Heil über Bürgergeld, Sanktionen und warum Deutschland „kein faules Land“ ist
Empfänger von Bürgergeld müssen sich auch im Jahr 2026 auf eine weitere Nullrunde einstellen. Dies kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gegenüber den Zeitungen des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ (RND) an. Grund dafür sei die Beruhigung im Bereich der Inflation.
In den Jahren 2023 und 2024 war die Grundsicherung für alleinstehende Erwachsene bedingt durch die hohe Teuerung erst von 449 auf 502 und dann weiter auf 563 Euro im Monat gestiegen. Dazu kommen Kosten für Unterkunft und Heizung. Im laufenden Jahr findet keine Anpassung statt. Dies werde voraussichtlich auch 2026 der Fall sein, so der Minister:
„Wenn die Teuerung bei den zwei Prozent bleibt, die die Europäische Zentralbank sich vorgenommen hat, ist eine weitere Nullrunde durchaus wahrscheinlich.“
Minister: Ohne Krieg wäre Zahl der Empfänger rückläufig
Heil übt in seinem Interview mit der Mediengruppe Kritik an der CDU, die strengere Anforderungen für den Bezug von Bürgergeld zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht hatte. Deutschland sei „kein faules Land“, betonte der Minister. Die Zahl der Beschäftigten im Land sei noch nie so hoch gewesen wie 2024.
Die Zahl der Empfänger von Bürgergeld liegt derzeit bei 5,59 Millionen und ist damit auf den höchsten Wert seit 2018 angestiegen. Minister Heil erklärt dazu, dass dies die Folge einer immer noch anhaltenden Fluchtbewegung aus der Ukraine sei. Rechne man diesen Sondereffekt heraus, sei die Zahl der Grundsicherungsempfänger rückläufig.
Außerdem sei jeder fünfte Empfänger von Bürgergeld längst erwerbstätig. Allerdings seien die Betroffenen darauf angewiesen, ihr Arbeitseinkommen durch den Bezug von Mitteln zur Grundsicherung aufzustocken. Diese Option besteht, wenn Erwerbseinkommen nicht ausreichen, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Heil verteidigt sofortiges Bürgergeld für Ukraine-Flüchtlinge
Der Minister verteidigte die – auch von der CDU mitgetragene – Entscheidung, Ukraine-Flüchtlinge unmittelbar in den Bürgergeldbezug zu nehmen. Das Asylbewerberleistungsgesetz auf sie anzuwenden, hätte die Ausländerämter überlastet und die Kommunen finanziell überfordert.
Mittlerweile sei es gelungen, fast 300.000 ukrainische Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu bringen. Es gebe aber noch Verbesserungspotenzial. Deutschland sei im europäischen Mittelfeld bei der Arbeitsmarktintegration von Ukrainern. Erforderlich seien zusätzliche Investitionen in Sprachkurse und eine bessere Anerkennung von Berufsqualifikationen.
Die Zahl der arbeitsfähigen Empfänger von Bürgergeld liegt bei 1,7 Millionen, erklärte Heil. Sein Ziel bleibe es, diese für den Arbeitsmarkt zu mobilisieren. Gleichzeitig äußerte der Minister, er sei bereit, bei den Sanktionen gegen „Totalverweigerer“ nachzuschärfen. Gegenüber RND äußerte er:
Wer eine zumutbare Arbeit nicht annehmen will, muss Sanktionen spüren. Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen.“
Einsparungen von 170 Millionen Euro erhofft
Inwieweit verschärfte Regeln und Sanktionen im Bereich des Bürgergelds tatsächlich einen nennenswerten Einsparungseffekt entfalten, ist indessen ungewiss. Bereits im April 2024 hatte die Ampel eine „gesetzliche Grundlage zur Regelsatzminderung bei unbegründeter Verweigerung der Arbeitsaufnahme“ beschlossen.
Diese sollte im Extremfall auch eine vollständige Streichung des Regelsatzes ermöglichen – sodass nur noch Miete und Heizkosten übernommen würden. Die strengeren Regeln sollten dem Haushalt Einsparungen in Höhe von 170 Millionen Euro ermöglichen, hieß es damals vonseiten der Bundesregierung.
Tatsächlich hat es seit Einführung dieser Regel offenbar keinen einzigen Fall einer solchen Komplettstreichung des Bürgergelds gegeben. Dies berichtet die „Welt am Sonntag“ auf Grundlage einer Eigenrecherche in 60 Jobcentern größerer und mittlerer Städte in allen Bundesländern.
Bürgergeld hat zu rückläufigen Zahlen bei Kürzungen geführt
Im Jahr 2023 hatten die Jobcenter den Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) zufolge 226.008 Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger ausgesprochen. Zehn Jahre zuvor hatte die Zahl der Sanktionen noch bei mehr als einer Million gelegen. Zwischenzeitlich hatte es jedoch eine Vielzahl an Urteilen von Arbeitsgerichten gegeben, die den Sanktionsbefugnissen Grenzen setzten. Im Jahr 2019 skizzierte das Bundesverfassungsgericht Grundlinien für die Zulässigkeit von Einschränkungen bei der Grundsicherung.
In mehr als 80 Prozent der Fälle waren Meldeversäumnisse im Jahr 2023 die Grundlage für die Kürzung von Bürgergeld. Zwischen September 2023 und August 2024 gab es nur rund 21.000 Leistungseinschränkungen wegen verweigerter Jobannahmen. Die Anzahl der Sanktionen in diesem Bereich ist deutlich rückläufig. Im Jahr 2021, als noch die Hartz-IV-Regeln gegolten hatten, waren es noch 52.174 Fälle gewesen.
Im Mittelwert aller Sanktionen waren es 7,4 Prozent, um die der Regelsatz gekürzt wurde. Dieser Anteil ist ebenfalls deutlich rückläufig. Im Jahr 2010 wurden Grundsicherungsleistungen im Schnitt um mehr als ein Viertel gekürzt (25,2 Prozent). Noch 2020 waren es 12,4 Prozent.
Gründe für die restriktive Praxis bei Sanktionen
Als Gründe für die Entwicklung gelten neben einer sanktionskritischen Rechtsprechung auch prozesstechnische Umstände. So sei der Weg hin zur Aussprache einer Kürzung von Leistungen bürokratisch und mit viel Aufwand verbunden.
Außerdem sind die Hürden für potenziell Betroffene, eine Sanktion zu vermeiden, nicht hoch. Dem „Welt am Sonntag“-Bericht zufolge müssen diese – schriftlich oder persönlich – angehört werden. Sobald Kooperationswille erkennbar sei, dürfe nicht mehr gestrichen werden. Zudem reichten oft mündliche Rechtfertigungen für ein versäumtes Vorstellungsgespräch, nachgereichte Krankenscheine oder behauptete Härtefälle aus, um diese abzuwenden.
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