Högl: Bundestag sollte zügig über Wehrdienst entscheiden

Der Jahresbericht der Wehrbeauftragten des Bundestages beschreibt eine Bundeswehr im Umbau. Es gibt weiterhin keine umfassenden Daten über Wehrfähige in Deutschland. Bekannt ist allerdings: das Durchschnittsalter der Soldaten liegt bei 34 Jahren.
Übergabe des Jahresberichts 2024 der Wehrbeauftragten
Übergabe des Jahresberichts 2024 der Wehrbeauftragten.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times11. März 2025

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, sieht die Bundeswehr in zunehmend schweren Personalnöten.

Während die Zahl der Soldaten bei rund 181.000 verharre, sei der Altersdurchschnitt binnen fünf Jahren deutlich gestiegen. Högl sagt: „Gleichzeitig wird die Bundeswehr immer älter. Während das Durchschnittsalter Ende 2019 noch 32,4 Jahre betrug, ist es bis Ende 2024 auf 34 Jahre gestiegen.“

Der Bundestag habe das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgelegte Wehrdienstmodell wegen der Neuwahlen nicht mehr verabschiedet, so Högl.

„Der nächste Bundestag sollte das Thema – die Einführung eines neuen Wehrdienstes sowie die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres – zügig diskutieren und Entscheidungen treffen.“

Kein umfassendes Lagebild möglicher Wehrpflichtiger

Vor allem fordert sie Tempo beim Wiederaufbau einer Wehrerfassung für den Dienst in den Streitkräften. Die Wehrpflicht war 2011 in Deutschland unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden.

Damit fielen Wehrerfassung, Musterung und die 52 Kreiswehrersatzämter weg.

„Dadurch liegt kein umfassendes Lagebild hinsichtlich der jeweils der Wehrpflicht unterfallenden Geburtsjahrgänge und deren Bereitschaft sowie ihrer Fähigkeiten für einen Wehrdienst mehr vor, obwohl die auf Artikel 12a Grundgesetz und dem Wehrpflichtgesetz beruhende Wehrpflicht für deutsche Männer als potenzielle Verpflichtung weiterbesteht“, so Högl.

„Ein Land, das auf einen möglichen Angriff mit einer hervorragend ausgebildeten und ausgestatteten Armee antworten könnte, schreckt potenzielle Aggressoren ab“, schreibt Högl. „Grundlegend hierfür sind Daten, wer im Spannungs- und Verteidigungsfall herangezogen werden kann, wie geeignet die Personen sind und welche Qualifikationen sie haben.“

20.900 Soldaten traten 2024 ihren Dienst an

Im Berichtsjahr traten rund 20.290 Soldaten ihren Dienst bei der Bundeswehr an, ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der hohe Anteil derjenigen, die den Dienst noch während der Probezeit abbrechen, bleibe aber weiterhin „äußerst problematisch“, so Högl.

Von den 2023 angetretenen 18.810 Soldaten haben demnach 5.100 (27 Prozent) die Bundeswehr wieder verlassen: 4.900 auf eigenen Wunsch durch Widerruf der Verpflichtungserklärung innerhalb der sechsmonatigen Probezeit und 200 durch Entlassungen.

Kernauftrag hat sich verändert

Der Kernauftrag der Bundeswehr habe sich vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges hin zur Landes- und Bündnisverteidigung verändert. Nun werde „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, „die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu bewältigen, die nicht selten auch auf Versäumnissen in der Vergangenheit beruhen“.

Es mangele unter anderem an funktionstüchtigem Großgerät und Ersatzteilen, „was zum Teil auch aus der so wichtigen Abgabe von Material an die Ukraine resultiert“, schreibt Högl. Deutschland müsse nun selbst rasch aufrüsten, und zwar „in Zukunftstechnologien“, wie Högl sagte. Sie nannte etwa Drohnen, Satelliten, Flugabwehrsysteme, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Ihr Jahresbericht stellt die Lage in der Bundeswehr nach Themenbereichen fest.

Finanzen

Mit rund 52 Milliarden Euro stand im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr ein um rund 1,8 Milliarden Euro erhöhtes Ausgabevolumen im Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14) zur Verfügung. Die Ausgaben beliefen sich 2024 auf rund 50,3 Milliarden Euro.

Darüber hinaus wurden aus dem Sondervermögen rund 19,8 Milliarden Euro bereitgestellt, von denen die Bundeswehr rund 17,2 Milliarden Euro ausgegeben hat. Högl schreibt: „Das Ministerium sollte in Zukunft sicherstellen, dass zur Verfügung stehende Gelder auch ausgegeben werden.“

Infrastruktur

Da gebe es weiter „erhebliche Probleme“. Der Gesamtinvestitionsbedarf belaufe sich aktuell immer noch auf rund 67 Milliarden Euro. Das sind 17 Milliarden mehr als ein Jahr zuvor. Kasernen und Liegenschaften seien teils „in einem desaströsen Zustand“. Projekte kämen teils kaum voran. Högl nennt eine Waffenkammer, wo seit dem Jahr 2017 der Baubeginn aussteht.

Im Text heißt es auch: „Die Dienststellen der Bundeswehr befinden sich in rund 1.500 Liegenschaften, die über ganz Deutschland verteilt und zusammengefasst ungefähr so groß wie das Saarland sind. Die gesamte Nutzfläche der etwa 35.000 Gebäude mit ungefähr 900.000 Räumen entspricht mit 27 Quadratkilometer in etwa der Größe des Frankfurter Flughafens.“

Bürokratisierung

„Insgesamt neigt die Bundeswehr durch ihr vorgegebene oder selbst geschaffene Regelungen und deren kleinteilige (zuweilen auch fehlinterpretierte) Umsetzung dazu, Dinge zu verkomplizieren“, schreibt Högl.

Eine Ursache liegt darin, dass die erforderliche Digitalisierung nicht vorankomme: „Beispielsweise berichtete ein Offizier auf einem Truppenbesuch der Wehrbeauftragten, dass es ‚16.000 Blatt Papier‘ bedürfe, um eine Kompanie in den Einsatz zu verlegen.“

Frauen

Im Jahr 2024 leisteten insgesamt 24.675 Soldatinnen Dienst in den Streitkräften. Damit sind Frauen außerhalb des Sanitätsdienstes mit 9,8 Prozent – und 13,6 Prozent insgesamt, einschließlich des Sanitätsdienstes – trotz aller positiven Entwicklungen der letzten Jahre weiterhin stark unterrepräsentiert.

Soldatinnen sehen sich zudem nicht selten Vorurteilen, Diskriminierung und zuweilen sexueller Belästigung ausgesetzt. Insgesamt erhielt die Wehrbeauftragte im Berichtsjahr 48 Eingaben zu sexualisiertem Fehlverhalten. Daneben beobachtete sie die Ermittlungen zu 376 meldepflichtige Ereignissen wegen des Verdachts auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

Extremismus

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) führte im Jahr 2024 insgesamt 305 (2023: 307) nachrichtendienstliche Abwehroperationen durch.

Die Phänomenbereiche sind Rechtsextremismus 219 (2023: 178), Reichsbürger und Selbstverwalter 5 (2023: 20), Islamismus 33 (2023: 32), Linksextremismus 11 (2023: 15), auslandsbezogener Extremismus beziehungsweise Ausländerextremismus 31 (2023: 47), Scientology Organisation 1 (2023: 1) und verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates 5 (2023: 14).

Suizide und Suizidversuche

Das Amt der Wehrbeauftragten zählte im Berichtsjahr 29 Selbsttötungen (2023: 15; 2022: 18; 2021: 20, 2020: 11, 2019: 21) und 44 Selbsttötungsversuche (2023: 57; 2022: 64; 2021: 58, 2020: 61, 2019: 52) von Soldaten. Ein einziger der im Berichtsjahr gemeldeten Fälle wurde mit einer Dienstwaffe begangen.

Straftaten gegen die Bundeswehr

Im Berichtsjahr war die Bundeswehr in 185 Fällen Ziel von Anschlägen oder Straftaten (2023: 122). In 13 Fällen betrafen sie Angehörige der Bundeswehr (2023: sechs), zum Beispiel beim Tragen der Uniform in der Öffentlichkeit.

In 172 Fällen richteten sich die Taten gegen das Eigentum der Bundeswehr (2023: 116). Dazu zählten unter anderem drei Brandanschläge und vier Sabotageakte. Högl weist auch bedrohliche Drohnenüberflüge hin.

Lebensrettungs- und Hilfsaktionen

Im Jahr 2024 hätten Soldaten in mindestens 57 – der Wehrbeauftragten bekannten – Fällen anderen Personen das Leben gerettet.

Die Wehrbeauftragte hilft nach Artikel 45b des Grundgesetzes dem Bundestag bei der Kontrolle der Streitkräfte. Sie gilt auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können. Högls fünfjährige Amtszeit endet in diesem Mai. (dpa/red)



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