Höhenflüge, Abstürze und ein Briefwahl-Rätsel: Rekorde und Kuriositäten bei der Brandenburg-Wahl

Die Detailergebnisse zur Landtagswahl in Brandenburg lassen eine Vielzahl an interessanten Entwicklungen erkennen. So war nicht nur die Wahlbeteiligung, sondern auch der Anteil der Briefwähler so hoch wie nie zuvor. Deutliche Unterschiede im Wahlverhalten gab es auch bei Erst- und Zweitstimmen.
Brandenburg wählt
Brandenburg hat gewählt.Foto: Frank Hammerschmidt/dpa
Von 23. September 2024

Die Landtagswahl in Brandenburg am Sonntag, 22.9., hat nicht nur die Mehrheitsverhältnisse in dem Bundesland komplett durcheinander geworfen, sie war auch an Rekorden und Kuriositäten nicht arm. So war am Wahltag nicht nur die höchste Wahlbeteiligung seit Wiedergründung des Bundeslandes Brandenburg zu verzeichnen. Auch die Anzahl der Briefwahlstimmen war mit 32,5 Prozent die bislang höchste in dessen Geschichte – im Jahr 1990 waren es zum Vergleich nur 9,4 Prozent.

Die Linkspartei in Brandenburg fällt innerhalb von 15 Jahren von 27,2 Prozent auf 2,98 Prozent

Dem amtlichen Endergebnis zufolge werden nur noch vier Parteien dem künftigen Landtag angehören. Der SPD gelang es dank einer spektakulären Aufholjagd in den letzten Wochen vor der Wahl, mit 30,9 Prozent der Zweitstimmen und 32 Mandaten ihre Position als stärkste Kraft zu verteidigen. Die AfD gewann zwar deutlich dazu, blieb jedoch mit 29,2 Prozent und 30 Sitzen hinter den Sozialdemokraten.

Mit aus dem Stand 13,5 Prozent und 14 Sitzen gelang es dem BSW von Sahra Wagenknecht, die CDU zu überholen. Diese fuhr mit 12,1 Prozent ihr drittschlechtestes Landtagswahlergebnis aller Zeiten ein und kommt nur noch auf 12 Sitze.

Nicht mehr im Landtag vertreten sind gleich drei Parteien. Die Grünen stürzten auf 4,2 Prozent der Zweitstimmen ab und verloren damit 6,6 Prozentpunkte. Mit einem Minus von 7,7 Prozentpunkten kam Die Linkspartei noch stärker unter die Räder. Die Partei, die als PDS in dem Bundesland 2004 noch 28 Prozent und fünf Jahre später unter ihrem neuen aktuellen Namen 27,2 Prozent erzielen konnte, liegt mittlerweile nur noch bei 3,0 Prozent der Zweitstimmen.

Deutliche Unterschiede nach Erststimmen-Verzicht des BSW

Zwischen Erst- und Zweitstimmen zeigten sich am Sonntagabend deutliche Unterschiede. Das hatte unter anderem damit zu tun, dass das BSW keine Direktkandidaten nominierte. Die Wagenknecht-Partei, die bei der Aufnahme von Mitgliedern restriktiv vorgeht, um Unterwanderungen zu vermeiden, soll derzeit in Brandenburg erst 36 Mitglieder haben. Geht man davon aus, dass alle Landtagskandidaten der Partei angehören, wären damit etwa 39 Prozent ihrer Mitglieder im Parlament.

Nicht nur SPD und AfD hatten bei den Erststimmen mit 33,6 Prozent und 31,52 Prozent bessere Ergebnisse als bei den Parteistimmen. Auch die CDU (15,97 Prozent), Die Linke (5,17 Prozent) und vor allem BSW/FW (7,02 Prozent) schnitten deutlich besser ab. Dies hing auch damit zusammen, dass Die Linke und BSW/FW in einzelnen Hochburgen auf ein Grundmandat gehofft hatten. Während die Freie-Wähler-Liste diesem zumindest nahe kam, konnte Die Linke auch bei den Erststimmen kaum noch Akzente setzen.

Die Grünen versuchten, im Stimmkreis Potsdam I ihr Direktmandat zu verteidigen und damit ihren Verbleib im Landtag zu sichern. Dies misslang. Allerdings waren die Grünen auch die einzige größere politische Kraft, die bei den Erststimmen insgesamt mit 3,44 Prozent noch schlechter abschnitt als bei den Zweitstimmen. Offenbar konnte die Partei vom Nichtantritt des BSW in keiner Weise profitieren.

Direktmandate mit Stimmenanteilen zwischen 26,3 Prozent und 46,5 Prozent

Das höchste Erstimmenergebnis erzielte Michael Hanko (AfD) im Stimmkreis Spree-Neiße II mit 46,5 Prozent, bei der SPD war es Daniel Keller in Potsdam II mit 42,8 Prozent. Das niedrigste Erststimmenergebnis, das für ein Direktmandat gereicht hat, waren 26,3 Prozent für Steffen John (AfD) in Barnim II. BSW/FW-Spitzenkandidat Péter Vida kam dort auf 23,9 Prozent.

Bei den Erststimmen war die AfD in 25 Wahlkreisen stärkste Kraft und erzielte entsprechend Direktmandate, die SPD kam auf 19 Wahlkreise. Bei den Zweitstimmen gab es mit 22 zu 22 ein Patt. Die AfD war in zehn Landkreisen stärkste Kraft bei den Erststimmen, die SPD in acht. Bei den Zweitstimmen gab es mit 9:9 auch hier Gleichstand.

Bei den Einzelgemeinden lag die AfD in 322 davon bei den Erststimmen voran gegenüber 90 mit der SPD als stärkste Kraft. Nur in Kloster Lehnin konnte die CDU die meisten Erststimmen erzielen – dort lag bei den Zweitstimmen jedoch die SPD vorn. Bei den Zweitstimmen war die AfD in 329 Gemeinden stärkste Kraft, die SPD in 84. Die Sozialdemokraten hatten ihre stärksten Ergebnisse vorwiegend in größeren Städten und Gemeinden.

AfD kam in mehreren Gemeinden auf mehr als 50 Prozent

Zu den AfD-Hochburgen zählten mehrere Gemeinden im Süden des Landes – unter anderem Hirschfeld (61,3 Prozent), Heinersbrück (58,1 Prozent) sowie Neiße-Malxetal, Plessa, Merzdorf, Gröden oder Hohenbocka. Dort kam die Partei jeweils auf mehr als 50 Prozent der Zweitstimmen. Aber auch im Norden und Nordosten kam sie teilweise nahe an diesen Wert heran, etwa mit 49 Prozent in Gartz an der Oder.
Unter den besten SPD-Ergebnissen waren Spreenhagen (40,7 Prozent), Wittenberge und Heideland (jeweils 37,1 Prozent), Falkensee (36,8 Prozent) und Potsdam mit 35,9 Prozent.

Zu den BSW-Hochburgen gehörten Gemeinden im Norden des Landes wie Lychen mit 19,6 Prozent der Zweitstimmen, Templin (18,2 Prozent) oder Schenkenberg (17,1 Prozent). Im Süden waren beispielsweise Schönewalde (16,7 Prozent) und Herzberg (16,6 Prozent) unter den Hochburgen.

Die CDU kam in Großbeeren auf 22,7 Prozent und in Dallgow-Döberitz auf 21,4 Prozent. Die Grüne konnten in Kleinmachnow 14,2 Prozent der Zweitstimmen, in Potsdam 12,6 Prozent und in Carmzow-Wallmow 14 Prozent holen. Das Bündnis BFW/FW kam in Bernau, der Heimatstadt seines Spitzenkandidaten, auf 9,5 Prozent. Die Linke konnte bei den Zweitstimmen in Schönermark 7,8 Prozent, in Eberswalde 7,4 Prozent und in Potsdam 6,0 Prozent erzielen.

FDP und Grüne in Brandenburg nicht einmal gemeinsam über fünf Prozent

Mit 35,85 Prozent der Zweitstimmen konnten die Ampel-Parteien zusammen mehr als ein Drittel auf sich vereinigen. Allerdings erreichten FDP und Grüne nicht einmal zusammen fünf Prozent. Die AfD konnte, da nur noch vier Parteien den Einzug schafften, ihre Sperrminorität sicherstellen. Das ermöglicht ihr, Entscheidungen zu blockieren oder zu beeinflussen, die einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfen.

Unter den Kleinstparteien konnte die erst im Juni gegründete, aus den Bauernprotesten hervorgegangene Partei „Deutsch Land Wirtschaft“ (DLW) mit 0,44 Prozent immerhin die WerteUnion (0,26 Prozent), den neonazistischen III. Weg (0,12 Prozent) und die DKP (0,07 Prozent) hinter sich lassen.

Die AfD hatte unter Wählern, die ihre eigene wirtschaftliche Situation als schlecht beurteilen, 47 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Die SPD kommt in dieser Gruppe nur auf 15 Prozent. Mit im Durchschnitt 38 Prozent kommt die AfD zudem in Gemeinden auf besonders hohe Ergebnisse, die von deutlichem Bevölkerungsrückgang betroffen sind.

AfD bei Briefwählern deutlich schwächer – BSW und CDU signifikant stärker

Deutliche Unterschiede bei den Stimmergebnissen zeigten sich erneut zwischen Urnenwählern am Wahltag und Briefwählern. Bei den Wählern, die am Wahltag selbst ihre Stimme persönlich abgegeben hatten, hatte die AfD mit 34,8 Prozent die Nase vorn. Demgegenüber erhielt die Partei unter Briefwählern nur 17,5 Prozent.

Bei anderen Parteien waren die Resultate unter den Briefwählern höher – vor allem bei der CDU (16,6 Prozent gegenüber 10,0 Prozent an der Urne) und beim BSW (16,9 Prozent zu 11,9 Prozent). Die SPD erzielte unter Briefwählern 32,0 Prozent und an der Urne 30,4 Prozent. Die Grünen hätten unter den Briefwählern mit 5,2 Prozent den Landtagseinzug geschafft.

Politiker der AfD und Anhänger der Partei hatten im Umfeld von Wahlen mehrfach behauptet, dass es bei der Briefwahl in Deutschland zu Manipulationen kommen würde. Dies hat offenbar dazu beigetragen, dass vor allem ihre Anhänger in weit unterdurchschnittlichem Maße von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch gemacht hatten.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion