Hat die AfD CDU-Bürgermeister Wegner ins Berliner Amt geholfen?
Für den neuen Regierenden Bürgermeister Berlins, Kai Wegner (50, CDU), war es ein holpriger Weg, bis feststand, dass er tatsächlich in sein neues Amt gewählt ist.
In den ersten beiden Wahldurchgängen ist er durchgefallen. Im dritten und letzten Wahlgang wurde er dann offenbar mithilfe der AfD gewählt. Für den dritten Wahlgang reichte eine einfache Mehrheit, die hatte er schließlich mit 86 Ja-Stimmen gegen 70 Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen mühsam erreicht. Das Berliner Abgeordnetenhaus besteht aus 159 Abgeordneten.
„Die AfD-Fraktion hat vor dem dritten Wahlgang beschlossen, Kai Wegner zur erforderlichen Mehrheit zu verhelfen. Dieser Schritt ist uns nicht leichtgefallen, denn wir halten den zwischen CDU und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag für die weitgehende Fortsetzung rot-grün-roter Politik mit teilweise anderem Personal. Dennoch überwiegt für uns die gesamtstädtische Verantwortung, der wir uns stellen“, ließ die Oppositionspartei verlauten.
Im Gespräch mit Epoch Times ergänzte die Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende, Kristin Brinker (51): „Wir wollten einen Politikwechsel. Deswegen haben wir gegen das Wahlchaos 2021 geklagt. Deswegen haben wir auch die Wahlwiederholung mithilfe des Berliner Verfassungsgerichts initiiert.“
Jetzt sei er mit Kai Wegner und Franziska Giffey nicht so ausgefallen, wie man es sich gewünscht oder gehofft habe. „Aber nichts ist schlimmer, als wenn gar nichts passiert und wir uns in der Politik nur noch mit uns selbst beschäftigen. Das geht nicht.“
Koalition bestreitet AfD-Stimmen
Die Fraktionen der Großen Koalition CDU (28,2 Prozent Wahlstimmen) und SPD (18,4 Prozent) hingegen bestehen darauf, dass sie aus eigener Kraft den CDU-Fraktionsvorsitzenden Kai Wegner ins Amt des Regierenden Bürgermeisters gebracht haben.
„Ich glaube das nicht. Wir hatten 86 Stimmen. Das ist genau die Koalitionsmehrheit. Ich glaube, dass die AfD hier chaotisieren will“, so Kai Wegner nach seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister.
Er hätte sich einen anderen Start gewünscht: „Der Start war nicht optimal, das ist gar keine Frage. Ganz offenkundig gab es Abweichler, sowohl bei uns als auch bei der SPD. Und jetzt geht es darum, auch die Mitglieder der Koalitionsfraktionen zu überzeugen.“
Er glaube, dass der neue Senat ein starkes Team sei. „Wir haben Lust auf diese Aufgabe, und jetzt überzeugen wir durch gute Arbeit die Koalitionsabgeordneten, aber viel wichtiger die Berliner.“
rbb-Interview mit Kai Wegner am Abend nach der Wahl:
Auch der Berliner SPD-Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende, Raed Saleh (45), besteht darauf, dass die Regierungskoalition ihren Regierenden im dritten Anlauf aus eigener Kraft gewählt hätte: „Wir hatten einen sehr holprigen Start im ersten und im zweiten Wahlgang. Es gab daraufhin eine intensive Diskussion innerhalb der Fraktionen. Das heißt, die CDU mit ihrer Fraktion, wir mit unserer Fraktion und dann hatten wir die Gewissheit, dass das auch funktioniert. Von daher bin ich erleichtert, dass das geklappt hat.“
Und er ergänzt: „Nach dem ersten Wahlgang gab es bei uns eine Abstimmung. Eine sogenannte geheime Probeabstimmung. Da gab es zwei Gegenstimmen. Beide sagten, sie wollen den Weg mit der Großen Koalition nicht unterstützen. Aber ich bin mir sicher, dass wir die beiden Stimmen am Ende auch überzeugen konnten.“
Zu den Aussagen der AfD, sie habe beim dritten Wahlgang Wegner unterstützt, bringt Saleh schwere Vorwürfe gegenüber der Oppositionspartei vor: „Die AfD macht das, was sie immer macht: Sie betrügt, sie täuscht, sie verbreitet Fake News.“ Die Strategie der AfD sei auch, mit Unwahrheiten zu spielen und Gerüchte zu streuen und Desinformation zu liefern. Das sei ein bekanntes Muster der AfD. „Wir nehmen keine Stimmen der AfD, wir brauchen keine Stimmen der AfD und es gab keine Stimmen der AfD“, so der SPD-Chef zur Epoch Times.
„Er hätte diese Wahl niemals annehmen dürfe“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion, Bettina Jarasch (54), zeigt sich nach der Wahl erschüttert: „Berlin braucht eine stabile Regierung. Schwarz-rot hätte niemals riskieren dürfen, dass der Verdacht im Raum steht und auch stehen bleiben wird, dass sie keine eigene Mehrheit hatten, sondern mit den Stimmen der AfD gewählt worden sind.“
Dieser Verdacht, der jetzt dastünde, dass die AfD in Berlin den Regierenden Bürgermeister mitgewählt habe und er ihre Stimmen gebraucht hätte, ist desaströs. „Er hätte diese Wahl niemals annehmen dürfen.“
Zwei Wahlgänge hätten gezeigt, dass es keine eigene Mehrheit gebe. Probeabstimmungen hätten gezeigt, dass es Kritiker gibt, die schwarz-rot nicht ihre Stimme geben würden. „Wir haben eine Vertagung beantragt, um genau eine solche Situation zu verhindern.“
Nach dem zweiten gescheiterten Wahlgang hatte die Grünen-Fraktion einen Vertagungsantrag eingebracht, der von der Mehrheit der Abgeordneten abgelehnt wurde.
Katina Schubert, Parteivorsitzende der Linken, zeigt sich verwundert: „Das hat Berlin noch nie gesehen. Dass ein Regierender Bürgermeister drei Wahlgänge braucht, um überhaupt gewählt zu werden, und zwar ein Regierender Bürgermeister, der von den Fraktionen der ehemals großen ehemaligen Volksparteien nominiert wurde.“
Das sei tatsächlich eine Zäsur. „Offensichtlich ist diese Regierung in sich schon so instabil, dass sie wahrscheinlich keinen Fortschritt für Berlin bringen wird. Denn man kann gar nicht sicher sagen, ob sie überhaupt eine Mehrheit zustande bringt, wenn es dann hart auf hart im Berliner Abgeordnetenhaus kommt, beispielsweise bei der Haushaltsaufstellung oder bei anderen Gesetzen.“
Unmut in der SPD-Fraktion
Rein rechnerisch hätte die Koalition die Stimmen gehabt, um eine eigene absolute Mehrheit zu schaffen. Beweisen lässt sich nicht, wer tatsächlich wie gewählt hat, da es eine geheime Wahl wahr.
Für die Wahl eines Regierenden Bürgermeisters für Berlin ist in den ersten beiden Wahlgängen zunächst eine absolute Mehrheit notwendig. Aktuell besteht das Berliner Abgeordnetenhaus aus 159 Abgeordneten. Die CDU als stärkste Fraktion hat 52 Sitzplätze. Die SPD als zweitstärkste Kraft hat 34 Sitze. Mit den Stimmen beider Fraktionen, die sich als Regierungskoalition zusammengeschlossen haben, wäre eine Wahl von Wegner ganz souverän möglich gewesen. 80 Ja-Stimmen hätte Wegner gebraucht, beide Fraktionen zusammen besitzen 86 Stimmen. Die Grünen besitzen ebenfalls 34 Sitze, die Linke hat 22 Sitze und die AfD 17.
Doch offensichtlich scheint in der SPD-Fraktion Unmut über die durch die Parteispitze um Giffey und Saleh forcierte Große Koalition mit der CDU zu herrschen. Denn im ersten Wahlgang erhielt Wegner nur 71 Stimmen, im zweiten dann 79. Aber 80 Stimmen wären notwendig gewesen.
Bereits die knappe Entscheidung bei der Mitgliederbefragung zur Koalition mit der CDU und dem gemeinsam ausgehandelten Programm mit 54 Prozent zeigte, dass es eine größere Zahl an Parteimitgliedern gibt, die eine schwarz-rote Koalition ablehnen. Aber auch im Lager der CDU gibt es Unmut. Es heißt, es gebe im Rahmen der Postenverteilung im Senat und bei der Postenverteilung auf Ebene der Staatssekretäre Zwistigkeiten. Oder war es der stark SPD-lastige Koalitionsvertrag, der für Spannungen sorgte?
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