„Höchst irritierend“: Union will Wahlleiterin vorladen – Vorwurf der Einflussnahme

Im Vorfeld der vorgezogenen Neuwahlen für eine neue Bundesregierung warnt Bundeswahlleiterin Brand vor zu wenig Papier. Gleichzeitig entsteht der Vorwurf auf Einmischung.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand
Bundeswahlleiterin Ruth Brand.Foto: Pressefoto
Von 10. November 2024

Bundeswahlleiterin Ruth Brand gerät in der Debatte um einen Termin für die vorgezogene Bundestagswahl zunehmend unter Druck. Die Union will Brand offenbar am kommenden Mittwoch in den Innenausschuss zitieren.

Es werde von der Bundeswahlleiterin Aufklärung zu einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verlangt, in dem sie vor einem zu frühen Neuwahltermin warnt, berichtete „Welt“.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), erklärte das öffentlich gewordene Schreiben gegenüber der Zeitung für „höchst irritierend“ und sieht darin einen Widerspruch zu früheren Aussagen.

„Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Schreiben auf eigene Initiative hin verfasst wurde oder ob das Bundeskanzleramt oder das SPD-geführte Innenministerium Einfluss darauf genommen haben“, sagte Throm.

Brand: „Es gab keine Einflussnahme“

Brand wies die Vorwürfe zurück. Ihr Sprecher teilte der Nachrichtenagentur „Reuters“ mit: „Es gab keine Weisung oder Einflussnahme auf die Position der Bundeswahlleiterin im Zusammenhang mit Neuwahlen.“

Weiter sagte der Sprecher: „Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist die Bundeswahlleiterin als unabhängiges Wahlorgan […] nicht an Weisungen, sondern an die gesetzlichen Vorschriften gebunden.“ Stattdessen gehöre es zu den Aufgaben der Bundeswahlleiterin, im Vorfeld von Wahlen unter anderem mögliche Risiken zu erwähnen.

Laut ihrem Sprecher habe Brand dem Kanzler schriftlich mitgeteilt, wie wichtig die ordnungsgemäße Durchführung der nun bevorstehenden Neuwahlen sei. Es gehe auch um das Vertrauen der Bürger in die Demokratie.

Bundeswahlleiterin befürchtet „unabwägbare Risiken“

Kanzler Scholz hatte nach dem Bruch der Ampel angekündigt, im Januar die Vertrauensfrage zu stellen, damit spätestens Ende März vorgezogene Neuwahlen stattfinden können.

Die Union und auch die FDP fordern einen früheren Termin – die SPD signalisierte hier zuletzt Gesprächsbereitschaft.

Bundeswahlleiterin Ruth Brand hatte am Freitag allerdings vor „unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen, insbesondere auf Gemeindeebene“, gewarnt, sollte ein Termin für die möglichen Neuwahlen zu früh angesetzt werden.

Sie verwies auf die Zeit rund um Weihnachten und Neujahr, aber auch darauf, dass möglicherweise nicht genügend Papier zur Verfügung stehe, um so schnell alle Stimmzettel und Wahlbenachrichtigungen drucken zu können.

Herrscht wirklich Papierknappheit?

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz sagte im „Stern“ erneut, die Wahlen könnten „problemlos Ende Januar stattfinden“. In Frankreich habe es innerhalb von vier Wochen Neuwahlen gegeben. „An den Feiertagen wäre Wahlkampfpause. Die Weihnachtsruhe halten wir ein.“

Die Neuwahl wäre in der zweiten Januar-Hälfte möglich, meint CDU-Chef Friedrich Merz.

CDU-Chef Friedrich Merz begrüßt möglichst frühe Neuwahlen. Foto: Christophe Gateau/dpa

Auch die deutsche Papierindustrie meldete sich zu Wort und widersprach Brands Bedenken. „Wir haben Papier“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands der deutschen Papierindustrie, Alexander von Reibnitz, am Samstag dem ZDF. „Die deutsche Papierindustrie ist sehr leistungsfähig.“

Deutschland ist in der Europäischen Union der führende Produzent von Papier, weltweit der viertgrößte. Im Jahr 2022 stellte die Branche rund 13 Millionen Kubikmeter (14 Millionen Tonnen) her. Zum Vergleich: Polen lag mit mehr als 3,5 Millionen Kubikmeter auf Platz sieben.

Von Januar bis September 2024 lag der Gesamtabsatz deutscher Papierfabriken von Papier, Karton und Pappe bei rund 14,6 Millionen Tonnen. Ein Bruchteil davon, rund 433 Tonnen Papier, wurde bei der Bundestagswahl 2013 verbraucht.

Auf die Frage, ob die deutsche Papierindustrie auch schnell genug das notwendige Papier für Wahlunterlagen für eine Neuwahl bereits im Januar liefern könne, sagte von Reibnitz: „Klare Antwort: Ja. Bei rechtzeitiger Bestellung können wir das benötigte Papier für eine vorgezogene Bundestagswahl liefern.“

Für eine Bundestagswahl werden tonnenweise Papier benötigt. Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images

Angebot aus Polen

Brands Bedenken über eine mögliche Papierknappheit nahm auch das Nachbarland Polen wahr und bot kurzerhand seine Hilfe an, allerdings nur mit Gegenleistung: „Wenn Deutschland Drucker und Papier braucht, werden wir beides auf jeden Fall an unsere Nachbarn verkaufen“, teilte Dariusz Joński, Europaabgeordneter der Mitte-links-Bürgerkoalition, mit. „Daran werden auch polnische Unternehmen verdienen, was die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft weiter steigern wird.“

Viele Nutzer auf dem sozialen Netzwerk X sehen darin eine Verspottung Deutschlands durch andere Länder.



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