Heimaturlaub im Verfolgerland? Schutzberechtigte besuchen Afghanistan – und lösen politische Debatte aus

Obwohl sie vor einer Abschiebung in das Land wegen eines drohenden „ernsthaften Schadens“ Schutz in Deutschland genießen, machen einige Flüchtlinge Urlaub in Afghanistan. Dies hat eine Reportage aufgedeckt. Die Politik sieht sich im Zugzwang.
Taliban-Kämpfer mit Maschinengewehren vor einer Moschee in Kabul (Archivbild).
Sommer, Sonne, Taliban: Erholungsreisen subsidiär Schutzberechtigter nach Afghanistan haben politischen Wirbel ausgelöst.Foto: Ebrahim Noroozi/AP/dpa
Von 18. August 2024

Eine jüngst erschienene Reportage des Fernsehsenders RTL hat aufgedeckt, dass afghanische Staatsangehörige, die in Deutschland subsidiären Schutzstatus genießen, zunehmend in ihrem Herkunftsland Erholungsurlaub machen. Dies soll sogar häufig unter Mitwirkung deutscher Reisebüros geschehen. Die Reisen haben nun eine politische Debatte über mögliche Konsequenzen ausgelöst.

Wie man mit dem blauen Pass nach Afghanistan gelangt

Der Sender hatte ein Undercover-Team damit betraut, Erkenntnisse über freiwillige Reisen afghanischer Schutzberechtigter in jenes Land zu erlangen, aus dem diese geflohen waren. Dabei kam heraus, dass es diesen in mehreren Fällen gelungen war, offiziell mit dem sogenannten blauen Pass zu reisen, den Deutschland Flüchtlingen als Reisedokument zur Verfügung stellt.

Die Konstruktion, die dafür verwendet wurde, ist ein sogenanntes Double-entry-Visum. Dieses erlaubt eine mehrfache Einreise in ein Zielland während eines bestimmten Zeitraums.

In den meisten Fällen der afghanischen „Heimaturlauber“ ist das Recherchen zufolge die Türkei oder der Iran. Da ein Teil dieses Visums aus einem losen Blatt besteht, sei es einfach, die Weiterreise von dort nach Afghanistan vor deutschen Behörden zu verbergen.

Wer als afghanischer Staatsangehöriger mit Schutzstatus in Deutschland in sein Herkunftsland reist, bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone.

Kein bedingungsloses Verbot – aber Anlass für Zweifel am Schutzbedürfnis

Unter engen spezifischen Gründen wie dem Besuch eines schwer kranken Familienmitglieds oder der Teilnahme an einer Beerdigung kann eine solche Reise sogar gerechtfertigt sein. Im Fall eines Erholungsurlaubs – aus dem sich in vielen Fällen Szenen auf TikTok oder ähnlichen Plattformen wiederfinden – stellt sich jedoch die Frage nach der weiteren Berechtigung des Schutzstatus.

Immerhin ist dieser auf Paragraf 4 Asylgesetz gestützt. Dieser greift, wenn ein Asylant einen Asylgrund nicht nachweisen kann, aber stichhaltige Anhaltspunkte für einen drohenden ernsthaften Schaden im Fall der Rückkehr.

Als solcher gilt etwa, wenn der Asylant die Todesstrafe oder Folter beziehungsweise unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung befürchten muss.

Reist ein subsidiär Schutzberechtigter nun in ein solches Land zu Erholungszwecken ein, stellt sich unweigerlich die Frage nach einer weiteren Berechtigung seines Schutzstatus.

CDU-Innenpolitiker Alexander Throm forderte, den Betroffenen „ohne Wenn und Aber den Schutzstatus und das Aufenthaltsrecht“ zu entziehen. Wer als subsidiär Schutzberechtigter in Afghanistan Urlaub mache, solle mit einer „sofortigen Einreisesperre“ belegt werden.

„Folglich keine unmittelbare Gefahr für ihr Wohl vorhanden“

Bereits im Jahr 2019 hatte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer vor einem ähnlichen Phänomen mit Blick auf Syrien-Flüchtlinge gestanden. Es wurden auch damals Forderungen nach Konsequenzen laut. Seither haben sich Bund und Länder im Wesentlichen wechselseitig die Verantwortung für eine Begradigung der Situation zugeschoben.

Nun will die Ampel offenbar eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen. Wie der „Focus“ berichtet, kommt aus allen drei Regierungsparteien Unterstützung für eine Gesetzesänderung.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, bekennt sich zum humanitären Schutz für Menschen, denen in ihrer Heimat Gefahr für Leib und Leben. Gegenüber der Mediengruppe Bayern äußert er auch: „Wenn aber Personengruppen in die besagten Heimatländer für einen Urlaub zurückkehren, dann kann folglich keine unmittelbare Gefahr für ihr Wohl vorhanden sein.“

Bund und Länder müssten jetzt gemeinsam eine vorhandene Gesetzeslücke beheben und klären, „wie ein Schutzstatus bei nachweisbaren Rückreisen aberkannt werden kann“. Der Deutschen Polizeigewerkschaft zufolge sei diese Lücke leicht zu beseitigen.

FDP für Einreiseverbot nach Urlaub in Afghanistan

Auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lamya Kaddor, zeigt sich für gesetzliche Klarstellungen zu Reisen mit blauen Pässen offen. Es stehe solchen Reisen grundsätzlich nichts entgegen. Allerdings sei es wichtig, „Transparenz über die Reiseziele zu erlangen und die Kontrolle bei der Wiedereinreise zu garantieren“.

Kaddor schlug vor, eine Vermerkpflicht aller Reisen im Pass statt auf losen Blättern zu verankern und die Bundespolizei personell zu stärken – auch beim Grenzschutz.

Dies würde allerdings voraussetzen, dass auch direkte Zielländer wie die Türkei oder der Iran sich an dieses Prozedere halten. Von Reisen in gefährliche Herkunftsländer sei dringend abzuraten. Sollten sie unaufschiebbar sein, müsse Einvernehmen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hergestellt werden.

Namens der FDP fordert deren parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer Stephan Thomae harte Konsequenzen für nicht gerechtfertigte Reisen in behauptete Verfolgerstaaten. Wer diese antrete, brauche offenbar keinen deutschen Schutz mehr:

„In diesen Fällen muss der Schutzstatus umgehend widerrufen werden, damit als nächster Schritt die Ausweisung erfolgen und ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt werden können. Mit dem Asylanspruch darf kein Schindluder getrieben werden.“

Thomae forderte ein Ende der Lose-Blatt-Visa-Praxis, die „von manchen Auslandsvertretungen offenbar ersonnen“ worden sei.



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