Historiker zu Friedensbemühungen: „Trump ist mehr als nur ein frischer Wind“
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Eine UN-Mission zur Absicherung des möglichen Friedensabkommens zwischen Russland und der Ukraine statt einer NATO-Friedenstruppe hält General a. D. Harald Kujat für die bessere Lösung.
„Ich persönlich halte eine UN-Mission nach Artikel 7 der UN-Charta für eine effektivere und nichtkontroverse Alternative, wenn beispielsweise Staaten wie Brasilien, Ägypten, Indien und Japan Truppen stellen.“
Denn dann müssten die USA und Russland als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates die politische Verantwortung für eine derartige Mission tragen, erklärte der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses am 27. Februar im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Eurasien Gesellschaft in Berlin.
Bei der Veranstaltung unter dem Titel „Chancen für Frieden in der Ukraine – Der Trump-Putin-Gipfel“, erklärte Kujat zudem, dass die Europäer allein auch überhaupt nicht in der Lage wären, die Anzahl an Soldaten aufzubringen, die zur Überwachung einer möglichen 1.300 Kilometer langen entmilitarisierten Zone zwischen der Ukraine und Russland nötig wären.
Dass die USA und Russland zunächst allein und direkt miteinander verhandeln, hält er für üblich.
In Deutschland, aber auch in Europa, würde dem US-Präsidenten Donald Trump immer wieder von Politikern unterstellt, dass er einen Diktatfrieden beabsichtige, so der einstige Generalinspekteur der Bundeswehr.
„Ich halte das für völlig überzogen und auch für unrealistisch, denn am Ende soll ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen beiden Kriegsparteien geschlossen werden.“
Es sei üblich, dass ein Vermittler, wie in diesem Fall die USA, mit den beiden Kontrahenten zunächst Einzelgespräche führe, um deren Verhandlungspositionen zu erfahren und Kompromissmöglichkeiten auszuloten, so der 82-Jährige.
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General a. D. Harald Kujat. Foto: Erik Rusch/Epoch Times
„Trump ist mehr als nur ein frischer Wind“
Der Gastgeber und Moderator des Abends, Alexander Rahr, Vorsitzender der Eurasien Gesellschaft, gab im Gespräch mit Epoch Times eine mögliche Erklärung, warum Russland sich offen für Friedensgespräche mit Trump zeigt.
„Trump ist mehr als nur ein frischer Wind“, so Rahr. Unter ihm seien die Amerikaner wieder zu einer Realpolitik zurückgekehrt, weg von einer „liberalen Wertepolitik, die man heute als eine Art Träumerei bezeichnen muss.“
Beide slawische Kriegsparteien hätten sich völlig verausgabt, so der Osteuropahistoriker. „Große Resultate kann weder die eine Seite noch die andere erzielen, wobei die Russen eher noch vordringen als die Ukrainer.“
Jedoch habe der russische Präsident Wladimir Putin insgeheim feststellen müssen, dass er seine Kriegsziele, die er sich vor drei Jahren gesteckt habe, nicht erreichen werde. „Putin wird keinen Regimewechsel in Kiew erzwingen. Er kann ihn indirekt vielleicht fördern, aber nicht erzwingen“, erklärte Rahr. Selenskyj werde entweder wiedergewählt oder abgewählt, aber er werde nicht von Russland abgesetzt.
Keine Entmilitarisierung der Ukraine
Auch eine Entmilitarisierung der Ukraine habe nicht stattgefunden, so der Politikwissenschaftler und Buchautor weiter. „Im Gegenteil. […] Und egal, wie der Krieg jetzt endet, werden weiter ausländische Truppen und eine starke ukrainische Armee in der West- und der Zentralukraine sich aufhalten.“
Somit könne die Ukraine weder von den Russen übernommen, besiegt noch anders geordnet werden können.
„Das heißt, Putin muss einfach einsehen, dass die Kräfte Russlands dafür gereicht haben, vier ukrainische Regionen einzunehmen, die Krim zu verteidigen, die Krimbrücke zu verteidigen und die NATO zurückzudrängen, indem nun über diese vier Regionen der Ukraine eine Pufferzone entstehen wird.“
Das sind die Region Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja, die Putin nach deren militärischer Besetzung durch die russische Armee im September 2022 und von der EU und UN als „illegal“ bezeichneten Referenden zu russischem Staatsgebiet erklärte. Die ukrainische Armee eroberte daraufhin große Teile wieder zurück. Jetzt stoßen die russischen Verbände wieder vor.
Rahr weiter: Diese Pufferzone sei für die Russen wichtig, um mögliche Sicherheitsbedrohungen seitens der NATO, die früher oder später in die Westukraine kommen werden, zu neutralisieren.
„Ich glaube, dass die russische Führung sich das sehr gut angeschaut hat und verstanden hat, dass sie mit Trump ein Zeitfenster hat, um das Beste daraus zu machen, um keinen Gesichtsverlust zu erleiden“, erklärt der Osteuropaexperte.
NATO-Gipfel 2008 in Bukarest
An der Veranstaltung nahm auch der ehemalige ungarische Diplomat und Botschafter a. D. Dr. György Varga teil. Er war ungarischer Diplomat mit Einsätzen in der Ukraine, Russland und der Republik Moldau.
Zudem war er Leiter der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine von 2017 bis 2021 an der 410 Kilometer langen ukrainisch-russischen Grenze des von russischstämmigen ukrainischen Separatisten kontrollierten Bereich im Donbas.
Er zeigt eine, aus seiner Sicht, merkwürdige Situation auf: „Heute führt die Ukraine mit Unterstützung von mehr als 40 Ländern einen bewaffneten Kampf, um Gebiete zurückzuerobern, deren friedliche Wiedereingliederung in ihr politisches und wirtschaftliches System sie seit 2015, trotz ihrer Verpflichtungen nach den Minsker Vereinbarungen, verweigert hat.“
Die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Dezember 2022 eingeräumt, dass die Vereinbarungen von Minsk der Ukraine Zeit geben sollten, sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten. Der ehemalige französische Präsident François Hollande unterstützte die Sichtweise.
Russland als Großmacht kann sich nicht leisten, Millionen von Menschen ihrer Minderheit in der direkten Nachbarschaft leiden zu lassen und keine Antwort auf die Annäherung von einem [westlichen] Militärbündnis zu geben“, so Varga.
Die EU finanziere den Krieg eines Landes, das nicht Mitglied der EU sei. „Und die NATO-Mitgliedsstaaten sind de facto Teilnehmer in einem Krieg, wobei kein NATO-Mitglied verteidigt werden muss“, erklärt der ehemalige Botschafter.
Dies zeige für viele, so Varga, dass die Ukrainepolitik des Westens gescheitert sei. „Wir haben die Weltwirtschaft [mit den Sanktionen gegen Russland] in den Bereichen Energie, Transport, Finanzmarkt und Handel effektiv zerstört.“
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Die Eurasien Gesellschaft lud nach Berlin zu seiner Veranstaltung am 27. Februar 2025 mit (v.l.) Botschafter a. D. Dr. György Varga aus Ungarn und General a. D. Harald Kujat ein. Foto: Erik Rusch/Epoch Times
Für ihn hat der jetzige Krieg nicht mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 angefangen. „Wir können zwei sehr wichtige Punkte festhalten – 2008 und 2014“, erklärt der ehemalige Diplomat.
Der Status der Ukraine sei als ständig neutrales und blockfreies Land in der Deklaration über die staatliche Souveränität definiert worden und von einem Bürgerreferendum am 1. Dezember 1991 mit einer Mehrheit von über 90 Prozent bestätigt worden, führt der Ungar aus.
Auf dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest wollte jedoch der damalige US-Präsident George W. Bush eine schnelle NATO-Aufnahme der beiden früheren Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien erreichen. Russland hatte vorab immer wieder signalisiert, dass es dies nicht tolerieren werde und eine Pufferzone zur NATO benötige.
Deutschland und Frankreich stellten sich gegen USA
Mehrere Länder, unter anderem auch Deutschland und Frankreich, stellten sich gegen die Bestrebungen von Bush. Heraus kam ein Kompromiss: Die beiden Länder erhielten eine Zusage zu einem künftigen Beitritt, aber keine konkrete Zusage für einen Kandidatenstatus.
Varga sieht in der gemeinsamen Erklärung der Teilnehmer des NATO-Gipfeltreffens 2008 einen strategischen Fehler.
In der Ukraine habe es damals keine gesellschaftliche Unterstützung für eine NATO-Mitgliedschaft gegeben. Die Erklärung von Bukarest habe laut dem Diplomaten der Ukraine das Recht entzogen, ihre Zukunft als neutraler und blockfreier Staat selbst zu bestimmen. Das Recht auf einen neutralen Status sei der Ukraine damals von der NATO entzogen worden.
Als zweites Ereignis benennt er den aus seiner Sicht „verfassungswidrigen Machtwechsel“ in der Ukraine am 22. Februar 2014, der vom Westen unterstützt und nicht sanktioniert worden sei. „Der Westen koordinierte und erkannte die politischen [Umsturz-]Kräfte als legitim an, die die Macht illegitim übernommen hatten, was zu einem Bürgerkrieg mit nachhaltigen Folgen führte.“
Damals wurde der demokratisch gewählte russlandfreundliche ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch mit westlicher Hilfe gestürzt. Nach der Flucht von Janukowitsch nach Russland wurde der westlich orientierte Oppositionspolitiker Arsenij Jazenjuk Ministerpräsident einer ukrainischen Übergangsregierung.
Varga führt weiter aus: Russland habe mit der Annexion der Krim im März 2014 nach dem Putsch in Kiew gegen das Budapester Memorandum vom Dezember 1994 über die nukleare Abrüstung verstoßen. „Moskau verletzte die territoriale Integrität der Ukraine. Aber über die Verletzung der Souveränität der Ukraine durch die NATO 2008 und 2014 wird nicht gesprochen“, so der ehemalige ungarische Botschafter.
Das Budapester Memorandum garantiere sowohl die damaligen Grenzen als auch die Souveränität der Ukraine. „Die NATO war die Erste, die gegen das Memorandum verstieß und gleich zweimal“, erklärt der ehemalige Diplomat im Hinblick auf den ukrainisch-russischen Konflikt.
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Die Eurasien Gesellschaft lud nach Berlin zu seiner Veranstaltung am 27. Februar 2025 unter dem Titel „Chancen für Frieden in der Ukraine – Der Trump-Putin-Gipfel“ ein. Foto: Erik Rusch/Epoch Times
Kujat: NATO ist wichtig
Auch die Situation Deutschlands und ein möglicher Austritt aus der NATO waren Thema: Für Deutschland sei das Militärbündnis wichtig und eine NATO ohne die USA sei undenkbar, so Kujat auf die Frage eines Zuhörers.
„Weil dieses Bündnis [durch die USA] über Fähigkeiten verfügt, die die Europäer niemals erlangen werden können. Das muss man ganz klar sagen.“ Das seien nicht nur eine nukleare strategische Komponente, sondern auch konventionelle militärische Fähigkeiten der USA, die Europa nicht habe, führte der General a. D. aus.
Dennoch sei es für Deutschland wichtig, sich stärker um seine Sicherheit zu kümmern, „dass wir politisch vor allen Dingen freier werden, selbst zu handeln und unsere Interessen zu vertreten“, erklärte Kujat.
Darüber hinaus sollte sich auch Europa politisch, wirtschaftlich und technologisch stärker selbst behaupten, führt er weiter aus. Die Bundeswehr müsse zur Landes- und Bündnisverteidigung in der Lage sein. Ein „ständiges Rufen“ nach mehr Aufrüstung und dass Russland eine große Bedrohung darstelle, halte er hingegen für überzogen.
Der Osteuropaexperte Rahr erklärt, dass es auch in Russland eine Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung und den Wunsch nach Frieden gebe.
Die Mehrheit der Russen will den Frieden.“
Das würden auch die Umfragen zeigen. „Aber die Mehrheit der Russen will auch keine Niederlage.“ Putin werde unterstützt aus der Notwendigkeit heraus, den Krieg nicht zu verlieren, so der Politikwissenschaftler.
„Das ist eine ernsthafte Sache. Dahingehend sind die Russen Patrioten.“
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