Hochwasser und Kälte – Welche Folgen hat nun der Frost?

Der Kälteeinbruch in Deutschland könnte gut sein im Kampf gegen Hochwasserschäden an Deichen, heißt es. Dagegen fürchten Hausbesitzer in Überschwemmungsgebieten den Frost. Die Sache ist komplex.
Titelbild
Entwässerungspumpen in Oberröblingen an der Helme, 4. Januar 2024 (Sangerhausen, Sachsen-Anhalt).Foto: Jens Schlueter/Getty Images
Epoch Times7. Januar 2024

Das Hochwasser macht etlichen Menschen in Deutschland schwer zu schaffen – und nun kommt der Frost.

Hoffnungen kommen auf, dass die Kälte vor allem den Deichen mehr Stabilität geben könnte. Ist das sicher? Und was bedeuten die Minusgrade für Landwirtschaft, Tiere und Gebäude in den Hochwassergebieten?

Deiche

Es lasse sich nicht pauschal sagen, inwieweit sich Frost positiv oder negativ auf die Deichstabilität auswirke, sagt die Direktorin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Anne Rickmeyer, dpa.

Daher lautet ihr Rat: Die Lage an den Deichen müsse weiter genau beobachtet werden. „Hier ist immer der Einzelfall zu betrachten. Für die Aufrechterhaltung des Hochwasserschutzes müssen die Witterungsverhältnisse immer berücksichtigt werden und sind nur ein Baustein in der Gesamtbewertung der Lage.“

Wenn ein Deich etwa ohne Wasserwirkung Frost ausgesetzt sei, verfestige sich der Boden in einer bestimmten Tiefe – abhängig von den Temperaturen und der Dauer. „Dies kann bei einem dann eintretenden Wassereinstau positiv auf die Standsicherheit und Dichtigkeit wirken.“

Allerdings ist die Lage zurzeit vielerorts anders: Die Pegelstände sind teils noch immer hoch und Wassermassen drücken gegen Deiche.

„Steht bereits vor der Frostperiode relativ warmes Wasser am Deich an, so wird der Bereich unter dem Wasserspiegel nicht gefrieren und dort keine positiven Effekte eintreten.“ Oberhalb des Wassers aber werde die Erdoberfläche des Deiches gefrieren und verhindern, dass weiterer Niederschlag eindringt. „Das wäre dann positiv zu werten.“

Landwirtschaft

Hochwasser plus Frost – genau differenzieren muss man auch bei den Folgen für die Landwirtschaft. „Frost ist normalerweise ein Segen für unsere Böden“, sagt Prof. Christoph Tebbe vom Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig. Der normale Winterfrost sei gut, weil er den Boden auflockere. „Unsere Böden brauchen Frost.“

Anders sehe es aber aus, wenn der Ackerboden bei sehr niedrigen Temperaturen komplett unter Wasser stehe, erklärt Tebbe.

„Der Boden regeneriert sich dann nicht über den Winter und er ist zu dicht.“ Er könne dann nicht mehr so viel Wasser im Frühjahr aufnehmen. Letztlich könne das die Ernten beeinträchtigen.

Tiere

Um die Tiere und Pflanzen macht sich die Umweltstiftung WWF (World Wide Fund For Nature) in den überschwemmten Gebieten keine Sorgen – auch bei Frost nicht. „Tiere und Pflanzen haben sich in ihren Lebensräumen auf Hochwasser eingestellt“, sagt Albert Wotke, WWF-Experte für Flächennaturschutz, dpa.

„Es gibt auch Verluste.“ Das sei nicht ungewöhnlich und eine „natürliche Situation“. Hochwasser habe es schließlich schon immer gegeben.

Für die betroffenen Menschen seien die Überschwemmungen aber tragisch. „Das Problem ist, dass genehmigte Häuser in Gebieten stehen, wo sie eigentlich nicht hätten gebaut werden dürfen“, berichtet Wotke. Er beklagt in diesem Zusammenhang eine „Hochwasser-Demenz“: Erst gebe es bei Hochwasser große Aufregung und nach einem halben Jahr sei oft schon vieles wieder vergessen.

Gebäude

Die Kombination Hochwasser und Frost fürchten vor allem Hausbesitzer. Das Mauerwerk kann Schaden nehmen, wenn es feucht ist. „Denn wenn Wasser gefriert, dehnt es sich um zehn Prozent aus“, sagt Prof. Norbert Gebbeken, Experte für Baustatik der Bundeswehr-Universität München.

„Und diese Ausdehnung kann einen so hohen Druck erzeugen, dass Material oder Bauteile wirklich zerstört werden“ – vor allem, wenn Gebäudeteile bereits durchfeuchtet sind. Bei Minusgraden um die zehn Grad müssten Hausbesitzer versuchen, die Kälte nicht in durchnässte Gebäudeteile eindringen zu lassen, etwa mit Strohballen oder mit Wärmedämmplatten aus dem Baumarkt.

Allerdings: „Moderater und nicht lang anhaltender Frost wird im Keller stehendes Wasser nicht gefrieren lassen“, teilt Christine Buddenbohm vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes mit.

Die Tiefe, in die Frost eindringe, liege im gebirgigeren Süden tiefer als im Norden. In der Mitte Deutschlands liege die Tiefe bei 80 Zentimetern. Hausbesitzer sollten dennoch vollgelaufene Keller möglichst abpumpen, gleichzeitig andere Gefahren aber mitdenken.

Leichtsinn

Die erwarteten Minustemperaturen könnten örtlich überflutete Flächen gefrieren lassen. Die Feuerwehr warnt davor, solche Eisflächen zu betreten oder dort gar die Schlittschuhe auszupacken.

„Sieht gut aus“ ist kein Indikator, dass das Eis tragfähig ist“, sagte Jörg Rühle, Sprecher der Feuerwehr Hannover. Rühle rechnet damit, dass auch die Eisflächen leichtsinnige Menschen anlocken könnten.

In den vergangenen zwei Wochen wurden immer wieder Unvorsichtige gesichtet, die auf dem Kiteboard oder mit dem Kanu in den Hochwassergebieten unterwegs waren. „Das ist natürlich lebensgefährlich“, sagte Rühle.

Seit Beginn des Hochwassers warne die Behörde unablässig davor, sich in die Hochwassergebiete zu begeben. Seit Beginn des Hochwassers habe es vermehrt Wasserrettungseinsätze gegeben. Die genaue Zahl war nicht bekannt.

Einsatzkräfte

Kälte kann auch für Menschen belastend sein – das Technische Hilfswerk (THW) erwartet für seine Einsatzkräfte in Niedersachsen aber keine größeren Probleme durch die erwarteten Minustemperaturen.

„Wir haben momentan trotz der sinkenden Temperaturen keine Sorgen um unsere Einsatzkräfte“, sagte eine Sprecherin des THW in Niedersachsen. Alle Helfer seien vor Ort in festen und beheizten Unterkünften untergebracht.

Ihre Kleidung sei für jede Wetterlage geeignet und könne zum Beispiel durch spezielle Fleece-Einlagen noch kältebeständiger gemacht werden. „Wenn es über einen längeren Zeitraum noch kälter werden sollte, könnte man auch die Schichten der Einsatzkräfte verkürzen. Dies steht momentan allerdings noch nicht an“, so die Sprecherin. (dpa)



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