Heute Frau, morgen Mann: Finale Abstimmung über Selbstbestimmungsgesetz

Heute stimmt der Bundestag über Änderungen zum Geschlechtseintrag und dem Vornamen ab. Kann man dann einmal im Jahr seinen Geschlechtseintrag wechseln? Um was geht es?
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Heute Paul, morgen Paula. Das Selbstbestimmungsgesetz erlaubt einfachere Änderungen beim Vornamen und beim Geschlechtseintrag.Foto: iStock
Epoch Times12. April 2024

Das umstrittene Transsexuellengesetz soll abgeschafft werden. Die Ampel-Koalition will stattdessen mit einem Selbstbestimmungsgesetz dafür sorgen, dass eine einfache Erklärung beim Standesamt ausreicht, um Geschlechtseintrag oder Vornamen zu ändern.

Betroffene sollen außerdem vor einem ungewollten Outing geschützt werden. Am Freitag will der Bundestag abschließend über das Gesetz beraten – von der Opposition kommen Warnungen und Kritik.

Was soll künftig gelten?

Volljährige transsexuelle, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sollen mit einer einfachen Erklärung beim Standesamt die gewünschten Änderungen erreichen können. Dann können Dokumente wie der Reisepass umgeschrieben werden.

Diese verlangte „Erklärung mit Eigenversicherung“ muss nicht mit Gutachten flankiert werden und wird nicht gerichtlich überprüft. Sie ist unabhängig davon, inwieweit sich der oder die Betroffene zu geschlechtsangleichenden medizinischen Eingriffen entscheidet. Betroffene müssen lediglich erklären, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht.

Transsexuelle sind Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das sie bei der Geburt haben. Als intergeschlechtlich werden Menschen bezeichnet, die körperliche Geschlechtsmerkmale haben, die nicht ausschließlich männlich oder weiblich sind. Unter nichtbinär werden Menschen verstanden, die sich selbst nicht in die gängige Geschlechtseinteilung in Mann/Frau einordnen.

Was ist mit unter 18-Jährigen?

Bei Kindern unter 14 Jahren sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können. Jugendliche ab 14 Jahren können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern.

Gibt es hier innerfamiliäre Konflikte, kann das Familiengericht die Entscheidung treffen. Maßstab soll das Kindeswohl sein. Die Jugendlichen, oder bei Unter-14-Jährigen die Eltern, müssen zudem eine Erklärung abgeben, dass sie sich zuvor haben beraten lassen. Diese Beratung kann durch einen Psychologen oder die Kinder- und Jugendhilfe erfolgen.

Muss der Vorname immer mitgeändert werden?

Prinzipiell schon, es sei denn, der alte Vorname passt auch zum neuen Eintrag. Grundsätzlich gilt: Der Vorname muss dem Geschlechtseintrag entsprechen. Wer also beispielsweise den Eintrag „männlich“ wählt, kann als Namen nicht Bettina oder Julia eintragen lassen.

Insgesamt gibt es wie bisher die Wahl zwischen „männlich“, „weiblich“ und „divers“. Betroffene können sich auch entscheiden, keine Geschlechtsangabe zu machen. Eine separate Änderung des Vornamens ohne Änderung des Geschlechtseintrags ist auf Basis des Selbstbestimmungsgesetzes nicht möglich.

Wie oft kann der Geschlechtseintrag geändert werden?

Eine zahlenmäßige Begrenzung ist nicht vorgesehen. Allerdings soll es eine Sperrfrist von einem Jahr geben – erst danach ist eine erneute Änderung möglich. „Dies dient dem Übereilungsschutz und soll die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches sicherstellen“, heißt es in dem Entwurf.

Ab wann gelten die neuen Regeln?

Ab 1. November 2024 – vorausgesetzt, dass der Bundestag grünes Licht gibt. Zu beachten ist dabei allerdings: Eine Änderung des Geschlechtseintrags muss drei Monate im Voraus beim Standesamt angemeldet werden.

Was steht noch in der Vorlage?

Es soll ein „bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot“ geben – gemeint ist damit, dass es untersagt wird, gegen den Willen eines Menschen dessen frühere Geschlechtszuordnung oder den früheren Vornamen offenzulegen. Wer dies dennoch tut, muss mit einem Bußgeld rechnen.

Es geht darum, ein „Zwangs-Outing“ zu verhindern. Für Menschen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, soll die Eintragung „Elternteil“ in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht werden.

Welche Regelung war besonders umstritten?

Intensive Debatten gibt es in der Frage von Hausrecht und Zugang zu geschützten Räumlichkeiten – also etwa Saunen, Umkleidekabinen, Frauenhäusern und anderen Schutzräumen insbesondere für Frauen.

Manche Frauenrechtlerinnen hatten Bedenken geäußert, solche Schutzorte generell auch für Trans-Personen öffnen zu müssen. Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht nun aber unberührt. Dabei gilt aber immer das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierungen verhindern soll.

Wie viele Menschen betrifft das neue Gesetz?

Die letzten verfügbaren Daten dazu stammen aus dem Jahr 2021, in dem es laut Bundesjustizamt 3232 Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags gab. Die Pressestelle des Queerbeauftragten geht künftig von etwa 4000 Erklärungen im Jahr aus.

Welche Regelung gilt bisher?

Das aus dem Jahr 1980 stammende Transsexuellengesetz sieht vor, dass Betroffene für eine Änderung des Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten einreichen müssen. Am Ende entscheidet dann das zuständige Amtsgericht. Teile der Vorschriften wurden inzwischen vom Bundesverfassungsgericht verworfen. Betroffene kritisieren das Verfahren als langwierig, teuer und entwürdigend – sie sprechen von einer „psychiatrischen Zwangsbegutachtung“. (afp/dpa/red)



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