scheitern oder Fördergelder nicht abgerufen werden. Das wäre viel, wie Verfassungsrechtler Hanno Kube in einem Gutachten schreibt, das die oppositionelle Union in Auftrag gegeben hat. Die Summe liege „sehr deutlich über den Erfahrungswerten aus der Vergangenheit“. Im Finanzministerium ist die Rede von der größten Deckungslücke in einem Regierungsentwurf in den vergangenen zwanzig Jahren.
Die Bundesregierung hofft, diese Lücke bis zum Winter noch verkleinern zu können – eventuell durch wachsende Steuereinnahmen und bessere Aussichten für die Wirtschaft. Das ist aber extrem unsicher. Genauso wie die Annahme, dass künftig mehr Bürgergeld-Empfänger arbeiten werden und weniger auf den Staat angewiesen sind.
Die Union äußerte deswegen erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel am Etat. „Der Haushaltsausgleich wird hingetrickst, um sich über die Legislaturperiode zu retten und eigene Lieblingsprojekte nicht zu gefährden, egal gegen wie viele Haushaltsgrundsätze dabei verstoßen wird“, sagt Chefhaushälter Christian Haase.
Auch die AfD kritisiert den Entwurf als unseriös. Die Ausgaben seien „konsequent, systematisch unterveranschlagt“ und die Einnahmen „konsequent überveranschlagt“. Der Bund der Steuerzahler spricht ebenfalls von „haushaltsrechtlichen Kunstgriffen“ und von „Hoffnungsposten“ in der Planung, die nicht unterlegt seien.
Die Unzufriedenheit der Koalitionspartner
Der Steuerzahlerbund meint, die Parlamentarier müssten den Haushaltsentwurf in den kommenden Wochen völlig neu schreiben. Das ist unwahrscheinlich, doch auch in der Koalition sind nicht alle zufrieden mit dem Zahlenwerk. Der Haushälter der Grünen, Sven-Christian Kindler, betonte sofort nach Kabinettsbeschluss: „Kein Gesetz geht ohne Veränderungen durch den Bundestag.“ Seiner Fraktion stößt zum Beispiel auf, dass trotz globaler Krisen bei der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit gekürzt wird. Generell würden die Grünen gern viel mehr investieren und dafür die Schuldenbremse lockern. Die SPD hätten sie dafür auf ihrer Seite – doch das reicht nicht aus.
Auch der SPD-Haushälter Dennis Rohde machte in Interviews von „Welt“, RND und „Stern“ deutlich, dass er von der Regierung noch Vorschläge erwartet, die Finanzierungslücke auf unter zehn Milliarden Euro zu drücken. FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer nannte den Handlungsbedarf von 2,4 Milliarden Euro „überschaubar“. Sollte der Haushalt mit einer etwas erhöhten Minderausgabe beschlossen werden, wäre das aber immer noch „im Rahmen des Vertretbaren“, befand Meyer in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Das wäre „kein Beinbruch“, urteilte auch der Ökonom Jens Südekum beim RND.
Hoch umstritten ist auch, dass für die Ukraine-Hilfe erst einmal vier Milliarden Euro eingeplant sind. Das war im vergangenen Jahr auch so, dann legte der Bundestag noch einmal vier Milliarden drauf. Einen solchen Spielraum sehen die Haushälter diesmal nicht – es könnte aber sein, dass sie trotzdem aufstocken. Zugleich hofft die Bundesregierung darauf, dass ein neues internationales Finanzierungskonzept für die Ukraine rechtzeitig fertig wird: Die Ukraine soll einen Kredit über 50 Milliarden Dollar bekommen, dessen Zinsen und Tilgung aus den Erträgen eingefrorener russischer Staatsvermögen gestemmt werden.
Der Zeitplan
Nach der ersten Haushaltswoche nehmen die Haushälter der Bundestagsfraktionen den Etat detailliert auseinander und prüfen, wo Änderungen sinnvoll und möglich sind. Das wird dann in der für November geplanten Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss festgezurrt – dem legendären Showdown, der meist bis in die frühen Morgenstunden geht.
Der so geänderte Etatentwurf geht dann in eine zweite Haushaltswoche im Parlament, an deren Ende der Beschluss steht. Das ist bisher für Ende November geplant. (dpa/afp/red)
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