„Heimkehr-Förderung“: Beschlusspapier der AfD Bayern sorgt für Widerspruch
Bei ihrem Landesparteitag in Greding hat der bayerische Landesverband der AfD am vergangenen Wochenende eine „Bayerische Resolution für Remigration“ verabschiedet.
Wie aus dem Entschließungspapier hervorgeht, solle der „Schutz vor Krieg und Verfolgung“ zwar weiterhin „völkerrechtskonform gewährt“ werden. Für „außereuropäische Schutzsuchende“ solle dieser Schutz allerdings nur noch außerhalb des deutschen oder europäischen Territoriums stattfinden.
Illegale Migration und Missbrauch von Asyl beenden
Den AfD-Autoren geht es laut Resolution primär nicht nur um Menschen, die illegal und unter Missbrauch des Asylsystems nach Europa gelangen wollen, sondern auch um jene, die bereits unter diesen Vorzeichen angekommen sind.
„Beides, illegale Migration sowie Missbrauch von Asyl, muss mit allen Mitteln der Rechtsstaatlichkeit bekämpft werden“, zitiert die Resolution aus der „Wiener Erklärung“, die der ungarische Premierminister Viktor Orbán und der österreichische FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl am 31. Oktober 2024 gemeinsam unterschrieben hatten. Dieser Forderung schließe sich die bayerische AfD an, heißt es in dem Resolutionspapier (PDF).
Auch „Personengruppen mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit und -willigkeit“ sollen nach Vorstellungen der AfD Bayern in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Dabei sollen sie „obligatorische Rückkehrprogramme“ durchlaufen. Im Gegenzug verspricht die Resolution Unterstützung bei der „Reintegration“ vor Ort und beim „(Wieder-)Aufbau ihrer Heimat“.
Eine legal erworbene deutsche Staatsbürgerschaft sei „selbstverständlich“ anzuerkennen, „bereits erbrachte wirtschaftliche wie gesellschaftliche Integrationserfolge und entstandene familiäre Verbindungen“ seien zu respektieren. „Bei schweren Verstößen gegen das geltende Recht“ solle aber ein einfacherer Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft ermöglicht werden.
Remigration als „Heimkehr-Förderung“
Im politischen Kontext will die bayerische AfD den „wissenschaftlichen Begriff der Remigration“ als „Sammelbegriff für Heimkehr-Förderung“ verstanden wissen, der „als vielperspektivische Gesamtstrategie umzusetzen“ sei.
Von der bayerischen Staatsregierung verlangt die Resolution konkret, „ihre Anstrengungen massiv zu erhöhen, um ihrer Kernaufgabe der konsequenten Abschiebung ausreisepflichtiger Personen, prioritär aber der bereits straffällig gewordenen, endlich gerecht zu werden“. Die AfD Bayern schlägt dazu eine Reihe von Maßnahmen vor:
- Ende der „Turbo-Einbürgerung“
- Umgehende Abschiebung von „schwer straffällig gewordenen Schutzsuchenden“ nach „Ausräumung“ der „anscheinend politisch gewollten Abschiebehindernisse“
- Die Verbüßung von Haftstrafen soll grundsätzlich in den Heimatstaaten der Delinquenten stattfinden
UNO, NATO und EU in der Pflicht
Um den anhaltenden Zustrom illegaler Migranten einzudämmen, sieht die Bayern-AfD sämtliche „politisch-administrativen Ebenen von der UNO über die NATO und die EU über die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung bis hin zu den Landkreisen und Kommunen in Bayern“ in der Pflicht. Für erforderlich hält die Bayern-AfD:
- Verhandlungslösungen statt Waffenlieferungen für Kriegsparteien „in der Nachbarschaft Europas“
- Sofortiger lückenloser Grenzschutz durch EU und Bundesregierung, um den Migrationsmagnet „komfortable Sozialstaat-Hängematte für die ganze Welt“ abzustellen
- Schutz- und Entwicklungszonen außerhalb Europas, in denen die Schutzbedürftigkeit überprüft wird, einzurichten durch die Bundesregierung und die EU
- Verbringung von illegal Eingereisten „mit anschließendem Asylgesuch“ in ein möglichst heimatnahes „außereuropäisches Schutzzentrum“ oder in „sichere Teilgebiete des Herkunftslandes“
Remigrationsagenda 2034 der AfD Bayern
Der letzte Punkt der „Remigrationsstrategie“ deutet Art und Umfang eines Politikwechsels in Migrationsfragen an:
Die Außen-, Entwicklungs-, Außenwirtschafts- und Innenpolitik sind auf das Primärziel einer Remigrationsagenda zu fokussieren und entsprechend aufeinander abzustimmen, um dem Staatsziel einer umfassenden Remigration im Millionenbereich für die kommenden 10 Jahre gerecht zu werden. Durch eine stringente Mischung aus Anreizen und Druckmitteln ist die nötige Kooperationswilligkeit der Herkunfts- und Rücknahmestaaten zu erwirken.“
Dr. Rainer Rothfuß, der erste stellvertretende Vorsitzende der AfD Bayern, erklärte bei seiner Rede auf dem Landesparteitag, dass die deutsche Bevölkerung zwar „grundsätzlich hilfsbereit“ sei, diese Haltung aber durch die Regierung und die Medien „ausgenutzt und ausgelutscht“ werde. Es bedürfe deshalb Rückkehrprogrammen, „die wirklich in der Perspektive auch Millionen von Remigranten umfassen können“ (Video auf YouTube).
CSU-Innenminister Herrmann: „ausländerfeindlich, zum Teil auch rassistisch“
Nach Informationen der „Welt“ bezeichnete der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Entschließung als „indiskutabel“.
Im Bayerischen Rundfunk (BR) sagte Herrmann, es fehle „in der ganzen Betrachtung auch völlig das Thema, dass wir auch für unseren Arbeitsmarkt Menschen brauchen, dass wir qualifizierte Zuwanderung brauchen“. Die AfD dagegen rede nur davon, „Ausländer rauszuschmeißen“, obwohl man so „die Zukunft unseres Landes nicht gestalten“ könne. Unter dem Begriff Remigration verstehe die AfD „eine extrem ausländerfeindliche und zum Teil auch rassistische Politik“, so Herrmann laut BR.
Noch Anfang September hatten der bayerische Innenminister und CDU-Chef Friedrich Merz am Rande eines Migrationsgipfels selbst gefordert, dass es künftig möglich sein müsse, Asylsuchende an den Außengrenzen zurückzuweisen. Merz wollte sich damals vorbehalten, im Fall von EU-rechtlichen Problemen sogar eine „nationale Notlage“ auszurufen.
Im Februar 2019 hatte Herrmann „schon aus Sicherheitsgründen“ ein europäisches Ein- und Ausreiseregister nach US-Vorbild verlangt.
Grüne gegen „Deportationspläne“
Britta Haßelmann, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, machte ihrem Ärger unter Anspielung auf den „CORRECTIV“-Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ vom Januar 2024 auf ihrem X-Kanal Luft.
„Die AfD schmiedet ihre Deportationspläne nicht mehr in Geheimtreffen wie in Potsdam, sie beschließt das auf Parteitagen wie jetzt in Bayern“, schrieb Haßelmann. Es gelte, „Land, Demokratie und Freiheit vor den Feinden der Demokratie“ zu schützen.
Ihre Parteikollegin Katharina Schulze, die Chefin der bayerischen Landtagsfraktion der Grünen, erklärte gegenüber dem BR, die AfD sei „offen rechtsextrem und menschenverachtend“ unterwegs. Sie plane „die millionenfache Ausweisung, Deportation von Menschen, die hier leben“. Angesichts dessen müsse jetzt „ein AfD-Verbotsverfahren zur Prüfung“ kommen.
Vural Ünlü, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Bayern, wertete das AfD-Papier nach Angaben des BR als einen „gezielten Angriff“ auf Millionen Bürger mit Migrationshintergrund, „die in Bayern geboren wurden und den Freistaat als ihre Heimat sehen“. Es gehe der Partei mit ihrem Verweis auf „schwach ausgeprägte Integrationsfähigkeit“ in Wahrheit nicht um Straftäter, sondern „pauschal“ um „Menschen, die allein aufgrund ihres Namens, ihres Aussehens oder ihrer Religion nicht in das Weltbild der AfD passen“.
FDP und CDU mit ähnlichen Ansätzen
Unter dem Titel „Für eine neue Realpolitik in der Migration – Maßnahmen für eine Migrationswende“ hatte auch die FDP-Fraktion im Bundestag am 5. September ein gut 20 Seiten starkes Positionspapier veröffentlicht (PDF).
Es sah unter anderem vermehrte Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen, geringere Sozialleistungen, eine Arbeitspflicht für Asylbewerber, Pilotprojekte für Asylverfahren in Drittstaaten und mehr Druck auf die übrigen EU-Staaten vor.
CDU-Parteichef Friedrich Merz hatte etwa um die gleiche Zeit Gespräche mit der Bundesregierung an die Bedingung geknüpft, ihm eine „verbindliche Erklärung zu geben, dass der unkontrollierte Zuzug an den Grenzen gestoppt wird und diejenigen, die immer noch kommen, an den Grenzen in Deutschland zurückgewiesen werden“. Auch damals hatten sich insbesondere Vertreter aus den Reihen der Grünen gegen eine deutlich restriktivere Migrationspolitik gewehrt.
AfD Bayern „rechtsextremistischer Verdachtsfall“
Nach einem vorläufigen Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 1. Juli 2024 darf der bayerische Landesverband der AfD als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ bis auf Weiteres vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Der Landesverband wehrt sich gerichtlich gegen die entsprechende Einschätzung durch das Landesamt für Verfassungsschutz.
Bei der jüngsten Landtagswahl im Freistaat hatte die AfD am 8. Oktober 2023 mit 14,6 Prozent ein überraschend starkes Ergebnis hinter den Regierungsparteien CSU (37,0 Prozent) und Freie Wähler (15,8 Prozent) erzielt. Die Grünen wurden mit 14,4 Prozent viertstärkste Kraft. Die SPD konnte als kleinste Oppositionspartei 8,4 Prozent der Wähler hinter sich versammeln.
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