Haushalt 2025: Lindner will „nicht mehr jeden Radweg in Peru bezahlen“ – Widerstand in der SPD gegen Sparkurs

Die Steuerschätzung für 2025 könnte zu einer weiteren potenziellen Sprengfalle für die Koalition werden. Minister Lindner will – außer bei der Ukraine und der Bundeswehr – sparen. In der SPD wächst der Widerstand gegen mögliche Kürzungen, ungeachtet der jüngsten Kanzler-Aussagen.
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Christian Lindner nannte die aktuelle Steuerschätzung einen „Realitätscheck“ für den Bundeshaushalt 2025.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 18. Mai 2024

Bis zum 3. Juli wollen die Spitzen der Ampel die wesentlichen Eckpunkte für den Haushalt 2025 definiert haben. Debatten über Etatvorgaben für die Einzelressorts und vor allem die jüngste Steuerschätzung machen die Aussicht auf eine zeitgerechte Umsetzung dieses Vorhabens nicht deutlich wahrscheinlicher. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz vor wenigen Tagen Minister Lindner ostentativ den Rücken gestärkt hat, als es um die Etatobergrenzen ging, hat nur kurz die Fronten begradigt.

Bund hat „enorme Mittel“ – diese müssen laut Lindner für Haushalt reichen

Lindner zeigte sich auf der einen Seite zuversichtlich, einen ausgewogenen und soliden Haushalt vorlegen zu können. Der Bund verfüge über „enorme Mittel“, machte er „t-online“ zufolge deutlich. Er wolle den Steuerzahlern „einmal Danke sagen“ für 995 Milliarden Euro an Steuereinnahmen, die fürs nächste Jahr zu verzeichnen wären.

Allerdings habe es bereits vor der Steuerschätzung infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November ein Haushaltsloch von etwa 25 Milliarden Euro gegeben. Nun käme ein weiteres Loch von elf Milliarden Euro allein im Bund dazu. Insgesamt gehe die Schätzung von einem zusätzlichen Fehlbetrag von 21,9 Milliarden Euro aus.

Dies, so Lindner, zerstöre „die Illusion all derjenigen, die vielleicht vermutet haben, dass das Geld einfach so vom Himmel fällt und uns davon befreit, fiskalische Notwendigkeiten zu erkennen“. Da die Einnahmen so hoch seien, seien neue Schulden nicht gerechtfertigt. Stattdessen müssten die Ressorts „priorisieren“ – oder „schwitzen“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz es formuliert hat.

Deutsches Engagement in aller Welt zurückfahren

Scholz hatte erklärt, dass Lindner sein Auftreten mit Blick auf die Haushaltsverhandlungen mit ihm abgesprochen habe. Der Bundesfinanzminister hatte allen Ministerien Höchstsummen zugewiesen, die sie bei ihren Anforderungen nicht überschreiten dürften.

Vor allem in Richtung des Entwicklungshilferessorts, zum Teil aber auch an das Auswärtige Amt, war die Aussage gemünzt, dass man sich „nicht überall auf der Welt wie bisher oder wie gewünscht engagieren“ könne. Gegenüber dem ZDF äußerte Lindner:

„Bundeswehr und Ukraine ja, aber wir können nicht mehr jeden Radweg in Peru mit dem Geld der deutschen Steuerzahler bezahlen.“

Bezüglich der Ukraine wäre er sogar zu einer Ausweitung der Unterstützung bereit, weil es dort „um Frieden und Freiheit für Deutschland“ gehe. Abseits davon seien jedoch „Prioritäten“ erforderlich. Bereits zu Beginn der Woche hatte Lindner die Ministerinnen Annalena Baerbock und Svenja Schulze gemahnt, bei ihren Engagements im Ausland die Frage zu stellen, ob die jeweiligen Projekte deutschen Interessen dienten.

Heil kommt Lindner mit Nullrunde beim Bürgergeld entgegen

Aus der SPD kommen nun massive Widerstände gegen den von Lindner beschworenen und vom Kanzler gebilligten Sparkurs. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte jüngst angekündigt, beim Sparen in Vorleistung zu gehen und im Haushalt 2025 eine „Nullrunde beim Bürgergeld“ zu erwarten. Heil begründete dies mit einem Abflachen der Inflation.

Wirtschaftspolitiker Sebastian Roloff hingegen fehlt langsam, aber sicher „endgültig die Fantasie, wie man unter den gegebenen Umständen einen vernünftigen Haushalt aufstellen will“. Es könne nicht angehen, so äußerte er gegenüber dem „Focus“, dass an Investitionen, Integrationsmaßnahmen, aber auch an Konsulaten gespart werde.

Der Bochumer Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer erklärte gegenüber dem „Stern“, die Sozialdemokraten müssten sich „gegen die permanenten Sticheleien der Liberalen wehren“. Diesbezüglich erwarte er vom Kanzler einen „Befreiungsschlag“.

Juso-Chef Türmer: Löcher im Haushalt „niemals mit Einsparungen zu stopfen“

Noch deutlicher wird Juso-Chef Philipp Türmer, der am Freitag auf „n-tv“ der FDP „ideologische Blockaden“ vorwarf, die „jeglichen Sinn für verantwortungsvolle Politik verdrängt“ zu haben schienen. Von Kanzler Scholz erwarte er sich, dass dieser „den kleinsten Koalitionspartner nicht mit einem solchen Stuss durchkommen lässt und wir einen zukunftsfähigen Haushalt aufstellen“.

Türmer hält es für „unmöglich“, einen Haushalt für 2025 unter den Bedingungen der Schuldenbremse aufzustellen. Wenn 25 bis 30 Milliarden Euro fehlten, seien die dadurch entstehenden Löcher „niemals mit Einsparungen zu stopfen“. Bei Rente, Bürgergeld oder Entwicklungszusammenarbeit einzusparen, sei „eine sehr schlechte Idee“, so der Juso-Vorsitzende.

Vielmehr sollte man sich mal den Finanzminister vorknöpfen und ihn zur Vernunft bringen: Dieser unselige Sparkurs muss endlich beendet werden.“

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Achim Post fordert eine Aussetzung der Schuldenbremse für 2025. Er geht davon aus, dass der Ukrainekrieg eine Notlage schaffe, die einen solchen Schritt auf der Grundlage des Grundgesetzes möglich mache.

FDP hält Ukrainekrieg nicht mehr für „akute Notlage“

Lindner will die Ukraine-Unterstützung „in diesem Jahr ohne Ausnahme von der Schuldenbremse“ erwirtschaften. Die FDP hält eine Aussetzung der Schuldenbremse unter dem Banner der Ukrainehilfe auch nicht auf Grundlage des Notlageartikels im Grundgesetz für haltbar. Die dort angesprochene Ausnahme sei für den Fall einer „unvorhergesehenen“ Notlage gedacht. Der seit zwei Jahren stattfindende Krieg schaffe eine solche nicht mehr.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann kündigte angesichts der Steuerschätzung ein „intensives Ringen um den Haushalt“ an. Ihr Fraktionskollege Bruno Hönel will, wie er gegenüber „t-online“ abgibt, gerade vor diesem Hintergrund die Schuldenregeln lockern:

„Deutschland braucht eine Investitionsoffensive, weil die Infrastrukturqualität zunehmend zu einem Hemmnis wirtschaftlicher Dynamik geworden ist.“



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