„Hart aber fair“: Habeck wird auf dem Land als Bedrohung wahrgenommen

In der TV-Talkshow von Frank Plasberg am Montagabend (24.6.) diskutierten dessen Gäste über die Frage, ob das Umfragehoch der Grünen von tatsächlicher Substanz getragen sei. Dabei wurde unter anderem Kritik an Doppelmoral und elitärem Gebaren im grünen Wählermilieu laut.
Von 25. Juni 2019

In einer improvisierten „Tagesschau 2021“ zeigen sich einmal mehr die Wunschträume vieler deutscher Mainstreamjournalisten: „Kanzler Robert Habeck“ stellt in dieser „Zukunftsvision“ der Weltklimakonferenz einen ehrgeizigen Plan zur weltweiten Abkehr von Öl, Gas und Kohle vor.

Der Clip war Teil der „Hart aber fair“-Sendung vom Montagabend (24.6.), in der es um die Frage ging, welche Inhalte die Grünen abseits ihres Schaufensterthemas „Klimaschutz“ noch bieten könnten und ob dies ausreichen würde, um dem Umfragen-Hype der letzten Wochen tatsächlich dauerhaft Substanz zu verleihen.

Union und SPD nicht in der Lage, Grüne inhaltlich zu stellen

In der Runde fanden sich dann tatsächlich auch Personen, die sich nicht vorstellen können, dass sich auf bloßen Emotionen und Stimmungen entscheidende Mehrheiten für tiefgreifende Veränderungen aufbauen ließen – und bereits die Debatte, ob Robert Habeck oder Annalena Baerbock für das Kanzleramt kandidieren soll, könnte nach Meinung der leitenden „Welt“-Politikredakteurin Claudia Kade innerhalb der Partei für Disharmonie sorgen.

Zudem profitiere die Partei davon, dass Union und SPD weiterhin nicht in der Lage seien, die Schlagworte der Grünen auf Substanz abzuklopfen. Ein weiterer Faktor, der den Ökosozialisten doch noch ihren sicher geglaubten Triumph auf den letzten Metern vereiteln könnte, ist die Frage nach der Finanzierung der grünen Idee wie Klimafonds oder C02-Steuer „mit Sozialausgleich“.

Wirklich fundamentale Kritik brauchten die Grünen nicht zu fürchten. Die Existenz einer „Klimakrise“ stellte keiner in der Runde in Frage. Auch die Frage der Vereinbarkeit von Freiheit und Wohlstand mit ideologisch getriebener Politik unterblieb, ebenso wie jene nach dem Verhältnis der Grünen zu Eigentum und Rechtsstaatlichkeit – nicht zuletzt angesichts rechtswidriger und teilweise sogar gewalttätiger Besetzungen von Kohleabbauschächten oder Zulieferstrecken durch Öko-Extremisten.

Dennoch musste sich Bayerns Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze einige unangenehme Fragen und Hinweise gefallen lassen – deren jener von JU-Chef Tilman Kuban auf das Bild vom Eisgenuss im Plastikbecher in Kalifornien nur einer war.

Zeh befürchtet zunehmende Stadt-Land-Konflikte

Kuban versuchte herauszuarbeiten, dass sich die Politik der Grünen vorwiegend auf Verbote, Belastungen und Maßregelungen beschränke. Mit der AfD verbinde sie die Gemeinsamkeit, dass beide Parteien auf Ängste setzten – die einen im Zusammenhang mit der Migration, die anderen mit dem Klima. Schulze wies diesen Vergleich erwartungsgemäß entrüstet zurück und betonte, dass grüne Politik vielmehr „Mut“ machen würde.

Dass dies überall in gleichem Maße der Fall wäre, bezweifelt die SPD-nahe brandenburgische Juristin und Schriftstellerin Julia Zeh. Sie erklärte, dass Robert Habeck und die Grünen vor allem in ländlichen Regionen eher als Bedrohung wahrgenommen würden. Zwar bescheinigte Zeh den Grünen „frischen Wind“ und „gute Figuren“ bieten zu können. „Tragbare Entwürfe“ vermisse sie jedoch. Vor allem aber teile nicht jeder die Meinung Schulzes, wonach es gerade in Umweltfragen zu viel „Stillstand“ gäbe. Manchen gehe das Veränderungstempo sogar zu schnell.

Zudem, so Zeh, erscheinen grüne Themen vielen auf dem Land als elitär:

Wenn es einer Region infrastrukturell schlecht geht, dann wirkt Klimaschutz fast wie ein Luxusziel.“

Durch Sorgen um To-go-Becher fühlten sich Menschen „veräppelt“, deren Kinder eine 30 Kilometer entfernte Schule besuchen müssten.

Zeh mache sich „Sorgen […], ob der Hype um Habeck zu einer neuen Polarisierung in der Gesellschaft führt“. Deutschland bestehe nicht nur aus einer gebildeten linken urbanen Klientel, die sich von den Grünen optimal vertreten fühle.

Partei der Vielflieger

Schulze betonte, dass ihre Partei außer dem Klima auch noch andere Themen bediene, die ihrer Einschätzung zufolge den Menschen unter den Nägeln brennen würden – etwa „Feminismus“ oder die Frage nach „gleichem Lohn für Männer und Frauen“. Konkrete Beispiele für einen angeblichen Gender Gap, der zu einer sachlich nicht begründbaren ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern führe, nannte sie nicht – allerdings wurde diesbezüglich auch nicht vonseiten anderer Teilnehmer der Runde nachgehakt.

Immerhin versetzte die Senderegie auch selbst die Grünen-Politiker noch einmal in Erklärungsnot, als sie ein Video mit Grünen-Sympathisanten zeigte, die gerade im Begriff waren, in den Urlaub zu fliegen. Kabarettist Florian Schroeder meinte dazu:

Es gibt keine Partei, die so attraktiv ist für Doppelmoral wie die Grünen: Weil man weiß, man tut etwas Gutes, und dann fliegt man aber erst recht in den Urlaub.“

Nach einer Statistik fliegen die Wähler der Grünen sogar am meisten. Das sei in der DNA der Partei drin.

Schulze erklärte daraufhin, man brauche „nicht den besseren Menschen, sondern bessere Politik“ und müsse „an die großen Treiber ran“. Ihr Ziel sei es, Kurzstreckenflüge zu vermeiden, Bahnfahren billiger zu machen und Kerosin zu besteuern.



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